Dienstag, 23. April 2024

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Tanken für die Rente

Weil's billiger ist. Wäre man ja irgendwie blöd, wenn man es nicht machen würde.

Von Stefan Schmid | 28.03.2004
    Wer in Bayern grenznah wohnt, tankt in Österreich...

    Dort ist Sprit viel billiger als in Deutschland, weil die pfiffigen Österreicher keinen Ökoaufschlag verlangen.

    In Deutschland tanken für die Rente? Ökosteuer zahlen und die Rentenkasse füllen?

    Nein Danke!

    Für die Ökosteuer gilt fünf Jahre nach der Einführung, was auch für jede andere Steuer gilt: Gezahlt wird nur unter Protest, wer ausweichen kann, der tut das. Und Schimpfen auf die Ökosteuer gehört zum guten Ton - besonders in Wahlkampfzeiten:

    Angela Merkel:
    Und ich sage weiterhin, dass die Ökosteuer das wieder auffressen wird, was an Kindergeld die Familien bekommen.

    Edmund Stoiber:
    Das wird einer meiner ersten Schritte sein, die fünfte Stufe der Ökosteuer nicht in Kraft zu setzen.

    Mittlerweile ist die letzte Welle der Ökosteuererhöhungen jedoch durchs Land geschwappt, weil Rotgrün die letzte Bundestagswahl gewonnen hat. Aber - und das hat der neue SPD-Chef Franz Müntefering schon vor Monaten versprochen - auch die Bundesregierung will die Ökosteuer nicht mehr erhöhen:

    Die Frage, wie denn eine vernünftige Energiepolitik gemacht werden kann, aber das wird sicher nicht die klassische Ökosteuer sein. Da gehe ich davon aus, dass es mit der Erhöhung zum 1. Januar weitere Erhöhungen nicht gibt.

    Selbst die Grünen sprechen nur noch von zu einer ökologischen "Finanz"-Reform. Dabei geben ausgewiesene Fachleute der Ökosteuer durchaus gute Noten.

    Denn sie spült Milliarden in die Rentenkasse, außerdem stellt der Finanzminister die Preissignale für Energie auf Rot: Erdgas, Heizöl, Strom, Benzin und Diesel - alle diese Energieträger wurden seit 1999 in mehreren Stufen immer stärker mit Ökosteuer belastet und damit verteuert. Zweck der Übung: Den Treibhauseffekt zu dämpfen, damit es in einigen Jahren in den Nachrichten nicht dauernd heißt:

    "Das Wetter: Blauer Himmel, 50 Grad im Schatten, Nachts Abkühlung auf 40 Grad. Die weiteren Aussichten: Keine Änderung."

    Die meisten Wirtschaftswissenschaftler bewerten die Ökosteuer grundsätzlich positiv, weil sie - zumindest in der Theorie - über den Preis das Verhalten der Verbraucher in eine bestimmte Richtung lenkt. Wer zum Beispiel Benzin, Heizöl oder Erdgas in Motoren oder Heizungen verbrennt und so den Treibhauseffekt verstärkt, kommt nicht mehr ungeschoren davon, er muss bezahlen. So entsteht ein Anreiz, mit Energie sparsamer umzugehen. Wolfgang Wiegard, Professor für Steuerlehre an der Universität Regensburg und einer jener Wirtschaftsweisen, die den Regierenden wirtschaftspolitische Ratschläge geben:

    Ein Emittent von Schadstoffen verschmutzt die Umwelt, aber die dadurch entstehenden Schäden, die dadurch entstehenden Kosten, werden ihm selbst nicht in Rechnung gestellt. Er muss die Kosten nicht tragen, und dann besteht natürlich ein Anreiz, die Umwelt stärker zu verschmutzen, weil es ihn ja nichts kostet, als es gesamtwirtschaftlich vernünftig ist. Die Ökosteuer hat nun die Funktion, diese Kosten dem Verursacher in Rechnung zu stellen. Und der kann dann abwägen: Was kostet mich die Verschmutzung in Form von höheren Steuern, und was bringt die Verschmutzung, er wägt Kosten und Erträge ab, und im Idealfall führt das dazu, dass ein effizientes gesamtwirtschaftliches Niveau an Umweltverschmutzung herauskommt - das ist der Sinn der Ökosteuer.


