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Syrien-Konferenz
Tiefe Gräben in Montreux

Heftige Wortgefechte haben den Auftakt der Syrien-Friedenskonferenz im schweizerischen Montreux geprägt. UNO-Generalsekretär Ban Ki Moon rief die Delegationen von syrischer Regierung und Opposition auf, die Chance der Verhandlungen in den nächsten Tagen zu nutzen.

22.01.2014
    In Montreux in der Schweiz ist die erste Runde der lange geplanten Syrien-Friedenskonferenz der Vereinten Nationen ohne Ergebnis zu Ende gegangen. Am Auftakt nahmen Vertreter von rund 40 Staaten sowie internationaler Organisationen teil - darunter US-Außenminister John Kerry, der russische Außenminister Sergej Lawrow und Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD). Ziel der Gespräche ist es, den andauernden Bürgerkrieg zu beenden. Doch die Erwartungen sind niedrig.
    UNO-Generalsekretär Ban Ki Moon kündigte am Mittwochabend in Montreux an, dass der internationale Sondergesandte Lakhdar Brahimi mit den Konfliktparteien über einen Fahrplan für die weiteren Gespräche beraten wolle. Am Donnerstag soll Brahimi mit der Regierung und der Opposition getrennt sprechen.
    Die eigentlichen Verhandlungen über einen Waffenstillstand und eine Übergangsregierung sollen am Freitag am Sitz der Vereinten Nationen in Genf beginnen. Wie die Konfliktparteien zu einer Übereinkunft gedrängt werden können, ist jedoch weiter unklar. US-Präsident Barack Obama hat ein militärisches Eingreifen ausgeschlossen.
    Streit um künftige Rolle Assads
    US-Außenminister John Kerry beharrte in Montreux darauf, dass in einer Übergangsregierung kein Platz für den jetzigen Präsidenten Baschar al-Assad sei. Dieser habe durch seine Gräueltaten gegen das eigene Volk jegliche Legitimation verloren. Russlands Außenminister Sergej Lawrow mahnte dagegen, das Ausland dürfe sich nicht in die inneren Angelegenheiten einmischen.
    Syriens Außenminister Walid al-Mualem verbat sich jegliche Einmischung und warnte vor einem Übergreifen des Konfliktes auf die Region. Der Konflikt werde nicht in Syrien enden, sondern alle Nachbarländer in Mitleidenschaft ziehen. Sein Land werde alles tun, um sich zu verteidigen, und dabei die Wege beschreiten, die es für angemessen halte, erklärte Al-Mualem. Zugleich verlangte er, Waffenlieferungen an die Aufständischen zu stoppen. Die Regimegegner beschimpfte er als Terroristen aus dem Umfeld von Al Kaida.
    Vertreter der syrischen Opposition warfen Assad Kriegsverbrechen vor und lehnten seine Beteiligung an einer Übergangsregierung ab. Der Vorsitzende des syrischen Oppositionsbündnisses, Ahmed al-Dscharba, zeigte sich dennoch kompromissbereit. Er sagte: "Das syrische Volk erwartet von uns allen Ergebnisse."
    Lochbihler: "Syrer müssen Zugang zu medizinischer Versorgung erhalten"
    Barbara Lochbihler, Grünen-Politikerin und Vorsitzende des Menschenrechtsausschusses im Europaparlament, nannte im Deutschlandfunk als eines der wichtigen Ziele der Konferenz, dass sich sowohl Rebellen als auch Regierung bereit erklärten, die medizinische Versorgung der Menschen in Syrien zu gewährleisten. Lochbihler forderte zudem, dass die jüngst erhobenen Foltervorwürfe von der UNO auf ihre Richtigkeit überprüft würden. "In einem Krieg stirbt auch die Wahrheit immer zuerst, und deshalb ist es wirklich notwendig, dass von unabhängiger Seite geprüft wird, ob diese Dokumente richtig sind und belastbar sind."
    Der Nahost-Experte Volker Perthes sagte im Deutschlandfunk, es wäre gut, wenn man sich auf einen Waffenstillstand konzentrieren könnte. Gelänge es, die externen Unterstützer des Konflikts und die Konfliktparteien vor Ort davon zu überzeugen, dass aus humanitären, politischen und geopolitischen Gründen der Bürgerkrieg ein Ende habe müsse, könnte ein ernsthafter Dialog entstehen, so Perthes.
    Russland rechnet mit mindestens einwöchigen Verhandlungen
    Russische Diplomaten gehen davon aus, dass sich die Friedensgespräche über mindestens eine Woche hinziehen werden. Nach einer kurzen Pause könne es weitere Gesprächsrunden geben. Grundlage für die neuen Verhandlungen ist der Genf-1-Kompromiss, der im Juni 2012 erarbeitet, jedoch nie umgesetzt wurde. Er sieht eine Waffenruhe, die Freilassung politischer Häftlinge und die Bildung einer Übergangsregierung unter Einbezug der Opposition vor.
    Bundesaußenminister Steinmeier dämpfte bei einem Treffen mit seinem französischen Amtskollegen Laurent Fabius in Paris die Hoffnungen auf eine diplomatische Lösung: "Wir müssen vorsichtig sein mit den Erwartungen. Es wird nicht den großen Friedensdurchbruch geben." Großbritanniens Außenminister William Hague forderte die Kriegsparteien in Syrien über Twitter auf, die Gespräche in Montreux als Chance für einen Frieden zu nutzen.
    Heading to join #Syria negotiations. Both sides should seize chance to end the war. 100,000+ Syrians have died in 18 months since Geneva I— William Hague (@WilliamJHague) 21. Januar 2014
    Auch der Vatikan ist zu den Gesprächen in die Schweiz gereist
    Dafür wird sich auch eine Delegation aus dem Vatikan einsetzen. Sprecher Federico Lombardi erklärte, der Heilige Stuhl sei eingeladen worden, sich an den Gesprächen zu beteiligen. Die Bedingungen, unter denen die Konferenz stattfinden wird, sind schwierig. Die Gruppen, die in Syrien gegen die Herrschaft von Präsident Baschar al-Assad kämpfen, haben kaum etwas mit der politischen Opposition zu tun. Das Oppositionsbündnis Nationale Koalition besteht dagegen aus Mitgliedern, die überwiegend gar nicht in Syrien leben.
    Kurz vor Beginn der Konferenz hatten Menschenrechtler dem Regime des syrischen Präsidenten Assad systematische Folter von Gefangenen vorgeworfen. Zudem gab es Streit über die Ein- und spätere Ausladung des Iran zu den Friedensgesprächen durch UNO-Generalsekretär Ban. Erst nachdem feststand, dass der Iran nicht teilnehmen wird, hatte die syrische Nationale Koalition ihre Teilnahme zugesagt.