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Tanz im Township

"Pantsula" heißt ein Tanz, der in den 60er- und 70er-Jahren in einem Township bei Johannesburg entstand. Er war Ausdruck des Selbstbewusstseins und Überlebenswillens rivalisierender Jugendbanden. Das Ensemble "Via Katlehong" hat diese Tradition wiederbelebt und weiterentwicklt.

Von Leonie March | 09.01.2013
    Der kleine Raum vibriert vor Energie. Ein dutzend Füße fliegen über den Boden, rhythmisch, immer schneller. Eine wilde Mischung aus Hip-Hop, Stepptanz und traditionell afrikanischen Elementen. Die Tänzer klatschen in die Hände, schlagen sich auf die Schenkel, feuern sich gegenseitig an, wetteifern um die geschmeidigsten Bewegungen.

    Beim "Pantsula" geht es darum, anzugeben, um Selbstvertrauen und um's Überleben, erklärt Vusi Mdoyi, einer der Leiter des Ensembles "Via Katlehong", das die Tanztradition aus dem gleichnamigen Township bei Johannesburg wiederbelebt und weiterentwickelt. Entstanden ist der "Pantsula" in den 60er und 70er-Jahren. Rivalisierende Jugendbanden lieferten sich damals auf den Straßen regelrechte Wettkämpfe. Der Tanz war Ausdruck ihres Selbstbewusstseins, Überlebenswillens und Widerstands.

    "Der "Pantsula" steht für einen bestimmten Lebensstil. Junge Männer, die ihr Geld mit Glücksspiel auf der Straße verdienten, immer auf der Hut vor der Polizei. Extrem schnelle Bewegungen und ein wacher Geist waren ihre Markenzeichen. Sie mussten schlau sein, um zu überleben. Das spiegelt sich auch in den Tanzschritten wieder. Wir nehmen in vielerlei Hinsicht Bezug zum Alltag in den Townships, zum Beispiel durch Gesten oder Pfeifen. Jede Gruppe hat ihren unverwechselbaren Pfiff, an dem sich ihre Mitglieder erkennen. Es ist eine Art der Kommunikation, ein Teil der 'Pantsula'-Sprache."

    Für diejenigen, die mit dem Township-Alltag nicht vertraut sind, mag die Tanzsprache des "Pantsula" zwar nicht in allen Details verständlich sein. Was sich aber überträgt, ist die unbändige Energie und Lebensfreude der Tänzer. Sie ist der Grundstein des internationalen Erfolges von "Via Katlehong". Vor rund 20 Jahren als Laientanzgruppe gegründet, um Jugendliche von erbitterten, politischen Kämpfen im Township fernzuhalten, habe sie sich mittlerweile zu einer professionellen Kompanie gemausert, erzählt Co-Ensembleleiter Buru Mohlabane stolz:

    "Wir haben nie eine Tanzakademie besucht, sondern eine natürliche Begabung von unseren Vorfahren geerbt. Wir haben den Tanz im Blut. Er war schon Teil unseres Lebens, bevor wir ihn zum Beruf gemacht haben. Deshalb hat uns das internationale Interesse zunächst auch überrascht. Wir sind Schritt für Schritt professioneller geworden und empfinden es als Verantwortung, diese Erfahrungen mit den Bewohnern unseres Viertels zu teilen."

    Vor allem die Nachwuchsarbeit liegt den Tänzern am Herzen. Mehrmals in der Woche trainieren sie mit Jungen und Mädchen aus ihrem Township. Arbeitslosigkeit und Armut, Drogenkonsum und Kriminalität seien die Hauptprobleme, meint Steven Faleni, mit 33 Jahren einer der ältesten im Ensemble von "Via Katlehong". Er ist in ähnlichen Verhältnissen aufgewachsen, weiß aus eigener Erfahrung, dass Tanzen für diese Jugendlichen sowohl ein Ventil ist, als auch Hoffnung bedeutet:

    "Die meisten von ihnen träumen von einer internationalen Tanzkarriere. Uns jedoch geht es in erster Linie darum, sie von der Straße zu holen, zu vermeiden, dass sie kriminell werden. Durch das Tanzen lernen sie Werte wie Disziplin und Respekt. Es hilft ihnen dabei, ihren schwierigen Alltag ein paar Stunden lang zu vergessen und zu verarbeiten, was sie erlebt haben. Es fällt ihnen leicht, sich auszudrücken, denn der 'Pantsula' ist Teil unserer Kultur. Sie lernen, wie wichtig es ist, seine Wurzeln zu kennen, zu wissen, woher man kommt und seine Eltern nicht zu vergessen."

    Es sind altmodische Werte, doch die Jugendlichen scheinen sie dankbar anzunehmen. Kulturelle Angebote wie dieses sind im Township rar, Vorbilder wie die Tänzer von "Via Katlehong" Mangelware. Sie geben Orientierung, die vielen jungen Leuten im Township ansonsten fehlt.