Mittwoch, 24. April 2024

Archiv


Tanz auf dem Nierentisch

Allmählich war man sicher, alles strebte wieder aufwärts nach dem Krieg. Durch Adenauers Deutschland ging eine Fresswelle, der Bürger wurde dick, rauchte zu viel und musste zu Sport und Bewegung ermahnt werden. In Ulbrichts Deutschland war die Versorgungslage nicht ganz so üppig, aber auch hier ging die Konsumgüterindustrie in die Massenproduktion - zum Beispiel gab es für die Neubauwohnungen eine Wohnzimmergarnitur, die nach und nach passend zueinander gekauft werden konnte.

Von Paul Stänner | 18.11.2006
    Die Armeen beider Länder rüsteten auf, auch dafür war wieder Masse vorhanden. Die Rente wurde dynamisch und die Verkehrsentwicklung stürmisch, Fernsehshows sorgten für langentbehrte Unterhaltung und für die aufmüpfige Jugend waren Kinos vorhanden, die man zusammenschlagen konnte und Motorräder, um den Spießern die Ohren voll zu dröhnen - die "Halbstarken" probten den Aufstand.

    Die internationale Lage war gekennzeichnet von sehr seriösen und sehr blutigen Aufständen: Polen, Ungarn, Algerien, Suezkrise - man hätte sich Sorgen machen können 1956, hätte nicht die charmante Grace Kelly den schnurbärtigen Fürsten von Monaco geheiratet und hätte nicht Petra Schürmann die Krone errungen: Wir waren Schönheitskönigin!

    Geschichte zum Hören 1956
    Was bewegte die Nation vor 50 Jahren? Die Fortsetzung der bekannten Audiothek der Zeitgeschichte: Der Ostblock lebt vom Glauben an eine bessere Welt, an die Befreiung der Menschen durch den Kommunismus. Mit Enthüllung der Verbrechen Stalins durch Chruschtschow wird dieser Glauben erschüttert. Die Ungarn verlangen die Freiheit. Ihr Aufstand wird von der Sowjetunion blutig niedergeschlagen. In der DDR werden die Reformkommunisten Harich und Janka festgenommen. In der BRD wird die KPD verboten und die Halbstarken stören die heile Welt des Wirtschaftswunders.

    Überblick über die Sendungen "Kalenderblatt" im Deutschlandfunk - auch zum Nachhören: Kalenderblatt

    Hörprobe aus der Neujahrssendung von WDR und NDR - Zusammenschnitt der Sendung vom 1. Januar 1956

    Chronik - Magdeburg und seine Universität - eingeordnet in die Welt- und Deutschlandgeschichte - hier können Sie nach Jahreszahlen geordnet recherchieren und nachlesen: Magdeburg und seine Universität

    Auszug aus dem Manuskript:

    Das Jahr 1956 - ein wechselhaftes Jahr. Westdeutschland ist ganz und gar im Wirtschaftswunder angekommen. 1,4 Millionen Menschen sind in Lohn und Brot, die Arbeitslosenquote liegt bei 2,5 Prozent.

    Eine goldene Zahl - lang ist's vorbei. Allmählich fühlte man sicher, alles strebte wieder aufwärts nach dem Krieg. Durch Adenauers Deutschland ging eine Fresswelle, der Bürger wurde dick, rauchte zu viel und musste zu Sport und Bewegung ermahnt werden.

    In Ulbrichts Deutschland war die Versorgungslage nicht ganz so üppig, aber auch hier ging die Konsumgüterindustrie in die Massenproduktion - zum Beispiel gab es für die Neubauwohnungen eine Wohnzimmergarnitur, die nach und nach passend zueinander gekauft werden konnte.

    Wir sehen die Ost-West-Bündnisse sich verhärten und in scheinbar unverrückbarer Frontstellung einander gegenüberstehen. In Polen werden Aufstände niedergeschlagen, dann folgt Ungarn. Moskau zeigt seine harte Hand.

    Dabei hatte Nikita Chruschtschows Geheimrede, in der er mit den Verbrechen Stalins abrechnete, im kommunistischen Lager eine gewisse Hoffnung auf Liberalismus und weniger Zwang ausgelöst. Die Enttäuschung, dass es so nicht kam, war tief.

    Es gibt den ersten Grand Prix Eurovision de la chanson, womit eine neue Kultur geschaffen wird, die sich seitdem jährlich auf die Mattscheiben drängt - der Schlagerwettbewerb aus vielen Ländern. Aus der Spaßveranstaltung wurde eine gigantische Industrie - 1956 fing das alles an.

