Donnerstag, 25. April 2024

Archiv


Syrische Rebellen sind nicht "auf Informationen von uns angewiesen"

Informationen des Flottendienstbootes der Deutschen Marine hätten höchstwahrscheinlich überhaupt keinen Nachrichtenwert für die Aufständischen in Syrien, glaubt Manfred Grund, Mitglied im Parlamentarischen Kontrollgremium (PKG) des Bundestages.

Dirk Müller im Gespräch mit Manfred Grund | 21.08.2012
    Dirk Müller: Es waren verschiedene Medien in Großbritannien wie auch in Deutschland, die den jüngsten, äußerst umstrittenen Vorgang ans Licht gebracht haben: Ein deutsches Bundeswehrschiff kreuzt auf dem Mittelmeer. An Bord sollen Mitarbeiter des BND sein, die geheime Informationen über die Situation in Syrien weitergeben – offenbar in Richtung westlicher Geheimdienste, offenbar auch in Richtung syrischer Rebellen. Die technische Ausrüstung soll es dem Flottendienstboot erlauben, Informationen zu sammeln, die in einem Radius von bis zu 600 Kilometern ausgekundschaftet werden können.

    Technisch also kein Problem, vom östlichen Mittelmeerraum hineinzuhorchen nach Syrien, nach Damaskus, nach Homs, nach Aleppo. Aber politisch? – Grüne und auch Teile der Sozialdemokraten fordern klipp und klar alles aufzuklären, und die Linken sind sogar empört, werfen der Bundesregierung vor, sich indirekt am Krieg zu beteiligen.

    Darüber sprechen wollen wir nun mit dem CDU-Politiker Manfred Grund, zugleich Mitglied im Parlamentarischen Kontrollgremium (PKG), das zuständig ist für die Kontrolle der Geheimdienste.
    Guten Morgen, Herr Grund!

    Manfred Grund: Guten Morgen!

    Müller: Was wissen Sie?

    Grund: Also was wir an gesichertem Wissen haben, Sie wie ich auch, ist, dass ein Flottendienstboot der Bundesmarine von Sardinien ausgelaufen ist aus dem Hafen von Cagliari, wohl am Sonntag ins östliche Mittelmeer. Das ist das Einzige, was zurzeit gesichert ist; alles andere sind Spekulationen, Wahrscheinlichkeiten, und darüber entzündet sich im Moment die Diskussion.

    Müller: Gehen Sie davon aus, dass es auch spioniert, dieses Boot?

    Grund: Lassen Sie uns nicht von Spionage reden. Da ist weder James Bond an Bord, noch ist Markus Wolf dabei, und selbst bei Markus Wolf haben wir nicht von Spionage, sondern von Hauptverwaltung Aufklärung gesprochen, ein wenig verniedlichend. Also es geht um Aufklärung, es geht um Informationsgewinnung, und dazu sind diese Boote – es gibt drei dieser Flottendienstboote bei der Bundesmarine – auch da. Also Nachrichtengewinnung und das im nationalen Interesse.

    Müller: Im nationalen Interesse. – Es machen dies Militärs, Bundeswehrsoldaten, diese Aufklärung, oder auch BND-Agenten?

    Grund: Das wissen wir noch nicht. Wir werden in einer Sitzung des Parlamentarischen Kontrollgremiums – ich gehe davon aus, in der nächsten regulären Sitzung – darüber reden, ob auch Nachrichtendienstleute an Bord sind. Wir wissen es nicht. Wir wissen aber, dass die Bundesmarine selbst in der Lage ist und auch die Fähigkeiten hat, die technischen Fähigkeiten hat, aufzuklären und Informationen zu gewinnen.

    Müller: Aber Sie schließen, Herr Grund, das nicht aus, dass Geheimdienstler an Bord sind?

    Grund: Das wäre jetzt Spekulation. Ich kann jetzt weder ja noch nein sagen. Ich habe noch nicht jemanden dazu befragen können. Also ich werde mich dazu kundig machen und dann können wir später dazu noch mal reden. Also ich kann es nicht ausschließen, aber ich weiß es auch nicht.

    Müller: Spekulieren wir vielleicht, wenn Sie erlauben, ein bisschen weiter. Wäre das in Ordnung, wenn BND-Agenten mit dabei wären?

