Donnerstag, 25. April 2024

Archiv

Tarifeinheitsgesetz
Fuchs fordert zusätzliche Regeln in Branchen der Daseinsvorsorge

Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Union im Bundestag, Michael Fuchs, hat das Urteil zum Tarifeinheitsgesetz grundsätzlich begrüßt. Die nötigen Nachbesserungen seien "nicht so tragisch", sagte Fuchs im Dlf. Über das Streikrecht müsse aber diskutiert werden, insbesondere in Branchen wie Transport und Energie.

Michael Fuchs im Gespräch mit Daniel Heinrich | 11.07.2017
    Michael Fuchs, Vizefraktionsvorsitzender der CDU/CSU im Bundestag
    Michael Fuchs (CDU), stellvertretender Fraktionsvorsitzender der Union (picture alliance /dpa /Karlheinz Schindler)
    Daniel Heinrich: Ich spreche mit Michael Fuchs von der Union. Herr Fuchs, sind Sie enttäuscht von dem Urteil?
    Michael Fuchs: Nein, das kann ich nicht sagen. Unser Ziel wurde gebilligt. Es sagt ganz klar aus, das Urteil, dass die Koalitionsfreiheit kein Recht vermittelt, Schlüsselpositionen in Betrieben zu missbrauchen, zu Blockadezwecken zu missbrauchen, und das war ja eigentlich ein Ziel, was sowohl die Bundesarbeitsministerin als auch die Arbeitgeberverbände als auch große Teile des DGB hatten. Und wir wollten oder es ging ein Stück weit darum, die abstruse Macht, die Splittergewerkschaften haben, einzudämmen. Ich sage jetzt mal ein Beispiel: Da ist es nicht passiert, weil man es Gott sei Dank hinbekommen hat, aer wenn bei der BASF die Betriebsfeuerwehr streikt, dann müssen 34.000 Leute wegen 100 Leuten den Arbeitsplatz verlassen. Das kann nicht der Fall sein und ich glaube, das hat das Gericht in irgendeiner Weise heute auch bestätigt.
    Heinrich: Herr Fuchs, die Ärztegewerkschaft Marburger Bund hat sich zu Wort gemeldet und gesagt, das Gesetz ist auf der Intensivstation. Wo muss denn da jetzt nachgebessert werden?
    "Das Gericht hat das Gesetz anerkannt, und das ist auch gut so"
    Fuchs: Na ja, das ist, glaube ich, ein bisschen übertrieben. Es hat sich gezeigt, dass wir an einigen Stellen Nachbesserungen machen müssen. Wenn man das sich genau anguckt, dann ist das aber nicht so tragisch. Es sind im Wesentlichen zwei Punkte, die nachgebessert werden müssen, nämlich es besteht Bedarf gesetzlicher Schutzvorkehrungen, durch die Minderheitsgewerkschaften oder Minderheitstarifverträge im Langfristbereich verbessert werden müssen. Ich sage mal ein Beispiel: Betriebsrenten, das ist ja ein langfristiges Recht aus Tarifverträgen. Das muss geschützt werden und das hat das Bundesverfassungsgericht anerkannt. Das sehe ich eigentlich genauso. Ich glaube nicht, dass das so schwierig ist. Und es muss wohl auch so sein, dass die Mehrheitsgewerkschaften die Berufsgruppen, die in kleineren Organisationen drin sind, mit berücksichtigen müssen bei den Tarifverhandlungen. Das heißt, die müssen in irgendeiner Weise eingebunden werden. Auch der Punkt, den kann man durchaus verstehen. Aber es ist ja insgesamt so, dass das Gericht das Gesetz anerkannt hat, und das ist auch gut so.
    Heinrich: Lassen Sie uns beim Urteil bleiben, Herr Fuchs. Die Macht von Spartengewerkschaften einschränken ja, Streikrecht nein. War das nicht, genau dieses Streikrecht zu verhindern, Ziel auch dieses Gesetzes?
    "Es kann nicht sein, dass der Streik ohne jegliche Ankündigung laufen kann"
    Fuchs: Ich sehe das nicht ganz so. Was wichtig ist, ist, dass das Gericht anerkannt hat, dass der große Tarifvertrag, also der der sogenannten wirkmächtigsten Gewerkschaft, primär gilt und dass sich zuerst alles daran zu orientieren hat. Das halte ich für wichtig. Aber auf der anderen Seite werden wir jetzt – und auch da hat das Bundesverfassungsgericht meiner Meinung nach einen Hinweis gegeben – das Arbeitsrecht und das Streikrecht ein Stück weit diskutieren müssen. Es kann auch nicht so sein, dass in Bereichen – ich nenne sie mal Daseinsvorsorge – der Streik ohne jegliche Ankündigung beispielsweise laufen kann. Wir waren immer der Meinung, dass man da von mir aus sechs Wochen vorher Bescheid sagen muss, damit die Leute sich einrichten können. Nehmen Sie mal die Bahn. Wenn die von heute auf morgen…
    Heinrich: Und was wollen Sie da jetzt machen, Herr Fuchs?
    Fuchs: Das kann man durchaus in dieser Phase, wenn das jetzt verändert wird, auch noch mit einbauen. Ich denke, da gibt es Möglichkeiten.
    Heinrich: Und wie?
    Fuchs: Zum Beispiel auch, indem wir eine Schlichtung bei solchen Daseinsvorsorge-Bereichen – nehmen Sie mal den gesamten Bereich der Energieversorgung, nehmen Sie Bahn, nehmen Sie Luftfahrt etc. Da wo Leute schlicht und ergreifend darauf angewiesen sind, Transportmittel zu nutzen oder Energieversorgung zu haben, da kann es nicht sein, dass kleine Gewerkschaften quasi eine gesamte Wirtschaft lahmlegen können. Das müssen wir jetzt durchaus diskutieren und in dem Daseinsvorsorge-Bereich unter Umständen noch zusätzliche Regeln einziehen.