    Die Menschen wurden gesetzt, nur der Rock n Roll trieb alle in den Wahnsinn. Ein tolles Jahr 1956.

    Erster TV-Spot - Premiere im Wirtshaus : Mit dem Wort "Mahlzeit!" und einem Ehestreit in einem bayerischen Wirtshaus fing am 3. November 1956 eine neue Ära im deutschen Fernsehen an.
    http://www.focus.de

    50 Jahre TV-Werbung - Nervtötende Kultfiguren: Klementine, Frau Antje, Meister Proper: Seit 50 Jahren flimmert Werbung über deutsche Bildschirme. Schon zu Anfang war sie heftig umstritten - Mehr dazu:
    http://www.tagesspiegel.de/

    Auszug aus dem Manuskript:

    1956: Adolf Hitler wurde für tot erklärt. Nach einer vierjährigen Beweisaufnahme entschied das Amtsgericht Berchtesgaden auf den Tod des Diktators.

    Zwar hatten die Sowjets in den Trümmern der Reichskanzlei das Skelett und vor allem das Gebiss Hitlers gefunden und somit eigentlich ausreichend sicherstellen können, dass der Größte Führer aller Zeiten tot war, aber dennoch hielt sich unter denen, die es nie begreifen, hartnäckig die Legende, Hitler sei in einem U-Boot oder sonst wie auf geheimnisvolle Weise entkommen und warte nun entweder in Südamerika oder der Arktis oder Australien auf seine Wiederkehr samt Wunderwaffe.

    Bei diesem juristischen Akt ging es aber auch, und das machte die Sache spannend, um Hitlers Nachlass, zum Beispiel ein Haus in München und um einige Devotionalien in einem Koffer. Und natürlich den Obersalzberg, den ein Gericht schon 1948 dem Freistaat Bayern übergeben hatte. Durch die Todeserklärung wurden diese Übereignungen endgültig rechtskräftig und unanfechtbar. Das Kapitel "Hitler Komma Adolf" war erledigt.
    Der 19-jährige Freddy Borchert trifft in einem Hallenbad seinen jüngeren Bruder Jan wieder. Vor einiger verließ Freddy sein autoritäres Elternhaus und hat seitdem seine Familie nicht wieder gesehen. Freddy macht seinen Bruder gleich mit einer Bande von Halbstarken und deren Umgangsformen bekannt. Der Tag im Schwimmbad endet schließlich mit einer Schlägerei. Trotzdem ist Jan begeistert von Freddy und seinen Kumpanen, zumal er schon bald Krach mit seinem strengen Vater hat. Schnell lernt ihr die anderen Mitglieder von Freddys Bande kennen, allen voran die mit allen Wassern gewaschene Sissy Bohl. Ohne Jans Wissen plant Freddy ein folgenschweres Verbrechen, in dem Jan eine wichige Rolle spielen soll.
    http://www.deutscher-tonfilm.de/dh4.html

    Auszug aus dem Manuskript:

    RIAS - Reportage vom 14.7.1956
    Halbstarkenproblem im Wedding, Zusammenstöße zwischen Motorradbanden und Polizei in der Afrikanischen Straße. Gespräch mit Anwohnern, die meist auf Seiten der Polizei sind. Junge Arbeiter sympathisieren mit den Halbstarken. Beitrag endet mit einem pädagogischen Vorschlag und Gong.

    Im Herbst des Jahres 1956 kam dann ein Film heraus, der eine originär deutsche Sicht auf das Jugendproblem brachte : der Berliner Wedding - damals wie heute etwas, was Politiker mit dem Wort "Problembezirk" kennzeichnen - war der Schauplatz einer Geschichte um Liebe und Gewalt. Horst Buchholz und Karin Baal spielten die Protagonisten.

