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Tango lässt Hormone tanzen

Psychologie.- Eine Psychologin in Frankfurt hat sich gefragt, was eigentlich die Glücksgefühle beim Tanzen auslöst – und warum sie manchmal ausbleiben. Demnächst veröffentlicht sie ihre Promotionsarbeit dazu, in dessen Mittelpunkt der Tango steht. Kein Wunder, die Forscherin stammt aus Süd-Amerika.

Von Remko Kragt | 02.02.2010
    Eine Tango-Nacht, eine sogenannte Milonga. Zwei oder drei Dutzend Paare drehen über den Parkettboden. Manche scheinen zu schweben mit den Schwüngen der Musik. Andere schieben eher vorschichtig und konzentriert ihre Runden. Am Rand stehen einige Paare, die warten, bis das Tanzvirus auch auf sie überspringt. Sandra und Paul zum Beispiel, Tangotänzer seit einem halben Jahr.

    Sandra: "Weil es ein schönes Gefühl ist."

    Paul: "Ein schöner Tanz."

    Sandra: "Man kriegt immer gute Laune. Also man hat danach eigentlich immer bessere Laune als vorher."

    Und das, sagt die Psychologin Cynthia Quiroga Murcia, liege daran, dass der Tango, wenn man ihn denn beherrsche, anders sei als andere Tänze.

    "Bei Tango gibt es die Besonderheit, dass es ein Improvisationstanzen ist, also es gibt keine festgelegten Schritte. Man ist da und improvisiert, also man weiß nicht, was passiert. Das heißt, man braucht viel Konzentration, um ganz in dem Moment zu sein. Dann kommen die glücklichen Momente des Tango-Tanzens also die glücklichen Effekte des Tanzens. Aber natürlich, um diese glücklichen Effekte zu haben, gibt es viele Variablen, die man berücksichtigen sollte."

    Diesen Variablen auf die Spur zu kommen, das war die Aufgabe, die sich die Kolumbianerin für ihre Promotion gestellt hat. Welche Bedingungen muss die Tanzsituation erfüllen, damit sich die glücklichen Momente einstellen? Und ist der Tango wirklich das Machovergnügen, für das ihn viele halten? Gefühle, die sich objektiv nur beweisen lassen, wenn man ihren biochemischen Ursprung messen kann. Cynthia Quiroga Murcia begab sich dazu in ein ziemlich junges, aber immer wichtigeres Fachgebiet der Psychologie, der Psychoendokrinologie – das heißt: der Messung von Gefühlen anhand der Hormone, die sie steuern.

    Ganz einfach war das nicht, denn die meisten Hormone lassen sich nur durch Bluttests nachweisen. Und eine Blutentnahme nach einem Tanz – das hätte die Glücksgefühle doch sehr beeinträchtigt, fürchtete die Forscherin. So hielt sie sich an zwei Hormonen, die in Speichelproben nachweisbar sind: dem für Stress zuständigen Cortisol und dem Testosteron, das als Hormon für die sexuelle Erregung von Männern gilt, aber das darüber hinaus auf die gesamte soziale Gefühlslage reagiert – auch bei Frauen. Elf Paare beteiligten sich.

    "Die Tänzer mussten normal Tango tanzen, also mit Partner und Musik. Sie mussten auch mit Partner, aber ohne Musik. Dann eine dritte Sitzung war Tanzen ohne Partner aber mit Musik, und eine vierte Sitzung war tanzen ohne Partner und ohne Musik, also nur Tango-Bewegungen machen."

    Cortisol- und Testosteronspiegel wurden jeweils vor- und nach dem Tanzen verglichen, so dass deren Veränderungen messbar wurden. Und das Ergebnis. Nun, zunächst erwartungsgemäß: Tanzen vermindert Cortisol und vermehrt Testosteron, also: Stress wird abgebaut und Lebensfreude erhöht – vorausgesetzt die Bedingungen sind normal. Beim Tanzen ohne Musik und Partner etwa gab es diese Wirkungen nicht. Aber es gab auch Überraschungen, zum Beispiel beim Testosteron.

    "Und das war sehr interessant: Wir haben erwartet, dass diese Veränderungen eigentlich bei Männern stärker würden, aber bei Frauen war es genauso. Also die Veränderung, nicht die Konzentration natürlich, aber die Veränderung war genauso bei Männern und Frauen gleich."

    Was nach Ansicht der Psychologin wohl auch damit zusammenhänge, dass die Partnerinnen bei der Tanzausführung heute durchaus ein Wörtchen mitzureden hätten. Und es gab noch ein zweites bemerkenswertes Ergebnis – das eigentlich eine Panne war. Die Ergebnisse zweier Paare konnten für die Studie nämlich nicht verwendet werden.

    "Ich musste diese zwei Pärchen aus der Stichprobe wegnehmen, weil bei den Frauen statt einer Senkung des Cortisols eine starke Erhöhung des Cortisols war."
    Und das passierte ausgerechnet den beiden Frauen, die ihre Tanzpartner vor der Studie noch nicht kannten. Fazit: Es ist anscheinend nicht egal, mit wem man tanzt. Aber wenn die Bedingungen stimmen, dann, sagt die Kolumbianerin, die natürlich auch selbst eine begeisterte Tänzerin ist, ja dann ...

    "Man hat den ganzen Tag gearbeitet und dann in der Nacht, huh, Tanzen – ist kalt, ja, man braucht viel Kraft, um das zu machen, aber dann ist man dort und das ist, wow, das ist unglaublich. Sehr, sehr schön."