    Damit die Menschen nicht zu stark mit Abgaben belastet werden, gehört zum Konzept der Ökosteuer auch eine Art "Geld-zurück-Garantie":

    Der Finanzminister schleust die Einnahmen auf einem anderen Weg wieder zurück in den privaten Wirtschaftskreislauf. Das Geld fließt in die Rentenkasse, was Arbeitgeber und Arbeitnehmer spürbar bei den Rentenversicherungsbeiträgen entlastet. Ohne die Ökosteuer wäre der Rentenbeitrag höher - und zwar um rund zwei Prozentpunkte: Statt aktuell
    19,5 % läge er deutlich über 21 %. In der Staatskasse bleibt dagegen von der Ökosteuer kaum etwas hängen. Prof. Wolfgang Wiegard:

    Gelegentlich wird gesagt: selbst wenn den Steuerzahlern das Geld zurückgegeben wird, dann bringt das ja nichts. Denn aus der einen Tasche wird Ihnen das Geld mit der Ökosteuer raus genommen, und es wird Ihnen in die andere Tasche zurückgegeben. Selbst wenn das so sein sollte, dann könnte das durchaus vernünftig sein. Denn durch die Ökosteuer selbst wird ein Verhalten lenkender Effekt erzielt, insofern als die Leute veranlasst werden, weniger Schadstoffe auszustoßen. Wenn Ihnen das Geld dann in pauschaler Form zurückgegeben wird, dann hat das andere Effekte, so dass per Saldo die Umwelt von dieser Maßnahme profitiert, dass den Bürgern das Geld zuerst in Form der Ökosteuer aus der Tasche genommen wird, und Ihnen dann pauschal wieder zurückgegeben wird, das hat die lenkenden Effekte und ist deswegen unter Umweltaspekten positiv zu sehen.

    Wenn die Regierung die Einnahmen aus der Ökosteuer in intelligenter Form an die Bürger zurückgibt, kann sie sogar zwei Fliegen auf einen Streich erlegen - die Ökosteuer wirft dann eine doppelte Dividende ab:

    Doppelte Dividende bedeutet, dass man durch die Erhebung der Ökosteuer einen positiven Umwelteffekt hat, das ist die erste Dividende, und durch die Verwendung des Aufkommens aus der Ökosteuer möglicherweise noch einen zweiten positiven Effekt erzielen kann. Wenn das Aufkommen der Ökosteuer so verwendet wird, dass die Beitragssätze zur Sozialversicherung gesenkt werden können, dann entstehen daraus positive Arbeitsmarkteffekte, so ist die Argumentation der Befürworter dieser These.


    Denn so wird Arbeit zumindest tendenziell billiger für die Unternehmen, es lohnt sich, mehr Arbeitnehmer einzustellen - oder weniger zu entlassen. Und das hilft dem ganzen Land in Zeiten hoher Arbeitslosigkeit. Das Konzept der Ökosteuer ist also durchaus vernünftig.

    Es gibt allerdings Gewinner und Verlierer. Unternehmen, die mehr Ökosteuer bezahlen als sie an Arbeitskosten sparen, leiden unter der Ökosteuer. Manche gehen vielleicht sogar pleite! Andererseits schaffen Unternehmen, die mehr Arbeitskosten sparen, als sie Ökosteuer bezahlen, neue Arbeitsplätze. Sie gleichen damit die Arbeitsplatzverluste mehr als aus.

    Aber die potentiellen Verlierer wollen sich mit ihrem Schicksal meist nicht abfinden, zumal es in manchen Regionen und Branchen übermäßig viele Verlierer gibt.

