Mittwoch, 24. April 2024

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Syrische Künstler
"Ohne Hoffnung können wir nicht arbeiten"

Larissa Bender hat mit "Innenansichten aus Syrien" ein Buch vorgelegt, das Schriftsteller, Filmemacher, Theaterleute und bildende Künstler zu Wort kommen lässt. Auch wenn das Kunstleben in Syrien selbst fast zum Erliegen gekommen sei, versuche man, den Krieg und die Unterdrückung zu verarbeiten, sagte sie im DLF.

Larissa Bender im Gespräch mit Beatrix Novy | 06.09.2014
    Menschen in einem zerstörten Gebäude nach einer Explosion in Damaskus
    Durch die Bedrohung der IS rücken die Leute wieder mehr zusammen, sagt Bender (dpa / picture alliance / Sana Handout)
    Beatrix Novy: Ein Bombenangriff in Aleppo in einem angeblichen Rebellenviertel hat gestern zehn tote Zivilisten hinterlassen an einem Taxistand. Solche kleinen Meldungen schaffen es derzeit kaum noch in die Nachrichten. Da hat in Syrien die Bedrohung im Moment nur einen Namen: Islamischer Staat. Aber hier und in Syrien leben immer noch Menschen, die nach wie vor außer am IS am Krieg mit dem Regime sterben. Wer hätte das alles 2011 gedacht, als die Arabellion auf Syrien übergriff und viele Künstler sich ihr anschlossen. Die gibt es übrigens noch, die Künstler, als Flüchtlinge im Ausland vielfach, aber auch in Syrien. Sie haben Stimmen und etwas zu sagen. Die Arabisch-Übersetzerin Larissa Bender, die sich seit Jahrzehnten in Syrien viel aufhält, hat diese Stimmen gesammelt für ein Buch. "Innenansichten aus Syrien" heißt es. Eine der Grafiken in diesem Buch zeigt ein Porträt von Assad mit einem Geier auf dem Kopf. Man hat es in hiesigen Medien schon mal gesehen, man kennt es. Frage an Larissa Bender: Weiß man denn auch, wer das gemacht hat?
    Larissa Bender: Den Namen kenne ich auch nicht. Es ist eine Künstlergruppe, die virtuell miteinander verbunden ist. Das sind Künstler, Karikaturisten, die in Syrien leben, in Deutschland leben, aber auch weltweit, international sind die vernetzt. Und diese Grafik ist eine der wenigen, die vielleicht hier ihren Weg in den Westen gefunden haben. Die meisten sind hier nicht bekannt. Es hat sicherlich damit zu tun, dass einige von den Künstlern auch in Deutschland leben. Die meisten Kunstwerke, die geschaffen wurden in den letzten drei Jahren – das sind Bilder, Kaligrafien, Karikaturen und so weiter -, haben ihren Weg ja nicht in den Westen oder in die westlichen Medien gefunden.
    Krieg und Unterdrückung als bestimmendes Thema
    Novy: ... ist aber Kunst, die politisch sein will?
    Bender: Es wird sehr viel gezeigt der aktuelle Zustand des Landes, das Morden, das Töten, aber auch immer wieder gibt es Aufrufe an das Assad-Regime, zurückzutreten, oder es wird beschrieben, wie hier in dieser Karikatur, von der Sie gesprochen haben. Da steht drunter: "Das Regime ist eine verwesende Leiche, deshalb begrabt es und begrabt seine Krankheiten mit ihm." Es ist ganz explizit politische Kunst, die zum Teil gemacht wird.
    Novy: Sie beschreiben in Ihrem Buch Schriftsteller, Filmemacher, Theaterleute, bildende Künstler, die schreiben, filmen, machen Theater, malen. Ist das alles noch so möglich in Syrien?
    Bender: Es ist in ganz geringem Ausmaß nur noch möglich. Man muss sich halt vorstellen, dass mehr als die Hälfte des Landes in Trümmern liegt. In einem Drittel hat jetzt der Islamische Staat die Macht, da ist Kunst absolut verboten. Die Menschen sind mit dem täglichen Überleben voll beschäftigt. Es gibt Schriftsteller, die dort leben, die weiter schreiben, aber viele Künstler, muss man sagen, haben das Land verlassen, mussten das Land verlassen, sind geflohen – sei es in die Nachbarländer, im Libanon leben sehr viele syrische Künstler, manche haben es auch in die europäischen Länder geschafft, aber auch in die arabischen Nachbarstaaten.
