Samstag, 20. April 2024

Archiv

Coronakrise in Frankreich
Regierung verspricht zu klotzen

Durch die Coronakrise dürfte das Bruttoinlandsprodukt Frankreichs laut Finanzminister Bruno Le Maire in diesem Jahr um acht Prozent fallen. Das Hilfsprogramm der Regierung ist für das Land ein großer Kraftakt. Doch die Regierung hat weitere Ideen, wie die Wirtschaft wieder flott zu kriegen sei.

Von Suzanne Krause | 17.04.2020
Eine Frau mit Mund-Nase-Schutz vor dem Pariser Eiffelturm
Die Ausgangssperren in Frankreich wurden bis Mitte Mai verlängert (MAXPPP/tatif/Wostok)
Die Champs-Elyées, als weltweit schönste Avenue gerühmt, sind menschenleer. In einem östlichen Vorort tummeln sich am helllichten Tag Rehe. In den engen Gassen des Mont Saint Michel, sonst tagein, tagaus touristischer Wallfahrtsort, ist derzeit nur Vogelgezwitscher zu hören. Die ungewohnte Stille dürfte bis Mitte Mai anhalten: So lang gilt, vorerst, die strikte Ausgangssperre.
Offen sind Lebensmittelgeschäfte, Apotheken und Banken, dicht bleiben alle anderen Läden, ebenso wie Schulen, Kulturstätten und sonstiges. Eine Stunde Spaziergang ist pro Tag erlaubt, mit eidesstattlicher Erklärung, Joggen im Pariser Großraum tagsüber verboten. Das öffentliche Leben liegt komplett brach, mit verheerenden Folgen für die Wirtschaft. Das Bruttoinlandsprodukt dürfte laut Finanzminister Bruno Le Maire dieses Jahr um acht Prozent fallen.
33D-Modell des Coronavirus SARS-CoV2
Alle Beiträge zum Thema Coronavirus (imago / Rob Engelaar / Hollandse Hoogte)
Die Regierung in Paris hat ein Hilfsprogramm in Höhe von 110 Milliarden Euro aufgelegt. Weit niedriger als das in Deutschland, doch für Frankreich ein Kraftakt sondergleichen. Denn hier ist, anders als in der Bundesrepublik, die Haushaltslage bei Staat, Kommunen und Privatwirtschaft seit langem angespannt. Obgleich es Macron gelungen ist, die Arbeitslosigkeit zu senken, sagt Patrick Brandmeier, Geschäftsführer der Deutsch-Französischen Industrie- und Handelskammer in Paris.
Regierung übernimmt 84 Prozent des Nettolohns
"Aber aufgrund der ganzen Aktionen der Gelbwesten, aber auch der ganzen Streikbewegung, die wir jetzt im Rahmen der Pensionsversicherung gesehen haben, Reformbestrebungen, haben sich leider eben hier im Nachklang die Ausgaben, die Staatsausgaben auch erhöht. Das heißt, auch hier sehen wir, dass sowohl der französische Staat, aber auch die französischen Unternehmen sich in einer deutlich schlechteren Verfassung befinden, sprich: Letztlich auch verwundbarer sind."
Dennoch hat auch in Frankreich die Regierung beschlossen, zu klotzen. Insbesondere betreffs der Kurzarbeit, die nun acht Millionen Arbeitnehmer betrifft. Mittwoch Abend erklärte der Haushaltsminister, Gérald Darmanin, im öffentlich-rechtlichen TV-Sender France 2:
"Der Staat übernimmt die Lohnkosten und zahlt 84 Prozent des Nettolohns, weit mehr als jedes andere westliche Land."
Frankreich ist zudem weltweit das beliebteste Reiseziel, 2018 kamen 89 Millionen Touristen. Doch derzeit ist noch nicht mal ein Café auf. Bei seiner Ansprache am letzten Montag kündigte Staatspräsident Emmanuel Macron an:
"In Kürze wird ein Plan für die dauerhaft betroffenen Sektoren aufgelegt, wie Tourismus, Hotel- und Gaststättengewerbe, Kultur- und Veranstaltungsbereich. Ihnen werden die Sozialabgaben erlassen und spezifische Hilfen angeboten."
"Beim Wiederaufschwung im Land kann jeder eine Rolle spielen"
Schon jetzt ist die Haushaltsverschuldung auf 115 Prozent des Bruttoinlandsprodukts hochgeschnellt. Um die Wirtschaft wieder flott zu kriegen, meinte kürzlich der Präsident des Arbeitgeberverbands MEDEF, dass die Franzosen länger arbeiten und eventuell auf Urlaubstage verzichten müssten. Der Vorschlag sorgte für so viel Aufregung, dass er sofort wieder vom Tisch war. Auch Minister Darmanin erklärte im Fernsehen, es stehe nicht zur Debatte, soziale Errungenschaften anzuknabbern.
"Beim wirtschaftlichen Wiederaufschwung im Land kann jeder eine Rolle spielen. Die Verbraucher, indem sie französische Agrarprodukte kaufen. Die großen Unternehmensbosse, wenn sie auf einen Teil ihres Gehalts verzichten. Die Konzerne, die nun staatliche Hilfe erhalten, indem sie vorerst keine Dividenden auszahlen."
Der Appell findet Echo: Beim Autofabrikanten Renault verzichten die beiden Geschäftsführer auf ein Viertel ihres Gehalts, zudem storniert das Unternehmen die diesjährige Dividendenzahlung, genau wie unter anderem der Energiekonzern Engie, während Reifenfabrikant Michelin und Véolia, Weltmarktführer im Bereich Wasserversorgung und Abfallentsorgung, die Dividenden drastisch reduzieren. Sicher auch wegen des verlängerten Shutdowns: Die Unternehmen müssen ihr Geld beisammenhalten.