    Wir haben Angst um unseren Arbeitsplatz. Es ist Existenz bedrohend. Es gehen Arbeitsplätze verloren, und wenn das passiert, Herr Schröder, muss ich sagen, geht ihr Konjunkturbarometer nach unten. Runter mit der Mineralölsteuer, weil wir gleiche Wettbewerbsbedingungen mit unserer Nachbarn wollen. Eine KO-Steuer ist das!

    Diese Stimmen von Landwirten und Spediteuren zeigen : Die Ökosteuer birgt praktische Probleme, auf die Politiker Rücksicht nehmen müssen in einer Demokratie. Und sie taten das auch von Anfang an: Deswegen entspricht die deutsche Ökosteuer, die am 1. April 1999 eingeführt wurde nicht dem theoretischen Ideal der Wirtschaftswissenschaftler.

    So bestraft die deutsche Ökosteuer nicht konsequent die Umweltverschmutzung in Form von Kohlendioxid, sondern nur den Verbrauch von Benzin, Diesel, Heizöl, Erdgas, Flüssiggas und Strom. Der Verbrauch von Kohle wird dagegen überhaupt nicht belastet, obwohl dabei besonders viel klimaschädliches Kohlendioxid entsteht. Stefan Bach, Ökosteuerspezialist am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin:

    Man hat ferner mit Rücksicht auf die Anpassungsprobleme in der Industrie oder auch im Verkehrsbereich das Ganze relativ moderat ausgestaltet und mit vielen Ausnahmeregelungen versehen. Man hat zum Beispiel die Kohle, die in der Schwerindustrie eine große Rolle spielt, gar nicht belastet, man hat ferner für die energieintensiven Branchen der Schwerindustrie weit reichende Ausnahmeregelungen eingeführt, man hat letzten Endes die Steuererhöhungen ganz wesentlich auf den Verkehrsbereich konzentriert, indem man die Mineralölsteuer für Kraftstoffe schrittweise angehoben hat, und dort sehen wir nur gewisse Reaktionen der Verbraucher auf die Einführung der Ökosteuer. Während in der Industrie oder auch im Bereich der privaten Haushalte, wenn man an den Heizungsbereich denkt, kaum Reaktionen festzustellen sind.

    Etwas besser fällt die vorläufige ökologische Bilanz der deutschen Ökosteuer aus - auch wenn die Erfolge auch im Umweltschutz relativ bescheiden sind. Stefan Bach:

    Sie hat gewirkt, allerdings im Zusammenhang mit den stark gestiegenen Energiepreisen, man kann davon ausgehen dass der Energieverbrauch in der Volkswirtschaft so etwa um die 2 Prozent gesunken ist. Die CO-2-Emissionen, die ja für den Klimaschutz relevant sind, sogar noch etwas stärker. Von daher müssen wir schon von einer, wenn auch nur geringen, Lenkungswirkung der Ökosteuer ausgehen. Die spielt sich ganz wesentlich im Verkehrsbereich ab. Es gibt schon Hinweise darauf, dass weniger Auto gefahren wird, und das auch verbrauchsärmere Fahrzeuge eingesetzt werden. Das sind natürlich Trends die schon seit längerem anhalten, aber die Ökosteuer hat diesen Trend verstärkt.

    Tatsächlich ist erstmals seit Gründung der Bundesrepublik der Kraftstoffverbrauch über mehrere Jahre hinweg zurückgegangen - im Jahr 2000 um 2,8 Prozent, 2001 um 1 Prozent, 2002 um 2,3 Prozent, und auch für 2003 erwarten die Statistiker einen weiteren Rückgang. Gleichzeitig haben wieder mehr Fahrgäste den öffentlichen Personennahverkehr genutzt.