    Rebellion im Land des Wirtschaftswunders - Der Film "Die Halbstarken" zerstörte das Bild einer heilen Welt

    Echte, alte Zeitung vom Tag der Geburt, der Hochzeit oder zum Jubiläum.
    http://www.geschenkzeitung.de/

    Geb. 1956.
    Gebunden
    Eine Zwischenbilanz zum Fünfzigsten. Hrsg. v. Martin Gundlach 174 S. Beil.: Glückwunschkte. 19 cm 222g
    2006 Brockhaus, Haan
    ISBN 3-417-24907-4
    ISBN 978-3-417-24907-1 | KNV-Titelnr.: 14708777
    Zwischenbilanz zum Fünfzigsten? Zwölf Autorinnen und Autoren beschreiben ihr Lebensgefühl zum Fünfzigsten. Sie blicken zurück aufeine Kindheit in den 60ern zwischen bürgerlicher Tradition, Mauerbau und 68er-Protesten. Sie erzählen, was sie in ihrem Leben bereits erreicht haben - und worin sie gescheitert sind. Die zweite Generation nach dem Krieg, die erste Generation, die Deutschland nur geteilt kennen gelernt hat. Was die Autoren verbindet? Alle sind Jahrgang 1956, alle feiern 2006 ihren Fünfzigsten. Und alle versuchen, als Christen zu leben. Sie alle schreiben deshalb auch über die Veränderungen, die ihr Glaube in einem halben Jahrhundert vollzogen hat. Die Autoren sind: die Autorin und Referentin Elke Werner, Traumschiff-Pianist Waldemar Grab, der Schweizer Maler Daniel Schär, Annette Kast-Zahn (Verfasserin des Klassikers "Jedes Kind kann schlafen lernen"), die Medien-Professorin Johanna Haberer, der Dozent Jürgen Tibusek, Reinhard Holmer (Leiter des Blankenburger Allianz-Hauses), die Künstlerin Mirjana Angelina und viele andere. Herausgeber ist family-Chefredakteur Martin Gundlach

    1956 - DDR am Scheideweg.
    von Prokop, Siegfried;
    Gebunden
    Opposition und neue Konzepte der Intelligenz. Edition Zeitgeschichte Bd.32 376 S. 21,5 cm 607g , in deutscher Sprache.
    2006 Homilius
    Der Berliner Zeithistoriker Siegfried Prokop bringt mit seiner erhellenden Schrift Licht in das verworrene Knäuel sich überstürzender Ereignisse des Herbstes 1956. Er untersucht anhand neuer Archivfunde die kontroversen Debatten in den Führungsgremien des Kulturbundes ebenso wie die Anbahnung von Kontakten zwischen Intellektuellen aus Ost und West, vermittelt Einblicke in die Herausbildung und die Aktivitäten des "Kreises der Gleichgesinnten", eines oppositionellen Debattierclubs, der in Gegnerschaft zum engstirnigen Polit-Bürokratismus des Ulbricht-Regimes stand und eine Reform der DDR-Gesellschaft anstrebte.
    Der Autor schenkt seine besondere Aufmerksamkeit dem vielseitigen Wirken des Philosophen Wolfgang Harich, des Kulturpolitikers Gustav Just und anderer Intellektueller, die unzufrieden waren mit der Aufarbeitung des Stalinismus im Zuge des XX. Parteitages der KPdSU durch Ulbricht. Prokop beleuchtet Harichs "Plattform" und dessen Verbindungen mit westdeutschen Redaktionen. Das Wirken der aufmuckenden Gruppe wurde nach der Tragödie in Ungarn durch das gewaltsame Eingreifen von Sicherheitsorganen der DDR beendet und zog starre ideologische Maßregeln auch für das universitäre Leben nach sich.

    Auszug aus:
    DDR-Geschichte, Aus Politik und Zeitgeschichte (B 30-31/2001) ... Obwohl es in der DDR im Gegensatz zu Ungarn oder Polen auf den Straßen weitgehend ruhig blieb, war die Stimmung im ganzen Land auf einem Tiefpunkt angelangt. Es kam überall zu heftigen Diskussionen, es bildete sich eine innerparteiliche Opposition, der ohnehin bestehende Widerstand gegen die SED verstärkte sich. Die SED-Führung befand sich in einer desolaten Lage. Am meisten bereiteten ihr die Vorgänge und Diskussionen an den Universitäten und Hochschulen Probleme. Diese Institutionen waren von ihr als Kaderschmieden aufgebaut worden. Gerade aber das Jahr 1956 zeigte, dass der Neukonstituierungsprozess noch lange nicht so weit gediehen war, wie sie es sich wünschte. Weiterlesen: http://www.bpb.de

    Auszug aus dem Manuskript:

    Das Jahr 1956 sah auf beiden Seiten der innerdeutschen Grenze den Tod wichtiger Autoren.

