Freitag, 19. April 2024

Archiv

"Metalmorphosen"-Autor Scheller
"Heavy Metal wimmelt von Viren und Seuchen"

Vor 50 Jahren erschien das erste Heavy-Metal-Album. Noch immer gilt die Musik als männlich, sexistisch und konservativ. Ein überholtes Bild, erklärt der Kulturwissenschaftler Jörg Scheller in seinem aktuellen Buch "Metalmorphosen". "Metal ist flexibel und vielfältig", sagte er im Dlf.

Jörg Scheller im Corsogespräch mit Susanne Luerweg | 25.05.2020
Dave Mustaine, singer and guitarist of American heavy metal band Megadeth, performs during their concert, on February 14, 2020, in Prague, Czech Republic.
Die Coronakrise könne die Metal-Gemeinde nicht schocken, so der Kulturwissenschaftler Jörg Scheller - diese sei schon immer mit apokalyptischen Szenarien vertraut gewesen. (Im Bild: Dave Mustaine, Sänger und Gitarrist der Band Megadeth) (imago-images / imago images / CTK Photo)
Weiße Männer mit langen Haaren bearbeiten in bestialischer Weise ihre Gitarren - alles Handarbeit versteht sich. Das ist eines der gängigen Klischees über Metalbands. Dies stimmt so schon lange nicht mehr, sondern "Metal ist eine Spielart unter vielen", sagte der Kulturwissenschaftler Jörg Scheller im Deutschlandfunk.
Seit 50 Jahren hat sich die Musik immer wieder gewandelt und hat viele Stile überlebt. "Metal ist langlebiger als andere Stilrichtungen der Popmusik, ähnlich wie Hip-Hop."
"Härte als Zusammenhalt"
In seinem Buch "Metalmorphosen - die unwahrscheinlichen Wandlungen des Heavy Metal" zeichnet Scheller die Geschichte des Genres nach, erzählt von den Anfängen und blickt auf das Heute.
"Metal ist flexibel und vielfältig, ein Resonanzraum für aktuelle Fragestellungen und Trends. Und was das alles zusammenhält ist die Härte." Heavy Metal, so Scheller, konnte sich vor allem deshalb so frei entfalten, "weil man von außen so ein bisschen abschätzig draufguckte".
Mutiges Bekenntnis
Während Punk und Pop stark von der Kunstszene beeinflusst waren, kam Metal aus der Arbeiterbewegung. "Metal gab einem keinen Bonus im Kunst- und Intellektuellenmilieu, deshalb hat er mehr Mut erfordert."
Wir haben noch länger mit Jörg Scheller gesprochen - hören Sie hier die Langfassung des Corsogesprächs
In Coronazeiten sei Metal ohnehin die perfekte Musik, erklärte Jörg Scheller. "Metal hat sich immer gegen das Positive Thinking gewendet. Im Heavy Metal wimmelt es von Viren, Seuchen und von Pandemien. Wer mit Metal aufgewachsen ist, der wächst mit einem apokalyptischen Grundfeeling auf und ist nicht überrascht, wenn eine Pandemie über uns herreinbricht."
"Apokalypse immer im Vordergrund"
In dem Genre der Metal Music war die Apokalypse immer in den Vordergrund gerückt, sagte Scheller und deshalb könne Corona die Anhänger auch nicht so schocken. "Metaller haben das immer schon kommen sehen."
Äußerungen unserer Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Jörg Scheller: "Metalmorphosen - Die unwahrscheinlichen Wandlungen des Heavy Metal"
Frank Steiner Verlag Stuttgart, 2020. 286 Seiten, 24 Euro.