    Andererseits ist seit 2002 eine wachsende Nachfrage nach luxuriösen Geländefahrzeugen mit hohem Spritverbrauch zu beobachten - trotz Ökosteuer. Stefan Bach meint dazu:

    Hier zeigt sich der allgemeine, rein wirtschaftliche Ansatz der Ökosteuer, die die Preise für Energie verteuert und es den Bürgern und Unternehmen überlässt, wie sie damit umgehen: Wer eben gerne große Autos fährt und das Geld dafür hat, auch die höhere Ökosteuer zu tragen, dem ist es weiter vorbehalten, im Gegensatz etwa zu Auflagen, das ist eben sozusagen der liberale Ansatz, man sorgt eben nur dafür, dass insgesamt der Energieverbrauch zurückgeht, wie sich der Energieverbrauch zusammensetzt, das überlässt man den Leidenschaften und Präferenzen der Bürger.


    Die durchwachsene Ökobilanz fünf Jahre nach dem Start der Ökosteuer ist aber ohnehin nicht der Weisheit letzter Schluss. Denn Unternehmen und Bürger brauchen viel Zeit, um auf die höheren Energiepreise zu reagieren. Stefan Bach:

    Natürlich sind kurzfristig die Reaktionsmöglichkeiten begrenzt, ein großes Stahlwerk kann man nicht kurzfristig abreißen und etwas neues hinstellen, oder für den privaten Haushalt gilt das ja auch, wer eben ins Grüne gezogen ist um dort ein schöneres Leben zu führen, der hat sich natürlich darauf eingestellt, dass er immer weit zur Arbeit in den Ballungsraum fahren muss, der kann auch nicht kurzfristig reagieren, oder zumindest nur in so weit, dass er sich dann ein verbrauchsärmeres Fahrzeug anschafft. Wir gehen davon aus dass eine Verteuerung des Energieverbrauchs längerfristig durchaus zu einer nennenswerten Reduktion führen kann, man geht davon aus dass ein Prozent teuerer Energieverbrauch zu einer Verbrauchsreduktion von 0,3 bis 0,5 Prozent führt.
    Die erste Dividende der Ökosteuer, die Umweltdividende, wird also wohl noch steigen.

    Bleibt die zweite Dividende - die Wirkung am Arbeitsmarkt.

    19 Milliarden Euro fließen durch die Ökosteuer pro Jahr in die Staatskasse und von dort größtenteils gleich weiter in die Rentenkasse.

    Man hat das Aufkommen tatsächlich an die Rentenversicherung überwiesen, der Beitragssatz wäre etwa um 1,8 Prozentpunkte höher, wenn wir die Ökosteuer nicht hätten, und eine grobe Faustregel lautet, dass ein Prozentpunkt Sozialversicherungsbeitragssatz etwa 100000 Arbeitsplätze kostet, wenn man mal diese Faustregel verwendet, könnte man sagen, die Ökosteuer hat dazu geführt, dass wir etwa 200000 Beschäftigte mehr haben, als wenn wir sie nicht hätten, das kommt auch bei ökonomischen Simulationsstudien heraus.

    Im Jahr 2003 hat die Ökosteuer knapp 19 Milliarden Euro eingebracht . 18 Milliarden sind davon in die Rentenkasse geflossen, eine Milliarde wurde zur Haushaltssanierung genutzt. Laut Bundesregierung lediglich ein.

    "kurzfristiges und somit vertretbares Abweichen vom Prinzip der strikten Aufkommensneutralität der Ökologischen Steuerreform."

    Gleichwohl ein Sündenfall. Dennoch sind die Rufe, die Ökosteuer ganz abzuschaffen, trotz solcher Sünden leiser geworden. Selbst der Ökosteuerkritiker Edmund Stoiber hat im Zuge seiner Kanzlerkandidatur nur noch gegen die letzte Erhöhung gewettert, aber nicht versprochen, die Ökosteuer ganz zu streichen. Warum die Ökosteuer wohl bei allen denkbaren Regierungskoalitionen salonfähig bleiben wird, das hat der heimliche Chef der Grünen, Joschka Fischer, so auf den Punkt gebracht:

    Wer heute "weg mit der Ökosteuer" sagt, muss immer sagen: Wie finanzierst du denn eine Senkung der Lohnnebenkosten, wie finanzierst du eine Senkung der Sozialversicherungsbeiträge. Dann werden sie nichts mehr hören von der neuen Generation in der Union.