    Gottfried Benn hatte 1912, zu Hoch-Zeiten des deutschen Expressionismus, als Lyriker Aufsehen erregt. Die Provokation blieb zeitlebens für den Arzt und Schriftsteller sein angestammtes Metier. Vielleicht waren die Provokationen auch nur Verirrungen - er trat leidenschaftlich für den Nationalsozialismus ein und bewunderte den Führer und dessen Rassefantasien. Nach dem Röhm-Putsch ging er auf Distanz, wurde von der NS-Presse gejagt, aber vom SS-Chef Heinrich Himmler gedeckt.

    Dass ihn seine bis zur eisigen Arroganz gehende Geringschätzung des menschlichen Faktors in die Nähe der Nazis gebracht hatte, mochte er bis zu seinem Ende nicht als Fehler einsehen. 1951 erhielt er den Büchnerpreis, die öffentliche Anerkennung nicht unbedingt für seine Person, aber doch für sein lyrisches Werk.

    Und noch ein anderer Großer der Literatur starb - putzige Bären waren eindeutig nicht seine Sache, auch nicht Astern im Brustkorb eines ertrunkenen Bierkutschers - Bert Brecht griff nach Höherem, nach der Revolution, nach dem Ende der Kämpfe und der Geschichte. Und doch - der Listenreiche war auch ein Genießer.
    Im Oktober 1948 war Brecht aus seinem amerikanischen Exil zurückgekehrt. Am Schiffbauerdamm im Zentrum Berlins hatte er ein Theater übernommen.

    Hier will er seine im Exil geschriebenen großen Stücke wie die "Mutter Courage", den "Puntila" und den "Galilei" selbst inszenieren und sein episches Theater gegen den von Moskau verordneten pathetischen Naturalismus durchsetzen. Gemeinsam mit Helene Weigel, Hanns Eisler, Ernst Busch und Paul Dessau gründet er das "Berliner Ensemble". Aber erst im März 1954 kann das Ensemble vom Deutschen Theater ins Theater am Schiffbauerdamm umziehen, wo Brecht mit den Proben zum "Kaukasischen Kreidekreis" beginnt.
    Am 14. August 1956 stirbt Bert Brecht. Blieb noch die Frage nach seiner Begräbnisstätte. Als prominenter Dichter hat man ja so seine Vorstellungen, wie man später einmal liegen möchte.

    Claus Hubalek, ein Mitarbeiter des Norddeutscher Rundfunks, besuchte Bert Brecht in seiner Wohnung in der Chausseestraße. Er traf seinen früheren Lehrmeister vom "Berliner Ensemble" beim Rasieren. Brecht stand am Fenster und blickte auf das Nachbargrundstück, den Dorotheenstädtischen Friedhof. Hubalek konnte sich eine Bemerkung nicht verkneifen, wie dem Meister denn die Nähe zum Friedhof, auf dem immerhin Friedrich Hegel begraben liegt, so gefalle.

    "Man muss sich nur daran gewöhnen," soll Brecht geantwortet haben. Hubaleks Hinweis, auf diesen Friedhof würde er ja wohl nicht kommen, weil er längst geschlossen sei, habe der rasierende Brecht mit dem knappen Satz quittiert: "Beziehungen muss man haben."

    Thomas Reichenberg
    Wir vom Jahrgang 1956 - Kindheit und Jugend.
    2006 Wartberg
    Jahrgang 1956 - das war eine Kindheit noch in zeitlicher Nähe zum Krieg, aber schon in bescheidenem Wohlstand, für viele in bürgerlicher Geborgenheit und in einem sicheren Rahmen christlich-konservativer Werte. Es war eine Jugend, in der die Impulse der 68er auf diese Welt trafen und Radikalenerlass, RAF, ökologische Probleme, die Gefahr eines Atomkriegs und der Ost-West-Gegensatz den politischen Rahmen darstellten. Geschichten werden erzählt von Kinderspielen, Schule, Sport und Tanzschule - von all dem, was unsere private Welt ausmachte.

    Vor 1956 liefen die Sportler bei der Schlussfeier, wie bei der Eröffnung, nach Nationen getrennt ein. In Melbourne kamen, als Symbol globaler Einheit, alle gemischt ins Stadion.

    Wikipedia: Olympische Sommerspiele 1956

    Auszug aus dem Manuskript:

    1956 ist ein Olympiajahr. Es beginnt in Italien und endet im australischen Melbourne. Im italienischen Cortina d'Ampezzo liegen Anfang des Jahres die Nerven blank. Am Mittelmeer schneit es, was es nicht tun sollte, aber im 1200 Meter hoch gelegenen Cortina fällt keine Flocke. Armeeeinheiten transportieren auf Lastwagen den Schnee zu den Athleten.

