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Tagung in Warschau
Die OSZE droht weiter an Bedeutung zu verlieren

Mit der OSZE, der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, verbanden viele einmal die Hoffnung, Frieden und die Einhaltung der Menschenrechte zu sichern. Doch das ist bislang weitgehend ein frommer Wunsch geblieben. So findet das OSZE-Treffen in Warschau im Zeichen von Krisen und Streits statt.

Von Florian Kellermann | 20.09.2016
    Eine OSZE-Flagge
    "Die OSZE hat die Tradition, dass sie nicht viel unternimmt, ohne dass jede einzelne Regierung zustimmt." (STRINGER / AFP)
    Die Konferenz in Warschau findet statt - allein das ist für viele Diplomaten schon Grund zur Erleichterung. Denn um ein Haar wäre das diesjährige Treffen geplatzt, und das ausgerechnet zum 25. Jubiläum des ODIHR. Dieses Büro beschäftigt sich mit Menschenrechten und ist eine der wichtigsten Institutionen der OSZE, der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa.
    Russland hätte die Konferenz beinahe platzen lassen, räumte der Leiter der russischen Delegation Anatolij Viktorow ein: "Wir haben gute Gründe, vorsichtig zu sein mit der Teilnahme an einer solchen Konferenz. Im vergangenen Jahr kam es hier zu bestimmten Vorfällen, unsere Rechte als Teilnehmer wurden eingeschränkt. Ich will hier den polnischen Gastgeber nicht öffentlich anprangern, aber wir haben bewusst vorgeschlagen, die Konferenz von Warschau nach Wien zu verlegen."
    Konflikte zwischen verschiedenen Ländern
    Diplomaten anderer Länder stellen es anders dar: Russland habe diktieren wollen, worüber in Warschau gesprochen werden darf und worüber nicht. Deshalb wäre die Konferenz fast nicht zustande gekommen. Moskau steht seit Langem in der Kritik wegen der Menschenrechtslage im eigenen Land. Seit zwei Jahren muss es sich auch Vorwürfe wegen der Annexion der Krim und des Konflikts in der Ostukraine gefallen lassen. Russische Delegierte reagieren darauf gar nicht: Sie werfen ihren Kritikern schlicht Doppelmoral vor.
    Ein Glaubwürdigkeitsproblem der OSZE räumte auch Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier ein, der die Eröffnungsrede hielt, denn in den vergangenen Jahren "beobachten wir auch Versuche, die Reichweite und Geltung von Menschenrechten und Grundfreiheiten, die wir gemeinsam einmal als unverhandelbar und unteilbar anerkannt haben, wieder einzuschränken, teilweise mit der Behauptung, dieses stünde im Widerspruch zu kulturellen Traditionen einzelner Länder."
    Prinzip der Einstimmigkeit lähmt die OSZE
    Die Krise der OSZE, über die in Warschau alle sprechen, wurde schon an den Eingangsstatements der Länder deutlich. Nicht nur Russland und die Ukraine beharkten sich. Wortwechsel gab es auch zwischen der Türkei und Armenien, wegen des Völkermords an den Armeniern vor 100 Jahren. Außerdem zwischen Armenien und Aserbaidschan - wegen des Konflikts um Berg-Karabach. Polen und Ungarn wiederum wiesen jede Kritik an ihrer Flüchtlingspolitik, die von anderen Delegationen kam, weit von sich.
    Diese Zerstrittenheit lähme die OSZE, sagt Kenneth Roth, Präsident der Menschenrechtsorganisation "Human Rights Watch": "Die OSZE hat die Tradition, dass sie nicht viel unternimmt, ohne dass jede einzelne Regierung zustimmt. Aber das macht es ihr unmöglich, ganz simpel die Einhaltung der Menschenrechte zu überwachen und Verletzungen zu registrieren. In der Regel steht Russland oder ein Verbündeter Russlands im Weg. So kann man eine Menschenrechtsorganisation einfach nicht führen."
    Der Organisation drohen in manchen Aufgabenbereichen sogar massive Rückschritte: So gibt es bisher keine Einigung auf einen neuen Beauftragten für Pressefreiheit. Die Amtszeit von Dunja Mijatovic läuft im kommenden März ab. Auch hier sei Russland mit den Kandidaten, die von westlichen Ländern genannt werden, nicht einverstanden, heißt es in Diplomatenkreisen. Sollte der Posten vakant bleiben, würde die Organisation weiter an Bedeutung verlieren.