    Auch eine andere Kritik, die immer wieder gegen die Ökosteuer vorgebracht wird, ist nicht stichhaltig: Würde die Ökosteuer wirklich wirken , so würde sie als Steuerquelle versiegen. Der Wirtschaftsweise Wolfgang Wiegard entkräftet diesen Einwand so:

    Diese These, geht von einer falschen Voraussetzung aus: Sie geht nämlich von der Voraussetzung aus, dass das gesamtwirtschaftlich optimale Niveau der Umweltverschmutzung bei Null liegen würde. Das ist aber überhaupt nicht richtig. Unter ökonomischen Gesichtspunkten gibt es so etwas wie eine optimale Umweltverschmutzung, und die Ökosteuer hat genau den Zweck, dieses optimale Ausmaß an Umweltverschmutzung zu realisieren. Und von daher: Selbst wenn man das Optimum erreicht hat, würde die Ökosteuer weiterhin ein positives Aufkommen erbringen.

    Unterm Strich fließen die Einnahmen aus der Ökosteuer - wie schon gesagt - über die Rentenkasse in die Privatwirtschaft zurück. Allerdings nicht exakt an diejenigen, die sie bezahlt haben. Es gibt deswegen durchaus Gewinner und Verlierer. Stefan Bach:

    Die Ökosteuer belastet zu etwa 40 % die Wirtschaft und zu 60 % die privaten Haushalte, während die Verwendung des Aufkommens zur Senkung der Sozialbeiträge sich etwa hälftig auf Wirtschaft und Arbeitnehmer aufteilt. So dass man davon ausgehen kann, dass die Wirtschaft insgesamt zu den Gewinnern der ökologischen Steuerreform gehört. Innerhalb der Wirtschaft gibt es natürlich große Unterschiede, in den für die Exportwirtschaft wichtigen Bereichen, Ausrüstungsgüter, Maschinenbau, Straßenfahrzeugbau, dort werden die Unternehmen sogar entlastet, denn diese Unternehmen haben relativ geringen Energieverbrauch, gleichzeitig profitieren sie sehr stark von der Entlastung der Sozialbeiträge, das heißt hier gewinnen die Unternehmen sogar an Wettbewerbsfähigkeit, und man kann davon ausgehen dass auch die deutsche Volkswirtschaft insgesamt an Wettbewerbsfähigkeit gewinnt.

    Die privaten Haushalte werden durch die Ökosteuer also am stärksten bestraft, wenn sie viel Energie verschwenden. Der Bleifuß auf dem Gaspedal, die überheizte Wohnung, die Stromfresser im Haushalt, all das kommt teuer.
    Wie hoch die private Ökosteuerzeche ausfällt, kann der Normalverbraucher sogar nachprüfen. Der Bund Naturschutz hat nämlich einen Ökosteuer-Spar-Rechner ins Internet gestellt. Wer dort seine Verbrauchsdaten eingibt für Öl, Gas, Strom und Sprit, kann rasch seine Ökosteuerlast ermitteln.

    Eine Standardfamilie mit zwei Kindern, die ein sparsames Auto benutzt, kommt da beispielsweise auf gut 300 Euro im Jahr. Liegt das Haushaltseinkommen bei brutto 50000 Euro, so sind davon rund 200 Euro Entlastung bei der Rentenversicherung abzuziehen. Per Saldo sinkt die Ökosteuer damit auf ungefähr 100 Euro. Und dabei ist eine zusätzliche Steuerentlastung in dieser Rechnung noch nicht berücksichtigt. Stefan Bach:

    Belastet wird ja sehr stark der Autoverkehr durch die Ökosteuer, das heißt Leute auf dem Land oder Fernpendler werden zunächst einmal relativ stark belastet, hier hat die Regierung aber Gegenmaßnahmen ergriffen, indem sie die Abziehbarkeit der Pendlerausgaben bei der Einkommensteuer angehoben hat.


