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Syrien-Konflikt
Eskalation zwischen USA und Russland "nicht wahrscheinlich"

Trotz der Zuspitzung des Syrienkonflikts halte er eine direkte militärische Konfrontation zwischen USA und Russland derzeit nicht für wahrscheinlich, sagte der Nahostexperte André Bank im Dlf. Dennoch werde der Krieg jetzt in eine neue Phase treten.

André Bank im Gespräch mit Christiane Kaess | 11.04.2018
    Angriff auf die syrische Stadt Duma - Rauchsäulen stehen über der Stadt
    "Ein sehr kurzes Aufflammen": Trotz der Ankündigung von US-Präsident Donald Trump, Raketen auf Syrien abzuschießen, rechnet Nahostexperte André Bank nicht mit einem groß angelegten amerikanischen Militäreinsatz (dpa / Ammar Safarjalani)
    Christiane Kaess: Ich spreche jetzt mit André Bank. Er ist Syrien-Experte des GIGA-Instituts für Nahost-Studien in Hamburg und er ist jetzt am Telefon. Guten Abend, Herr Bank.
    André Bank: Guten Abend.
    "Zwei Szenarien wahrscheinlich"
    Kaess: Sollte US-Präsident Trump seine Androhung eines Militärschlags wahrmachen, was für ein Angriff könnte das sein?
    Bank: Ich denke, da sind zwei Szenarien wahrscheinlich. Das eine wäre, wie auch in dem vorherigen Bericht angeklungen ist, ein ähnlicher Angriff wie letztes Jahr, im April 2014, auf die syrische Luftwaffenbasis al-Shairat mit Marschflugkörpern, mit solchen Tomahawks, die dann von dem US-Zerstörer USS Donald Cook aus dem östlichen Mittelmeer abgefeuert werden und sehr gezielt die syrische Luftwaffe und das syrische Militär schwächen sollen. Diese Basen sind in unterschiedlichen Teilen des Landes, bisweilen aber durchaus nahe auch an Wohngebieten, so dass hier auch Zivilbevölkerung getroffen werden könnte.
    Das zweite Szenario könnte sein, dass eine ganze Reihe von verschiedenen Zielen angegriffen werden. In dem ersten Beitrag von Ihrem Korrespondenten aus Washington ist es ja angeklungen, dass das auch ein Szenario ist. Das wäre dann im Grunde eine Eskalation gegenüber dem Szenario von 2017.
    "Es sind nicht alle Partner im Boot"
    Kaess: Sie gehen aber doch eher von einem kurzen Angriff aus und nicht von einem längeren Engagement?
    Bank: Ich wüsste nicht, wie das genau aussehen könnte. Zum einen scheint es ja nicht so zu sein, als ob schon die finalen militärischen Strategien abgesteckt sind. Es sind auch nicht alle Partner offensichtlich im Boot. Frankreich und Großbritannien, aber auch die regionalen Verbündeten der USA, Israel und Saudi-Arabien, sind hier ja nicht auf einer Linie, so dass man von einer größeren Aktion jetzt kurzfristig erst mal noch nicht ausgehen kann.
    Kaess: Nun kennen Sie die Gemengelage in Syrien sehr gut, Herr Bank. Die Gefahr einer Eskalation, insbesondere einer Konfrontation mit Russland, für wie realistisch halten Sie die?
    Bank: Ich will diese Gefahr nicht gänzlich kleinreden, denn in der Tat ist ja eine Möglichkeit, wenn es zu so einem Militärschlag vom östlichen Mittelmeer aus kommt, dass hier auch russische Raketenabwehr zum Einsatz kommt und es hier, auch wenn es vielleicht ursprünglich gar nicht intendiert ist von der einen oder anderen Seite, zu so einer Eskalation kommen könnte. Ich glaube aber, wahrscheinlicher ist doch ein Szenario, dass hier es nicht zu einer größeren Eskalation, zu einer direkten militärischen Konfrontation zwischen den USA und Russland in Syrien kommt. Ohnehin scheint mir dieser Militärschlag zwar nicht irrelevant zu sein, aber an der größeren Kriegsgemengelage in Syrien und der Assad-Kontrolle von weiten Teilen des Landes, die ja auf die Unterstützung durch Iran, Russland und Hisbollah zurückgeht, an dieser Gemengelage, an dieser Grundkonstellation dürfte sich hierdurch wenig ändern.
