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Tagbuch - Samstag, 11. März 2006

Ich habe Jutta wieder getroffen. Jutta ist eine Institution für deutsche Mali-Reisende. Das liegt zum einen daran, dass sie strategisch günstig wohnt: in Sevaré. Wer die Stadt Mopti besichtigen will, der kann bei ihr übernachten. Wer ins Dogonland will, der kommt bei ihr vorbei und wen es Richtung Sahara treibt, wird Juttas vermutlich als Übernachtungsmöglichkeit wählen.

Von Rüdiger Maack | 11.03.2006
    Sevare liegt soweit von Malis Hauptstadt Bamako entfernt, dass man es in einem Tag erreichen kann, ohne vor Erschöpfung zusammenzubrechen.

    Jutta Ratschinske war Lehrerin im Süddeutschen. Für sie und ihren Mann war es lange Jahre ein Traum, nach Mali zu gehen und in die Wüste. Ihr Mann hat es nicht mehr erlebt. Nach seinem Tod ist sie alleine nach Mali gereist, kam erst ein-, dann zweimal und schließlich ist sie ganz geblieben.

    Hitze, Sand, Staub, Trockenheit: Das Leben ist weniger luxuriös als im Badischen, das stimmt. Aber sie ist glücklich hier, sagt sie: Ältere Menschen werden in Mali mehr respektiert als in Deutschland. Wenn sie einmal krank ist, sagt sie, kommt jeden Tag Besuch. Die Krankenhäuser hätten zwar weniger Geräte, aber mehr Seele. Das trockene Halbwüstenklima tut ihr gut: In Deutschland leidet sie unter ihrer Arthrose. In Mali hat sie keine Schmerzen. "Hier fühle ich mich mindestens 20 Jahre jünger als in Deutschland."

    Mankante heißt zu deutsch: "kein Lärm, keine Probleme". In ihrer Pension arbeiten viele Bauern aus dem Dogonland. Das Dogonland ist eine der Hauptattraktionen Malis: großartige Felsformationen und Einwohner, die versuchen, ihre rätselhaften Traditionen lebendig zu halten. Doch ihre Maskentänze führen sie heute oft für Touristen auf und die Armut zwingt viele Bauern der Region in die Emigration: In Mopti und Sevare gibt es Arbeit. Jutta Ratschinske weiß das. Sie versucht zu helfen: Sie vermittelt Minikredite, um Familien auf die Beine zu helfen. "Wenn das klappt, ist das ein sehr befriedigendes Gefühl. Manchmal reicht es sogar, dass ich verschiedene Menschen miteinander in Kontakt bringe, um neue Arbeitsmöglichkeiten zu schaffen."

    Das ist es, was vielen Afrikanern fehlt: Geld, um sich selbst etwas aufzubauen. Das ist es, was so viele nach Europa treibt: die Möglichkeit, für geleistete Arbeit soviel zu verdienen, dass noch etwas übrig bleibt für die Jüngeren in der Familie, für ihre Ausbildung und Schule.

    Die Dogon treibt es zunächst nach Sevare und Mopti – zwei Städte in unmittelbarer Nähe zum Dogonland. Hier gibt es Tourismus: Hotels und Restaurants. Solange sie hier Arbeit finden, werden sie sich nicht auf den Weg nach Europa machen.

    Jutta Ratschinske fährt immer mal wieder in die alte Heimat – schließlich leben ihre Kinder dort. Aber ganz zurück will sie nicht mehr: "Die Art der Menschen, das Leben hier bringt mir hier mehr als in Deutschland. Ich kann einfach freier entscheiden über mich selbst,” sagt sie. "Ich fühle mich in Deutschland doch sehr eingeengt und mittlerweile auch fremd.”
    Verkehrsgünstig gelegen: Malis höchster Berg ist knapp 3 Stunden von Sevare entfernt.
    Verkehrsgünstig gelegen: Malis höchster Berg ist knapp drei Stunden von Sevare entfernt. (Rüdiger Maack)