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Tansania
Impfschutz für jedes Kind

Auf der Geberkonferenz in der kommenden Woche in Berlin sollen weitere finanziellen Mittel gesichert werden: Die Impfallianz GAVI möchte bis 2020 weitere 300 Millionen Kinder etwa gegen Masern und Keuchhusten impfen. In Tansania zeigt die Initiative schon große Erfolge.

Von Michael Castritius | 24.01.2015
    Eine Impfung in Tansania
    Eine Impfung in Tansania (Michael Castritius)
    Masern gelten gemeinhin als Kinderkrankheit. In Ost-Afrika aber zählen Masern zu den "killer-diseases", den tödlichen Infektionen, sagt Richard Sezibera, Generalsekretär der Ost-Afrikanischen Union – in etwa also der Jean-Claude Juncker der Region. Nicht zu impfen, das sei ein Luxus, den man sich vielleicht in Industrieländern leiste. Denn wenn es schief geht, das Kind erkrankt, dann wird es halt teurer im aufwendigen Gesundheitssystem behandelt. Das gehe in ärmeren Ländern nicht, sagt Sezibera an seinem Sitz in Tansania.
    "Impfen ist einfacher als heilen. Denn Behandlungen sind extrem teuer. Und wir haben weder das ausgebildete Personal, noch die Geräte oder die Infrastruktur. Um all das aufzubauen, bräuchten wir viel Geld."
    "Jedes Kind erreichen" ist deshalb ein Motto der nationalen Impfkampagne in Tansania. Tagelang wurde geworben: in den Medien und Schulen, auf Dorfversammlungen und in Kirchen, in Bussen und auf dem Markt, per Flyer oder Mundpropaganda - Schickt eure Kinder zur Impfung.
    Dicht an dicht drängen sie sich an diesem Samstag unter den weit ausladenden Bäumen des staubigen Hauptplatzes von Mbuguni, Dutzende Kinder warten geduldig auf ihre Impfung gegen Masern und Röteln.
    Mbuguni liegt eine anstrengende Buckelpistenfahrt vom Sitz der Ost-Afrikanischen Union in Arusha, Nord-Tansania, entfernt. 3000 Menschen leben hier in einfachen Häuschen oder Hütten, in schwierigen, hygienischen Bedingungen. Würmer treten deshalb bei Kindern auf, erklärt Bürgermeister Wilbert Melani Mungure, besonders tödlich seien Malaria und Typhus.
    "Röteln hatten wir auch hier. Da gab es zunächst eine kleine Panik, weil wir dachten, es seien die gefährlichen Masern. Jetzt sind wir froh, dass unsere Kinder gegen beides geimpft werden."
    Kindersterblichkeit schon deutlich zurückgegangen
    Solche Impfkampagnen hätten entscheidend dazu beigetragen, dass die Kindersterblichkeit in Tansania stark gesunken ist, sagt der Gesundheitsminister des Landes, Seil Rashid.
    "Wir haben das Milleniumsziel für 2015 schon vorzeitig erreicht.
    In den 90er-Jahren starb fast jedes fünfte Kind unter fünf Jahren, jetzt nur noch etwa jedes 20. GAVI hat dabei sehr geholfen, nicht nur finanziell. Durch die GAVI-Allianz sind Impfstoffe für uns bezahlbar geworden. Und verfügbar, wenn wir sie brauchen. Die Versorgung klappt unglaublich gut, ist sehr effektiv."
    Die globale Impfallianz GAVI ist eine Initiative, an der viele beteiligt sind: die Weltgesundheitsorganisation, UNICEF, Nichtregierungsorganisationen, die Bill&Melinda-Gates-Stiftung, die Weltbank sowie diverse nationale Ministerien, auch aus Deutschland. Darüber hinaus, und das wird auch kritisch gesehen, arbeiten Pharmakonzerne mit. GAVI-Geschäftsführer Seth Berkley aber sieht gerade diese Einbindung positiv. Schließlich kaufe seine Allianz die Impfstoffe für 60 Prozent aller Kinder auf der Welt.
    In Thermo-Koffern wird der empfindliche Impfstoff in Tansania transportiert.
    In Thermo-Koffern wird der empfindliche Impfstoff in Tansania transportiert. (Michael Castritius)
    "Dadurch können wir die Preise drücken. Und durchsetzen, dass mehr produziert wird. Außerdem fördern wir den Wettbewerb: Als GAVI vor 15 Jahren die Arbeit aufnahm, gab es nur fünf Produzenten, vier davon in Industrieländern. Heute sind es 16, die Mehrheit in Entwicklungsländern."
    In Tansania sei etwa der Preis für die drei Dosen der Rotavirus-Impfung von 300 auf zehn Dollar gesunken, sagt Richard Sezibera von der Ost-Afrikanischen Union. Bezahlbare Impfstoffe sind die Basis des Erfolges, denn die jeweiligen Länder beteiligen sich, je nach Wohlstand, an den Kosten.
    Bereits 440 Millionen Kinder geimpft
    GAVI hat nach eigenen Angaben bereits dafür gesorgt, dass 440 Millionen Kinder gegen lebensbedrohliche Krankheiten wie Diphtherie, Tetanus, Gelbfieber, Keuchhusten, Hepatitis B, Masern, Röteln, Pneumokokken oder das Rotavirus geimpft wurden. Erreicht werden soll unter anderem das Millennium-Entwicklungsziel Nummer 4: Senkung der Kindersterblichkeit von Unter-Fünf-Jährigen um zwei Drittel.
    Die Absicht, jedes Kind zu erreichen, setzt allerdings nicht nur Überzeugungsarbeit bei den Eltern voraus. Die logistische Herausforderung ist ebenso zu bewältigen. Denn Impfstoffe müssen nicht nur in großen Mengen und zu richtigen Zeitpunkt geliefert werden: Sie müssen auch kühl gehalten werden. Die Kühl-Kette darf nicht unterbrochen werden, auch, wenn in unzugänglichen Gebieten Mopeds oder Esel, Karren oder Fahrräder die Ampullen in Thermo-Behältern über Staubpisten und Bergpässe, durch Wüsten und Regenwälder rumpeln.
    Die Massai in Tansania etwa, einige sind noch Nomaden, müssen zunächst lokalisiert werden: Wo schlagen sie ihre Zelte gerade auf? Erst dann können ihre Kinder geimpft werden, gesund bleiben, größere Überlebenschancen haben. Und damit eine Entwicklungschance.