    Folgt jetzt die Rückeroberung von Idlib?
    Kaess: Welche Folge hätte denn so ein Angriff dann für den Krieg in Syrien?
    Bank: Na ja. Ich würde sagen, wenn dieses Szenario einer nicht intendierten großen Eskalation ausbleibt, was ich als doch immer noch am wahrscheinlichsten halte, dann könnte es möglicherweise ein sehr kurzes Aufflammen sein, ähnlich wie in dem Szenario vom letzten April 2017, und dann im Grunde der Krieg, der ja in verschiedenen Gebieten des Landes weitergeht, in eine neue Phase treten. Nachdem das Regime jetzt mit russisch-iranischer Hilfe Ostghouta, das Gebiet um Damaskus wiedererobert hat, sind ja die Rebellen lediglich noch in der Provinz Idlib im Nordwesten und in einzelnen kleinen Bereichen im Süden an der syrisch-jordanischen Grenze vertreten. Ich würde sagen, dass der nächste Schritt es dann wäre, dass das Assad-Regime eskaliert wiederum und mit russisch-iranischer Hilfe versucht, auch diese Provinz Idlib einzunehmen, ganz zu schweigen von der weiterhin bevorstehenden türkischen Militärexpansion in die kurdischen Gebiete im Nordosten Syriens hinein.
    Kaess: Das würde heißen, Herr Bank, auch so ein Militärschlag jetzt würde für das syrische Regime noch nicht einmal abschreckende Wirkung haben?
    Bank: Möglicherweise kurzfristig abschreckend schon, indem vielleicht nicht mehr so deutlich Chemiewaffen zum Einsatz kommen. Aber es ist ja fortwährend auch nach 2013, als diese berühmte rote Linie von Obama dann nicht zu diesem US-Militärangriff geführt hat und dann die Chemiewaffen vermeintlich gänzlich außer Landes gebracht wurden, weiterhin immer wieder zu Chemiewaffen-Einsätzen gekommen. Ich denke, dass es zu einer Art von weniger offensichtlichen Einsätzen dieser schrecklichen Waffen kommt, aber dass dieser Krieg dadurch nicht verändert ist, sondern dass er sich transformiert und in anderen Landesteilen weitergeht, wie er ja im Grunde auch nach der Einnahme Aleppos im Dezember 2016, wo viele gemutmaßt haben, jetzt ist der syrische Krieg bald zu Ende.
    "Der Krieg wird weiterhin sehr viele Opfer kosten"
    Der Krieg wird nicht zu Ende sein. Er wird sich transformieren, er wird auf andere Gebiete gehen und er wird weiterhin sehr viele Opfer kosten und auch Flüchtlinge im Land und außerhalb des Landes mit sich bringen. Das ist natürlich kein schönes Szenario, aber ich glaube, jenseits dieser aktuellen Debatte um den Militärschlag von Trump doch das wahrscheinlichste Konfliktszenario für Syrien.
    Kaess: Noch ganz kurz zum Schluss. Wenn das syrische Regime jetzt durch so einen Militärschlag geschädigt würde, würde das der Opposition noch mal Aufwind geben?
    Bank: Das sehe ich nicht wirklich, denn Trump hat ja nicht nur erklärt, dass er sich im Grunde aus einer diplomatischen Lösung für Syrien rauszieht und keine humanitären Hilfszahlungen für Syrien zukünftig liefert, sondern ja auch die finanzielle Unterstützung für Rebellen durch die USA einstellt. Das hat er ja kürzlich auch erklärt. Insofern müsste das wirklich einhergehen mit einer neuerlichen 180-Grad-Wende in der US-Politik in Syrien, und die sehe ich momentan noch nicht. Insofern: Nein, keine neue Hoffnung für die Rebellen.
    Kaess: … sagt André Bank. Er ist Syrien-Experte des GIGA-Instituts für Nahost-Studien in Hamburg. Danke für Ihre Zeit heute Abend.
    Bank: Gerne.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.