    Grund: Also es würde nicht der gängigen Praxis widersprechen, dass man Spezialisten an Nachrichtengewinnung mit teilnehmen lässt. Aber noch mal: Die Bundeswehr und auch die Bundesmarine ist selber in der Lage, diese Informationen zu gewinnen und sie auch dann im Rahmen ihrer Strukturen zu verwerten.

    Müller: In der "Bild am Sonntag" wird ja ein BND-Agent zitiert, der da sagt, wir leisten Unglaubliches im Grunde bei der Aufklärung und haben wertvolle Informationen auch für die westlichen Verbündeten. Das ist jetzt nicht weiter belegt, das ist nur zitiert. Macht Sie das ein bisschen nervös?

    Grund: Das macht mich nicht nervös, weil solche Quellen, wie wohl informierte Dritte oder ein Bundeswehrmitarbeiter oder ein Nachrichtendienstmitarbeiter, die nicht mit Namen benannt sind, sind nicht zu belegen und Zweck ist es eigentlich, eine falsche Fährte oder Fährten zu legen, die wir nicht verifizieren können. Es macht mich auch deswegen nicht nervös, weil ich aus anderen Presseinformationen und Mitteilungen auch weiß, dass die Aufständischen in Syrien nicht unbedingt auf Informationen von uns angewiesen sind, um jetzt auch Truppenbewegungen von Assad mitzubekommen, sondern die Briten sind auf Zypern mit zwei Stationen, die Türkei ist in unmittelbarer Nähe, Israel ist nicht weit davon entfernt und die Amerikaner auch nicht.

    Ich glaube auch nicht, dass man unbedingt auf Informationen zurückgreifen muss, die ein Flottendienstboot der Bundesmarine gewinnen können. Wahrscheinlich sind die noch nicht mal in dem Radius, wo sie überhaupt in den Einsatz kommen könnten.

    Müller: Dann reden wir über diesen zweiten Aspekt, den Sie gerade auch mit angesprochen haben. Es werden Informationen gesammelt, das wissen Sie auch, mit großer Wahrscheinlichkeit, sagen Sie, vermutlich von Bundeswehrsoldaten, die auch dafür ausgebildet sind und die natürlich auf das technische Equipment dieses Schiffes zurückgreifen können. Wenn es aber beim Informationstransport dahin gehend auch Quellen beziehungsweise Leitungen in Richtung syrischer Rebellen geben würde, wäre das eine Einmischung?

    Grund: Das wäre eine Einmischung und hier sind wir aber nach wie vor im spekulativen Bereich. Das heißt also, es gibt keine direkte Linie oder auch keine direkte Verbindung. Wir wissen es auch noch nicht, und ich glaube es auch nicht, kann es mir auch nicht vorstellen, dass Informationen tatsächlich überhaupt einen Wert haben, einen Nachrichtenwert haben für syrische Rebellen, die von uns kommen könnten. Aber es gibt auch keine Verbindung, keine Verbindungslinie, kein direktes Übergeben von Informationen. Ich könnte es also von jetzt aus, von hieraus ausschließen. Aber wie gesagt, wir werden uns im Parlamentarischen Kontrollgremium dazu auch kundig machen.

    Müller: Sie kennen sich ja mit den Geheimdiensten aus als Mitglied im Parlamentarischen Kontrollgremium PKG. Sie sind zuständig für die Kontrolle der Geheimdienste. Ist das üblich, dass Informationen, die durch Aufklärung wie auch immer zustande gekommen sind, ausschließlich dann den NATO-Staaten zur Verfügung gestellt werden, oder gibt es auch befreundete Staaten, zu denen man keine weiteren institutionalisierten politischen Beziehungen hat, wo man sagt, hier habt ihr was?

    Grund: Ich gehe davon aus, dass innerhalb der NATO Informationen, die gewonnen werden, gegenseitig ausgetauscht werden, also mit befreundeten Diensten innerhalb der NATO, dass solche sicherheitsrelevanten Informationen nicht weitergegeben werden an andere Nachrichtendienste, die sagen wir in diesem Bündnis, in diesem Verbund nicht dabei sind, und innerhalb der NATO ist es, glaube ich, auch wichtig, denn die Türkei ist quasi Konfliktpartner, ein türkisches Flugzeug ist abgeschossen worden, und insoweit haben wir ein gemeinsames Sicherheitsinteresse innerhalb der NATO, diese Informationen auch gegenseitig auszutauschen.

