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Täuschen wird teuer

Jeder Computer kann es: Mit ein paar Klicks lassen sich ganze Dateien und Texte von einem Dokument in ein anderes einfügen. Weil sich immer öfter auch Studenten dieser Technik bedienen und per Copy & Paste ganze Haus- und Examensarbeiten zusammenstellen, hat die Universität Münster jetzt die Reißleine gezogen. Sie droht Plagiatoren neuerdings mit drakonischen Strafen.

Von Armin Himmelrath | 07.10.2005
    Hans-Joachim von Olberg ist von seinen Studierenden einiges gewohnt. Aber die Dreistigkeit, mit der viele Nachwuchsakademiker immer öfter Texte aus dem Internet zusammenklauen und dann bedenkenlos als eigene Werke ausgeben, die erschreckt ihn doch. Der Studiendekan im Fachbereich Erziehungswissenschaft und Sozialwissenschaften an der Uni Münster schildert einen typischen Fall.

    " Die Studentin, die das Plagiat eingereicht hatte, hat ganz offensichtlich ganz gezielt eine Leistung erschleichen wollen. Sie hat also die Arbeit eingereicht mit dem Hinweis darauf, sie hätte einen hohen Termindruck, weil sie die Hochschule wechseln wolle, und hat dann den Gutachter gebeten, möglichst schnell zu korrigieren, und ist dann auch ganz schnell erschienen. Also in diesem einen Fall war es ganz offensichtlich intendiert."

    Solche eklatanten Verletzungen der wissenschaftlichen Normen wollten sich die Münsteraner Professoren nicht länger bieten lassen. Studiendekan von Olberg blätterte deshalb im neuen nordrhein-westfälischen Hochschulgesetz und wurde schnell fündig: Wer pfuscht und fälscht, dem droht nicht nur die Aberkennung der bisherigen Prüfungsleistungen, sondern in schlimmen Fällen auch die Exmatrikulation - und eine satte Geldstrafe von 50.000 Euro. Davon betroffen sein könnten, rein theoretisch, ziemlich viele Hochschüler: Bei einer an der Uni Bielefeld durchgeführten Stichprobenkontrolle zeigte sich, dass jede dritte Hausarbeit aus dem Internet zusammenkopiert war.

    " Es ist schon so, dass in den letzten Monaten die Klagen von Kollegen zugenommen haben, dass sie Hausarbeiten eingereicht bekommen haben, die relativ leicht identifizierbar waren als nicht ausgewiesene Adaptionen von Internet-Texten. Und deswegen gab es aus verschiedenen Disziplinen unseres Fachbereichs den Druck, eine lösungsorientierte Debatte anzustoßen."

    Per Rundbrief warnt der Studiendekan deshalb alle potentiellen Plagiatoren vor den drastischen Konsequenzen ihres Handelns. Das Echo bei den Studierenden ist allerdings geteilt. Vor allem die hohe Geldbuße stößt auf Kritik.

    " 50.000 Euro ist ein bisschen viel, nicht? Aber ich finde eigentlich den Ausschluss, also die Exmatrikulation, finde ich eigentlich besser dann. 50.000 Euro, wer soll das bezahlen? Da können sie ja jahrelang hinterher laufen. Nee. "


    " Ich muss ehrlich sagen: Ich finde das ein bisschen übertrieben. Weil, jeder ist dafür selber verantwortlich, was er macht, und ich bin nicht gegen bescheißen, sozusagen. Wenn man das so clever macht, dann sollen die auch dafür belohnt werden. Dann haben sie halt das Examen - gut, ob sie später damit Probleme kriegen, weil sie es nicht verstanden haben, dann werden sie dann ihre Lehren daraus ziehen."


    " Ich finde das richtig. Immerhin, es ist ja eine Examensarbeit, die sollte man dann schon auch selber schreiben."
    Und 50000 Euro sind nicht zuviel?
    " Nee, man muss die Leute ja auch daran hindern. Wenn das 500 Euro wären, ist ja klar, dann würde man das einfach trotzdem machen. Das tut dann richtig weh."


    Nordrhein-Westfalen spielt mit dieser drastischen Bußgelddrohung bundesweit eine Sonderrolle. Nicht zuletzt deshalb hält der Münsteraner Rechtsanwalt Wilhelm Achelpöhler die Summe von 50.000 Euro für ziemlich überzogen.

    " In keinem anderen Bundesland ist das Mogeln bei der Arbeit eine Ordnungswidrigkeit und wird mit einem Bußgeld belegt. Ein ordnungswidriges Verhalten ist das ja überall - aber dass man zahlen muss, und dann noch so viel, das gibt's in keinem anderen Bundesland."

    Die angedrohte Strafe für die Pfuscherei im Examen oder bei einer Hausarbeit stehe in keinem Verhältnis zur Tat, sagt Wilhelm Achelpöhler. So gebe es etwa im Waffenrecht überhaupt keine Ordnungswidrigkeit, die mit mehr als 10.000 Euro bestraft werden könne. Es sei deshalb völlig unrealistisch, dass Hochschulen eine Buße von 50.000 Euro fürs Pfuschen vor Gericht durchsetzen könnten. Dennoch: Auch ohne solche drakonischen Maßnahmen sei das Risiko hoch, warnt der Anwalt.

    " Vorsichtig sein muss man in jedem Falle, wenn es um eine Abschlussarbeit geht. Da ist es ja ein echtes Risiko, dass man diese Abschlussarbeit abgibt, und dann kommt raus: Es war ein Täuschungsversuch. Dann gilt die Arbeit als nicht unternommen, ein Versuch ist weg, und der ganze Abschluss verzögert sich. Das Risiko, was die Studierenden da eingehen, das ist doch relativ hoch, und deshalb sollte man sehr genau überlegen, ob man dieses Risiko eingeht - ich glaub, das Bußgeld ist zwar eine Androhung, aber die sonstigen Nachteile, die man erleiden kann, sind doch aus meiner Sicht noch schwerwiegender."

    Andere Hochschulen in Nordrhein-Westfalen und aus anderen Bundesländer schauen jetzt mit großem Interesse nach Münster. Denn dort muss sich nun zeigen, ob die harten Strafandrohungen zu einem spürbaren Rückgang der Fälschungsversuche führen. Und ob sich, im Falle eines Falles, die im Hochschulgesetz vorgesehenen Konsequenzen auch tatsächlich durchsetzen lassen.