    Novy: Wann sind die Texte entstanden, die in Ihrem Buch abgedruckt sind? Es sind ja auch Interviews dabei, die Sie geführt haben.
    Bender: Man muss sagen, es gibt einen Kern von elf Texten. Die sind entstanden innerhalb des letzten knappen Jahres und die sind online erschienen auf der Autorenplattform Faust-Kultur. Darum herum haben wir Interviews geführt von Journalisten mit bekannten Künstlern, deren Kunstobjekte in dieser großen syrischen Community oder allen Leuten, die sich mit Syrien beschäftigen, bekannt sind.
    Novy: Ich habe eben nach den Künstlern selbst gefragt. Wer ist das, wer da schreibt, filmt, Theater macht? Wer sind die Leute, wer hört sie, liest sie, sieht Theater?
    Bender: Das Kunstleben ist ziemlich zum Erliegen gekommen. Ich weiß das. In Aleppo gibt es auch noch eine kleine Galerie, die manchmal Fotoausstellungen macht. Aber das ist natürlich sehr schwer. Es wird wirklich gekämpft und auch selbst in der Stadt Damaskus, die ja wirklich versucht hat, sich nach außen zu verschanzen, auch da kommen immer wieder mal Granaten runter und da kann man nicht wirklich gut Kunst machen im Sinne von Konzerte, Ausstellungen, Theater. Die Künstler, die noch da sind, arbeiten natürlich. Die Schriftsteller, die dort noch leben, arbeiten natürlich. Die Schriftsteller, die dort noch leben, arbeiten und schreiben.
    Hoffnung auf die Zukunft
    Novy: ... und es ist ja auch ihr Anliegen, das was sie erleben jetzt gerade in diesem Krieg zu beschreiben.
    Bender: Ja! Alle Schriftsteller, mit denen ich gesprochen habe oder mit denen ich Kontakt habe, haben mir gesagt, sie beschreiben natürlich die jetzige Situation. Niemand arbeitet jetzt an einem Thema, was vor 40 Jahren stattgefunden hat, sondern sie versuchen alle, die Situation, den Krieg, die Unterdrückung zu verarbeiten. Da sind schon Romane draus entstanden, mehrere Romane sogar, sind schon erschienen, die die letzten drei Jahre behandeln. Manche arbeiten längerfristig, machen eine Art von Tagebuch, und es wird sicherlich sehr viel Literatur dann entstehen, oder Romane herauskommen, Gedichte herauskommen, irgendwann, wenn die Situation sich etwas beruhigt hat.
    Novy: Um so etwas zu machen, muss man ja einen Funken Hoffnung haben.
    Bender: Interessanterweise haben die Menschen, die im Land leben, mit denen ich Kontakt habe, ein bisschen mehr Hoffnung als die, die außerhalb leben. Zum Beispiel Rahed Fades – das ist der Leiter des Medienbüros in Kafranbel; Kafranbel ist berühmt für seine Plakate, seine Karikaturen, die sie jede Woche abfotografieren und ins Netz stellen -, er hat gesagt in einem Interview, ohne Hoffnung können wir nicht leben, ohne Hoffnung können wir nicht arbeiten.
    Novy: Gibt es eine Lagerbildung? Ich meine, die politische Situation in Syrien ist unübersichtlich und es gibt entsprechend viele Sichtweisen. Wie sieht das unter Künstlern aus? Wird da politische Auseinandersetzung betrieben?
    Bender: Die Situation ist so grausam von Anfang an gewesen, dass es ganz starke tiefe Risse gegeben hat innerhalb von Familien, innerhalb von Freunden, und ich glaube, langsam hat so ein Zeitpunkt begonnen, auch durch diese starke Existenz jetzt von IS, dass die Leute wieder ein bisschen zusammenkommen und überlegen, wie können sie doch in Zukunft wieder zusammenleben.
    Novy: Larissa Bender mit „Innenansichten aus Syrien". Larissa Bender ist die Autorin des gleichnamigen Buches.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.