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Tarifstreit bei der Post
Verdi prangert vor Aktionären "asoziale Profitgier" an

Die Tarifverhandlungen mit der Post sind festgefahren. Vor allem wehrt sich Verdi gegen Pläne, Paketfahrer künftig in Tochtergesellschaften anzustellen und dort schlechter zu bezahlen. Den Protest der Gewerkschaft haben die Eigentümer der Post auch bei der jährlichen Hauptversammlung zu spüren bekommen.

Von Michael Braun | 27.05.2015
    Der Post Tower, die Deutsche Post DHL Konzernzentrale, in Bonn
    Der Post Tower, die Deutsche Post DHL Konzernzentrale, in Bonn (dpa / picture alliance / Daniel Kalker)
    Sie war laut und fundamental, die Verdi-Demonstration neben der Frankfurter Jahrhunderthalle. Verdi prangerte "asoziale Profitgier" und "Tarifflucht" an. Arbeit auslagern in eine Billiggesellschaft - das gehe gar nicht:
    "Ich demonstriere hier, weil ich es nicht in Ordnung finde, dass den befristeten Arbeitskräften die Knarre an den Kopf gehalten wird der Arbeitslosigkeit und sie so dann in die DFHL Delivery reingezwungen werden. Das ist für mich moderner Sklavenhandel."
    Die Aktionäre wussten natürlich um das Thema. Und eine - zugegeben - nicht repräsentative Umfrage auf dem Weg in die Jahrhunderthalle zeigte: Zumindest die Einzelaktionäre scheinen näher bei den Mitarbeitern als beim Vorstand.
    "Die bringen die gleichen Leistungen wie die anderen, aber zu wesentlich ungünstigeren Konditionen."
    "Das ist nicht in Ordnung. Denn gleiche Arbeit, gleicher Lohn finde ich in Ordnung."
    "Ich finde das völlig ungerecht. Und man merkt das auch an den Reaktionen. In der letzten Zeit passieren sehr viele Fehler. Paket falsch zugestellt und Ähnliches. Das haben wir schon erlebt."
    "Dadurch geht vieles schief."
    "Aktionäre profitieren aber doch im Prinzip davon, oder?"
    "Da würde ich lieber etwas weniger profitieren."
    "Wir zahlen den Mitarbeitern hier am oberen Ende dessen, was Wettbewerber zahlen"
    Verdi hat es mit den Streiks und Demonstrationen geschafft, das Thema in die Hauptversammlung zu tragen. Der Vorstandsvorsitzende Frank Appel musste sich dazu äußern. Er sagte, die Gewerkschaft Verdi trage ein völlig falsches Bild nach draußen.
    "Wir zahlen den Mitarbeitern hier am oberen Ende dessen, was Wettbewerber zahlen. Also, wir zahlen nicht die niedrigen Löhne der Wettbewerber, sondern wir zahlen Löhne, die auch mit dem Sozialpartner - mit Verdi in diesem Fall - vereinbart worden sind. Wir werden in diesen Gesellschaften bis 2020 circa 10.000 neue Arbeitsplätze schaffen. Wir glauben, dass wir damit erfolgreich dieses Geschäft aufbauen können."
    Doch die Tarifstruktur gehe noch auf die vergangene Behördenzeit zurück. Das sei nicht mehr marktgemäß. Mit den neuen Gesellschaften nach dem Logistiktarif ändere sich das. Das unterstützte auch der Sprecher der Aktionärsvereinigung DSW, Professor Roland Klose. Er hatte ein weiteres Thema: ob die stellvertretende Aufsichtsratsvorsitzende Andrea Kocsis zugleich Streikführerin von Verdi gegen die Post sein könne:
    "Wir haben ein Problem jetzt in einer Phase, wo gestreikt wird, wo Verteilungskämpfe zunehmend auch Deutschland prägen, dass man darüber nachdenken muss, ob eben Vertreter im Aufsichtsrat, die von der Mitarbeiterseite gestellt werden, nicht in einem Interessenkonflikt stehen, wenn sie jetzt solche Streikmaßnahmen angehen und gleichzeitig im Aufsichtsrat sitzen. Und das haben wir heute zur Sprache gebracht. Wir denken, der Aufsichtsrat muss sich damit auseinandersetzen, ob nicht eben in einer solchen Phase ein Ruhen des Mandates sinnvoll sein kann."
    Ansonsten die klassischen Themen einer Hauptversammlung: Die Dividende steigt um sechs Prozent auf 85 Cent je Aktie. Das erste Quartal sei planmäßig gelaufen. Der E-Commerce, also der internetbasierte Handel, versicherte der Vorstand, habe gerade erst begonnen. Mit Hubschraubern und Drohnen will die Post Pakete zustellen, gerne auch bis in den Kofferraum des Empfängers. Klingeln sei nicht nötig. Eine App öffne den Kofferraum des Autos, wo der Zusteller das Paket ablegen könne.