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Tagung "Von Null auf Ethik"
Studierende treffen auf Wirtschaftselite

Wenn erfolgreiche Wirtschaftskräfte auf Studierende treffen, denkt man an Netzwerken und Kariere-Planung. Die Kurt-Alten-Stiftung hatte bei einer Veranstaltung mit der Leibniz Universität Hannover Anderes im Sinne. Sie rückte etwas in den Fokus, was in der Ausbildung oft zu kurz kommt: die Ethik.

Von Alexander Budde | 12.11.2019
Eine Grafik zeigt Hände, die einen Globus halten
Wie passen ethische Werte mit der Gewinnmaximierung in Unternehmen zusammen? Und nach welchen Kriterien entscheidet jede oder jeder Einzelne? Themen der Tagung "Von Null auf Ehre". (Imago/ Alexx Williamson)
"Brauchen wir das? Wir sind doch nicht alle Verbrecher! Na, gut, Dieselskandal ja – aber 650.000 Mitarbeiter jetzt mit den Konzepten eines neuen Vorstandsressorts zu beglücken, ist das überhaupt gerechtfertigt?"
Rund 30 Milliarden Euro hat der Abgas-Betrug den VW-Konzern bisher gekostet – und noch immer stehen Rechnungen aus. Was Hiltrud Werner seit Jahren umtreibt, ist die Frage, wie sich der Skandal um den Einbau illegaler Abschalteinrichtungen über Jahre hinweg entwickeln konnte.
Als ihr Ressort Integrität und Recht 2016 gestartet wurde, gab es aus dem Konzern heraus viel Gegenwind, erzählt die VW-Vorständin. Es brauche Aufklärung und Sensibilisierung, damit die "Kulturoffensive" bei Volkswagen Fahrt aufnimmt, sagt Werner auf dem Podium in Hannover – denn jeder Skandal habe seine eigene Geschichte:
"Der kann ausbrechen im Einkaufsressort oder im Vertriebsressort, es können Kartellrechtsthemen sein oder Korruption, Finanzmanipulationen, alle möglichen unterschiedlichen Themen – und wir haben gesagt von Anfang an, wir müssen in die Köpfe aller Menschen bei Volkswagen. Aus dem einfachen Grund, weil wir einen zweiten Skandal nicht überstehen werden."
Rechtskonformes Handeln rentiert sich
Ob es nun das Rating von Finanzagenturen oder das Ansehen von Produkten in der Öffentlichkeit geht: rechtskonformes Handeln zahlt auf die Rendite ein, betont Werner. Voraussetzungen seien ein "robustes Wertegerüst" und hundertprozentige Transparenz – denn inzwischen werde vieles konkret hinterfragt. Beispiel: Kobalt. Der Rohstoff ist zentraler Bestandteil der bisher noch für die Elektromobilität so wichtigen Lithium-Ionen-Batterien:
"Wir kaufen natürlich Kobalt ein, und wir sorgen dann schon dafür, dass wir wissen von welchen Bergwerksbetrieben, und dass wir klarmachen, dass eben aus Kleinstbergwerken mit Kinderarbeit wir keine Materialen kaufen, und dass wir das eben auch kontrollieren."
Frank Maier ist Vorstand für Innovation bei Lenze. Das mittelständische Unternehmen mit 4.000 Mitarbeitern entwickelt Antriebstechnik und autonome Fertigungsanlagen. Der Ingenieur hält es für illusorisch, eine Lieferkette über tausende Kilometer hinweg bis in eine Kobaltmine im Kongo zurückzuverfolgen.
"Ich persönlich bin der Meinung, dass man Ethik nur bedingt lernen kann. Das ist eigentlich ein Gut, was in den Köpfen drin sein muss. Du kannst aber natürlich Situationen durchdiskutieren, wo Du ethische Fragestellungen hast, die gar nicht so trivial zu beantworten sind."
Dienst nach Vorschrfit legt Unternehmen lahm
Sagt Maier nach dem Vortrags- und Diskussionsteil, bei dem die achtzehn ausgewählten Stipendiaten der Kurt-Alten-Stiftung nur als konzentriert lauschendes Publikum fungierten. Doch nun wird Rotwein zu Fleichbällchen gereicht – und der Abend wandelt sich zur Kontaktbörse. "Dienst nach Vorschrift" sei die einfachste Methode, um ein erfolgreiches Unternehmen lahmzulegen, sagt Maier:
"Ich glaube an dieser Stelle brauchen wir eine Mischung aus Kreativität durch Freiraum an die Leute, und Du darfst nicht den Anspruch haben, in jeder Dimension vorhersagen zu wollen, wo die Reise hingeht, sondern Du brauchst eine Kultur durch Iteration, also durch Korrektur, gegenzusteuern. Und das hat viel damit zu tun, dass dann eben auch die Leute kommen dürfen und sagen, ich glaube das geht in die falsche Richtung, ich habe hier ein Problem, ich krieg es nicht hin. Zugeben, dass man Fehler hat, um Hilfe bitten, nicht mauern!"
"Wir wollen die Entscheider von morgen sensibilisieren"
Ulrich von Jeinsen steht dem Kuratorium der Kurt-Alten-Stiftung vor, die den Abend gemeinsam mit der Leibniz Universität organisiert hat. Ethisches Handeln könne nicht nur von oben herab organisiert werden, ist von Jeinsen überzeugt, es müsse auch vom Berufseintritt an von unten her wachsen.
"Wir wollen die Entscheider von morgen sensibilisieren. Die lernen Wirtschaftswissenschaften, aber wie sie in einem Unternehmen arbeiten müssen, wenn sie dann mal drin sind, wenn es ernst wird, das lernen sie nicht. Und wir wollen sie zusammenbringen mit Leuten, die in ernsten Situationen waren, wie Bundeswehroffizieren in Afghanistan, wie Unternehmen, bei denen das Bundeskartellamt morgens um sieben vor der Tür stand."
Künftige Führungskräfte sollen Einblicke in Alltag bekommen
Die Begegnungen sollen den künftigen Führungskräften aufzeigen, was alles passieren kann, wenn sie erst einmal auf ein Unternehmen losgelassen sind.
"Ich war tatsächlich sehr skeptisch im Vorfeld, gerade aufgrund der vielen Industrieredner, auch aus Unternehmen mit fragwürdigen Track-Records, was jetzt ethisches Verhalten angeht. Gehe aber mit sehr positiven Gefühlen tatsächlich raus – der Eindruck, dass da tatsächlich Menschen hinter stehen, denen auch wichtig ist, diese Themen voranzutreiben. Ich meine, Compliance in einem 650.000 Personen-Unternehmen zu machen, ist eine gigantische Aufgabe,"
resümiert Lars Brausewetter am Ende des Abends, der 22-jährige studiert Wirtschaftswissenschaften. Von einem bereichernden Netzwerk und Gesprächen auf hohem Niveau spricht auch die 21-jährige Celina Dettmering, sie studiert Wirtschaftsingenieurwesen und ist ebenfalls Stipendiatin des Kurt-Alten-Exzellenzprogramms:
"Ich denke, dass die Gesellschaft da im Wandel ist. Und man von dieser krass Friedman´schen Ansicht des gewinnorientierten Mangers abkehren muss. Es sollte enden Mitarbeiter auch als Mensch im Unternehmen geben und man sollte auch etwas schaffen, womit man sich identifizieren kann."