    Müller: Ist Ihnen das denn schon mal vorgekommen, dass Sie über Agenten sozusagen gestolpert sind?

    Grund: Ist mir nicht vorgekommen. Nein, wüsste ich jetzt keinen Fall, könnte ich nicht sagen.

    Müller: Müssten Sie es denn offiziell wissen?

    Grund: Man würde uns darüber informieren im Parlamentarischen Kontrollgremium.

    Müller: Das heißt, alle Geheimdienstaktivitäten gerade im Ausland sind in Richtung PKG gemeldet, angemeldet?

    Grund: Ich gehe davon aus. Ich gehe davon aus, dass alle angemeldet sind. Ich sitze nicht an der Nachrichtenquelle, ich kann das nicht hundertprozentig sagen, aber ich gehe davon aus. Ich fühle mich im PKG gut informiert, auch umfassend informiert und bin immer wieder erstaunt, mit welchen Nachrichten und mit welchen Informationen die Öffentlichkeit verrückt gemacht wird.

    Müller: Aber das war jetzt ja auch eine Lernfrage, unter anderem ja vielleicht aus Sicht der Öffentlichkeit. Das heißt: Können Geheimdienstler operieren im Ausland, vielleicht in Krisengebieten, gegebenenfalls in Kriegsgebieten, ohne dass das Kontrollgremium darüber informiert ist?

    Grund: Ich gehe davon aus, dass wir über diese oder solche Aktivitäten, falls sie stattfinden, zeitnah informiert werden.

    Müller: Also müssen Sie informiert werden, vielleicht klarer gefragt?

    Grund: Ich wünsche mir, dass ich informiert werde, dass die PKG informiert wird, dass damit auch das Parlament beteiligt ist, und ich gehe davon aus, dass das auch geschieht.

    Müller: Aber Sie sagen ganz bewusst, Sie wünschen sich. Das heißt, es ist in der Praxis manchmal anders?

    Grund: Das weiß ich nicht. Ich kann es nicht ausschließen, weil ich nicht alle - - Ich bin nicht an der Quelle der Informationen, ich bin nicht im Bundesnachrichtendienst. Ich bekomme diese Informationen und ich fühle mich umfassend informiert.

    Müller: Nun wollen ja viele, dass die Politik die Geheimdienste kontrolliert. Wenn Sie das nicht genau wissen und das zumindest nicht ausschließen, wer trägt dann definitiv die politische Verantwortung?

    Grund: Die politische Verantwortung trägt der zuständige Minister, das ist klar. Wenn was schiefgeht, landet das immer beim zuständigen Minister. Aber solange ich dabei bin, solange ich informiert bin, kann ich nicht sagen, dass sicherheitsrelevante Dinge uns nicht gesagt worden sind. Die Öffentlichkeit ist über das Parlamentarische Kontrollgremium und auch der Bundestag darüber gut informiert.

    Müller: Es gibt den Innenminister, es gibt ja auch den Verteidigungsminister, selbst den Außenminister, die da eine gewisse Rolle spielen. Das heißt aber, zunächst mal muss der Innenminister es wissen?

    Grund: Der Innenminister und der Kanzleramtsminister, der ja die Aufgaben der Nachrichtendienste koordiniert. Das sind die für uns zuständigen Minister.

    Müller: Und da sehen Sie bis jetzt keinen Grund, sich da zu beschweren? Es ist keine Lücke aufgetreten?

    Grund: In keinster Weise. Ich sehe nicht, nach den Informationen, die uns vorliegen, dass hier gegen irgendetwas, gegen Gesetze oder gegen Informationspflichten verstoßen worden ist. Es ist nicht mal ein bemerkenswerter Vorgang, sodass ich nicht mal sehe, dass eine Sondersitzung des Parlamentarischen Kontrollgremiums deswegen notwendig wird, sondern es ist genügend Zeit, in der nächsten regulären Sitzung dies zu bereden.

    Müller: Bei uns heute Morgen im Deutschlandfunk der CDU-Politiker Manfred Grund, Mitglied im Parlamentarischen Kontrollgremium des Bundestages. Vielen Dank für das Gespräch und auf Wiederhören.

    Grund: Auf Wiederhören!


    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.