    Die deutsche Mannschaft kommt nicht so recht in die Skistiefel. Die sowjetische Mannschaft dagegen, die zum ersten Mal an den olympischen Winterspielen teilnimmt, schneidet mit sieben Goldmedaillen am besten ab. Im Sport ist die Teilung Deutschlands noch nicht vollzogen - jedenfalls nicht bei den Olympischen Spielen. Die DDR hat aber ihre Eigenständigkeit im Sport schon im Blick - und bereitet ein Gesetz zur Sportförderung vor.

    Dalos György
    1956
    Der Aufstand in Ungarn
    2006 Beck

    Programmschwerpunkt anlässlich des 50. Jahrestages
    Der Ungarn-Aufstand 1956
    Zahlreiche Sendungen in Deutschlandfunk und Deutschlandradio Kultur

    Piroschka und die Last der Geschichte - Eine Lange Nacht über Ungarns Weg nach Europa

    Auszug aus dem Manuskript der Sendung:

    Im Oktober 1956, nach der Niederschlagung des Aufstandes in Ungarn, schlug Ulbricht auch in der DDR wieder einen schärferen Kurs ein. Am 21. Dezember 1956 wurde Reginald Rudorf während eines Vortrages von einem organisierten Rollkommando der Leipziger SED brutal zusammengeschlagen. Der Schriftsteller Erich Loest erinnert sich in seinem Buch "Durch die Erde ein Riss":

    Im Kirow-Werk hatten "Werktätige" den Jazz-Erklärer Reginald Rudorf gescholten, er propagiere die Musik des Klassenfeinds, Rudorf hatte sich verteidigt, er vermittle vielmehr die Schöpfungen ausgebeuteter Neger. Ein Handgemenge entstand, der Tonassistent floh so schnell, dass er sich einen Lungenriss zuzog, Rudorf kam mit Prügel davon. Wenig später wurde er verhaftet und zu zwei Jahren Zuchthaus verurteilt. Scherzfrage damals: "Was gibt's in Leipzig für Jazz?" Antwort: "Zwei Jahre."

    Bei seiner Entlassung 1959 empfangen ihn Freunde und Fans am Bahnhof in Leipzig trotzig mit dem Song "Oh when the Saints go marchin in".
    Inzwischen war der Jazz längst wieder geduldet, wenn auch misstrauisch beäugt und bespitzelt.

    Hätten Sie es für möglich gehalten, dass Sie die Chance haben, hier und heute zwei Programmhefte der "Namenlosen" aus den 50er- Jahren als PDF-Files herunterladen?
    http://www.lachundschiess.de

    Auszug aus dem Manuskript:
    München Schwabing im Dezember 1956: Nur drei Wochen zuvor hatte sich Studentenkabarett "Die Namenlosen" entzweit. Übrig bleiben der Rundfunkreporter und Regisseur Sammy Drechsel und der Student der Theaterwissenschaft Dieter Hildebrandt. Drechsel holt die damals schon bekannte Schauspielerin und Kabarettistin Ursula Herking und die Kabarettisten Klaus Havenstein und Hans-Jürgen Dietrich mit ins Boot. Gemeinsam ist ihnen das Motiv, das der heute 79-jährige Dieter Hildebrandt so umschreibt.

    Dieter Hildebrandt: "Das ist eine Mischung aus Spielfreude, Lust an dieser Art der Kleinkunst und gleichzeitig aber auch der durch die Zeitäufte entstandene Zorn, der raus sollte und raus musste. Wir waren ja alle, die wir da angetreten sind, Kriegsteilnehmer und waren natürlich sehr neugierig, was passiert mit dieser Republik. "

    Das erste Programm bezeichnet er im Rückblick als "bescheidenen, aber gelungen Anfang". Als die vier nach einem Monat vor drei Zuschauern spielen, wird ihnen klar, dass es so nicht weitergehen kann.

    Dieter Hildebrandt : "Und dann packte uns der Ehrgeiz, und dann sagten wir: versuchen wir ein zweites Programm! Und dieses zweite Programm stand von vorne herein unter einem sehr guten Stern. Ich musste das Programm alleine schreiben, aber das Ensemble das hat geholfen, und dem Dietrich dem fiel auch was ein, und dann machten wir dieses Programm "Bette sich wer kann" im Frühjahr und hatte einen rasanten Erfolg. "