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Syrien-Konflikt
"Der Kreml spielt eine konstruktive Rolle"

Der Nahost-Experte Günter Meyer glaubt nicht an eine baldige politische Lösung des Syrien-Konflikts. Es sei sehr wahrscheinlich, dass dies an der Weigerung der USA, Assad in eine Lösung einzubeziehen, scheitern werde, sagte er im DLF. Die Meldungen über einen russischen Kampftruppen-Einsatz in Syrien hält er für Propaganda.

Günter Meyer im Gespräch mit Jasper Barenberg | 15.09.2015
    Günter Meyer, Leiter des Zentrums für Forschung zur Arabischen Welt in Mainz
    Günter Meyer, Leiter des Zentrums für Forschung zur Arabischen Welt in Mainz (dpa / picture alliance / Peter Pulkowski)
    Jasper Barenberg: Abgesehen von der Unterstützung aus Teheran hat auch der Beistand Russlands dafür gesorgt, dass sich Syriens Diktator Assad auch im fünften Jahr des Krieges gegen die eigene Bevölkerung noch an der Macht halten kann, obwohl seine Truppen die Kontrolle über große Teile des Landes inzwischen verloren haben, obwohl Städte in Schutt und Asche liegen, Millionen Menschen auf der Flucht sind und Hunderttausende getötet wurden. Seit Wochen nun mehren sich die Informationen, wonach Moskau seine militärische Hilfe verstärkt. Unter anderem aus den USA ist zu hören, dass der Kreml in der letzten Zeit Panzer und Artillerie nach Syrien verlegt hat. Auch von Kampfsoldaten ist schon die Rede gewesen.
    Am Telefon ist Günter Meyer vom Zentrum für Forschung zur arabischen Welt an der Universität in Mainz. Schönen guten Tag.
    Günter Meyer: Guten Tag, Herr Barenberg.
    "Einsatz von russischen Bodentruppen wäre völlig illusorisch"
    Barenberg: Ist für Sie einigermaßen klar, dass Russland aufrüstet in Syrien?
    Meyer: Alle Berichte deuten darauf hin. Putin hat selber erklärt, dass hier eine qualitative Unterstützung stattfindet. Das heißt, es werden verstärkt Waffen geliefert. Er hat auch eingeräumt, militärische Berater und Ausbilder werden dort eingesetzt. Aber das, was vielfach in westlichen Medien auch von der Opposition verbreitet wird, dass nämlich Kampftruppen eingesetzt werden - es werden Luftfotos gezeigt von modernsten russischen Kampfflugzeugen, die überall aufgenommen worden sein können -, dieser direkte Einsatz russischer Piloten, russischer Kampftruppen, das ist eindeutig Propaganda. Es gibt nichts, was aus russischer Sicht so etwas unterstützen würde. Einerseits wäre es ohnehin illegal, innenpolitisch überhaupt nicht durchsetzbar, aus dem einfachen Grunde: Selbst bei der Frage Intervention in der Ostukraine haben zwei Drittel der Bevölkerung in Russland es abgelehnt, hier ihre Zustimmung zu geben. Und ein Militäreinsatz in Syrien mit Kampftruppen wäre völlig unsinnig und in Russland nicht durchzubringen, außerdem wenig effektiv. Das Hauptproblem sind die Bodentruppen und hier russische Bodentruppen sogar einzusetzen, das wäre völlig illusorisch und wenig effektiv.
    Barenberg: Das klingt ja völlig nachvollziehbar, was Sie sagen, dass ein solcher Militäreinsatz keinen Sinn machen würde, innenpolitisch Putin auch in Schwierigkeiten bringen würde. Trotzdem gibt es diese ganzen Informationshäppchen, sage ich mal. Vieles davon unbestätigt, das haben Sie erwähnt. Von Kampfjets, von einem Luftwaffenstützpunkt, der möglicherweise in Latakia aufgebaut werden soll, ist die Rede. Wie erklären Sie sich dann, dass diese Informationen jetzt in Umlauf sind?
    Meyer: Es ist insofern durchaus auch bestätigt, dass verstärkt Ausbilder eingesetzt werden. Es ist auch bestätigt, dass die Luftwaffenbasis von russischen Kräften dort errichtet worden ist. Das heißt, wie eben in dem Beitrag schon angedeutet, ein taktisches Manöver von russischer Seite, um angesichts der bevorstehenden Verhandlungen in New York zu sagen, wir sind diejenigen, die nach wie vor hier mitzureden haben.
    "Politische Lösung war 2012 zum Greifen nahe"
    Barenberg: Und damit auch eine Bestätigung dafür, dass Moskau weiter an Assads Seite ist? Da gab es ja auch Debatten darüber und Mutmaßungen darüber, ob der Westen sich mit Russland einigen könnte, dass eine Lösung nur ohne Assad stattfinden kann.
    Meyer: Russland hat von Anfang an erklärt, wir werden nicht zulassen, dass das Assad-Regime oder der Präsident gestürzt wird. Diese Position hat die russische Regierung von Anfang an durchgehalten. Wenn es jetzt um die Frage geht, wer ist verantwortlich für die Flüchtlinge, dann müssen wir uns auch nachdrücklich vor Augen führen, dass wir 2012 eine politische Lösung des Konfliktes zum Greifen nahe hatten. Bei den Genfer Verhandlungen saßen die syrische Regierung und die Opposition am Tisch. Sie hatten sich geeinigt auf eine Übergangsregierung, auf Neuwahlen, auf eine neue Verfassung. Allerdings wenige Tage später ist das Ganze dann gescheitert an der Forderung der USA und der syrischen Auslandsopposition, dass Assad in der Übergangsregierung keine Rolle spielen dürfte. Wir stehen jetzt wieder vor der gleichen Situation. Es ist Russland, das auf diese Genfer Vereinbarung zurückgreifen will und jetzt vor dem Hintergrund, dass alle Gegner des Islamischen Staates gemeinsam gegen diese Organisation vorgehen, hier auf der Basis der Genfer Konvention tatsächlich noch eine politische Lösung angestrebt werden soll.
    Barenberg: Und zum Schluss noch, Herr Meyer. Wie Erfolg versprechend ist diese Haltung Russlands? Kann der Kreml eine konstruktive Rolle spielen?
    Meyer: Der Kreml spielt eine konstruktive Rolle. Die Wahrscheinlichkeit ist aber sehr groß, dass das Ganze nach wie vor an der Weigerung der USA scheitern wird, an der Forderung, dass vor jeglicher politischen Lösung der Ausschluss von Baschar al-Assad stattfinden muss.
    Barenberg: ... sagt Günter Meyer vom Zentrum für Forschung zur arabischen Welt an der Universität Mainz. Vielen Dank für Ihre Zeit heute Mittag.
    Meyer: Vielen Dank, Herr Barenberg.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.