    Mit dem Internet-Rechner des Bund Naturschutz lässt sich übrigens auch überschlägig abchecken, wie viel Ökosteuerersparnis verschiedene Energiesparaktionen bringen - ein interessantes Werkzeug also für alle, die Geld sparen und gleichzeitig die Umwelt schützen wollen. Wer die Spartipps der Naturschützer umsetzt, kann seine Last per Saldo durchaus auf Null drücken, oder sogar die Gewinnzone erreichen!

    Die Ökosteuer ist also besser als ihr Ruf. Sie ist aber auch nicht so gut, wie sie theoretisch sein könnte. Darin sind sich die meisten Ökonomen einig. Besonders kritisch haben sich die Mannheimer Wirtschaftsforscher Christoph Böhringer und Robert Schwager geäußert:

    "Unser Fazit fällt vernichtend aus: Wegen weit reichender Ausnahmeregelungen gerade für energieintensive Branchen ist die ökologische Steuerreform zu einem umweltpolitischen Feigenblatt verkümmert."

    Allerdings hat die Bundesregierung danach einige der umweltschädlichen Steuerermäßigungen abgeschmolzen und dadurch nicht nur 1,4 Milliarden zusätzliche Einnahmen erzielt, sondern auch die Umweltdividende der Ökosteuer erhöht. Wolfgang Wiegard, Chef der fünf Wirtschaftsweisen, stuft die Ökosteuer als vernünftigen Kompromiss ein. Er betont nur:

    Dass es sinnvoll ist, eine Ökosteuer unter Wettbewerbsaspekten europaweit zu erheben. Das ist gegenwärtig nicht der Fall, weil einige Mitgliedsstaaten der europäischen Union, die Spanier haben das lange Zeit gemacht, blockieren, aber es wäre sicher vorteilhaft, wenn das europaweit oder besser noch weltweit gemacht würde. Die Ökosteuer hat durchaus, auch wenn sie nicht theoretisch in idealer Form in die Praxis umgesetzt worden ist, eine wichtige Funktion, man sollte sie auf dem jetzigen Niveau belassen.


    Und so wird es wohl kommen - auch wenn die Koalitionspartner vereinbart haben, die Ökosteuer im laufenden Jahr zu überprüfen. Dass dabei weitere Ökosteuererhöhungen herauskommen, ist unwahrscheinlich. Der Widerstand in der Bevölkerung ist unverändert groß. Umfragen belegen dies. Der Bundesumweltminister plant stattdessen eine

    "breiter angelegte ökologische Finanzreform, bei der auch weitere umweltschädliche und volkswirtschaftlich fragwürdige Subventionen und Steuerermäßigungen abgebaut werden."

    So soll die KFZ- Steuer aufkommensneutral ökologisch umgebaut werden. Die Mehrwertsteuerbefreiung für den Flugverkehr in andere EU-Staaten soll wegfallen. Und die Bundesregierung will sich für eine Kerosinsteuer auf europäischer Ebene einsetzen. Die rechtlichen Voraussetzungen wurden schon geschaffen, in einer "Richtlinie zur Harmonisierung der Energiebesteuerung in der EU". Darin ist auch festgelegt, dass andere EU-Länder ihre Steuersätze für Diesel langsam aber sicher erhöhen müssen. Erlaubt ist zudem, die Dieselsteuer nach gewerblichem und privatem Verbrauch zu differenzieren. Das eröffnet der Bundesregierung die Chance, den Vormarsch der privaten Dieselfahrzeuge zu bremsen.

    "Ökosteuermann" Trittin will künftig also dort ansetzen, wo die Ökosteuer bislang nicht gegriffen hat - im Flugverkehr und bei den Fahrten mit Dieselfahrzeugen. Und so wird der Tanktourismus an Deutschlands Grenzen weiter boomen ...

    Weil's billiger ist. Wäre man ja irgendwie blöd, wenn man es nicht machen würde.