    Heinrich: Sie sprechen von Zwangsschlichtung, Herr Fuchs?
    "Eine Schlichtung oder zumindest eine Ankündigungszeit"
    Fuchs: Ich will nicht sagen Zwangsschlichtung, aber eine Schlichtung als erstes, bevor man direkt in einen Streik geht, oder zumindest eine ausreichende Ankündigungszeit, damit die Bürgerinnen und Bürger sich darauf einstellen können. Nehmen Sie doch mal die ganzen Berufspendler. Wenn die plötzlich morgens zum Bahnhof kommen und es fährt kein Zug mehr, weil innerhalb von zwölf Stunden ein Streik ausgerufen wird, und die haben überhaupt keine Möglichkeit, darauf zu reagieren, dann ist das in meinen Augen auch den Bürgern gegenüber nicht fair.
    Heinrich: Aber wenn sich die Gewerkschaften nicht darauf einlassen, was ist das denn dann anderes als eine Zwangsschlichtung?
    Fuchs: Das ist nicht unbedingt eine Zwangsschlichtung, sondern ich finde es einfach sinnvoll, dass wir in einem Land, in dem es uns ja nicht gerade so schlecht geht, dass man sagen kann, ohne jegliche Streikmacht geht es uns noch schlechter, da finde ich es schon richtig und angebracht, dass wir durchaus erst einmal miteinander sprechen und nach einer Lösung suchen. Wenn es die nicht gibt, dann gibt es Streik. Das ist ja nicht ein Streikverbot. Das will ich nicht, das darf es auch nicht geben. Das ist selbstverständlich.
    Heinrich: Aber wie würden Sie es dann titulieren, wenn nicht als Zwangsschlichtung?
    "Es muss eine Möglichkeit geben, dass erst mal diskutiert wird"
    Fuchs: Ich würde es so titulieren, dass einem Streik eine Schlichtung – ich rede nur über den Bereich der Daseinsvorsorge. Das ist ja nur ein kleiner Bereich des Wirtschaftens. Für den Bereich der Daseinsvorsorge bin ich der Meinung, weil da eben sehr, sehr viele andere von abhängig sind, da muss es eine Möglichkeit geben, dass erst mal diskutiert wird, dass man sieht, auch welcher Schaden dann angerichtet wird, und dass dann aber auch gestreikt werden kann, wenn es nicht anders geht, aber mit einer gewissen Ankündigungsfrist, damit der einzelne Bürger, die einzelne Bürgerin sich ein bisschen besser darauf einstellen kann, als das bei den letzten GdL-Streiks der Fall gewesen war.
    Heinrich: Die Richter in Karlsruhe, Herr Fuchs, die waren sich heute nicht so einig. Zwei der Richter stimmen dem Gesetz nicht zu. Wie viel ist denn eigentlich dieses Gesetz wert? Es gibt es schon über zwei Jahre. Es ist noch nie angewendet worden.
    Fuchs: Ja Gott sei Dank, weil es eben auch keine Situation gab, in der das Gesetz angewendet werden musste. Wir haben ja in den letzten zwei Jahren so gut wie gar keine Streiks gehabt. Insofern kann es ja auch durchaus sein, dass das Gesetz eine gewisse Prävention ausübt und die eine oder andere Gewerkschaft sich sehr genau überlegt hat, ob sie mit oder durch dieses Gesetz nicht vielleicht doch besser in ihre Verhandlung mit den Arbeitgebern eintritt und das in der Weise macht, dass sie mit der großen Gewerkschaft zusammen antritt. Das ist ja bei der Lufthansa auch passiert und das ist sinnvoll.
    Heinrich: Wenn wir bei den Kritikern bleiben, Herr Fuchs. Klaus Dauderstädt, der Vorsitzende des Beamtenbundes, der hat die Entscheidung "schwer nachvollziehbar" genannt. Er sagt, es würde zu einer Verschärfung der Konkurrenzsituation der Gewerkschaften führen.
    "Es ist sinnvoll, wenn die Gewerkschaften sich zusammensetzen"
    Fuchs: Das sehe ich nicht so. Ich bin der Meinung, dass es sinnvoll ist, wenn die Gewerkschaften sich zusammensetzen. Wir reden ja immer von Gewerkschaften, die in einem Betrieb sind, in dem gleichen Betrieb. Es geht ja um die Einheit im Betrieb. Dass die sich zusammensetzen sollten von vornherein und verhandeln zusammen, halte ich auch für sinnvoll. Ich sage mal eins: Ich war 16 Jahre Tarifverhandler in meinem früheren Leben, für den Groß- und Außenhandel in Deutschland verantwortlich, und damals gab es noch drei Tarifpartner auf der Gewerkschaftsseite. Die sind nachher alle in Verdi zusammengegangen. Das war mal die DAG, das war HBV, Handel, Banken, Versicherungen, und die ÖTV. Diese drei haben ja nachher Verdi geformt. Ich habe mit allen dreien gleichzeitig oder teilweise auch einzeln verhandelt. Zum Schluss habe ich die aber so weit gebracht, dass wir uns an einen Tisch gesetzt haben und haben gemeinsam verhandelt. Das war sinnvoll.
    Heinrich: Das sagt und fordert Michael Fuchs, stellvertretender Vorsitzender der Union im Bundestag. Danke für das Gespräch, Herr Fuchs.
    Fuchs: Danke Ihnen!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.