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Tarifverhandlungen
Keine Einigung in der Chemieindustrie

Die Gewerkschaften der Chemieindustrie haben sich in der aktuellen Tarifrunde nicht mit den Arbeitgeberverbänden einigen können. Die Parteien liegen vor allem bei der Einschätzung der wirtschaftlichen Lage weit auseinander. Weiteres zentrales Thema in den Verhandlungen ist die Ausbildung.

Von Alexander Budde | 14.06.2016
    Schiffe fahren auf dem Rhein am Chemie- und Pharmakonzern Bayer in Leverkusen vorbei.
    Der Chemie- und Pharmakonzern Bayer in Leverkusen. (picture alliance / dpa / Martin Athenstädt)
    Im Ton freundlich und nervlich gefasst verkündeten die Parteien die Vertagung:
    "Wir sind jetzt noch nicht so weit, dass wir sagen können: Wir sind klar, wie wir Punkte jetzt auch bewerten," sagt der Verhandlungsführer der Chemie-Arbeitgeber, Georg Müller - und Peter Hausmann, Vorstand der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IGBCE) stellt fest:
    "Wir sind zu keinem Ergebnis gekommen, wir haben uns vertagt."
    Vor allem bei der Einschätzung der wirtschaftlichen Lage der Branche liegen beide Seiten weit auseinander: Die Gewerkschaft sieht Spielräume für eine kräftige Erhöhung der Entgelte. Sie hält für die bundesweit rund 500.000 Tarifbeschäftigten in der Chemie-Industrie ein Plus von fünf Prozent für angemessen. Hausmann begründet das mit dem Nachholbedarf: Die Unternehmen seien in der Breite gut aufgestellt, viele - wenn auch nicht alle - profitierten vom geringen Ölpreis, die günstige Zinslage und der schwache Wechselkurs des Euro wirkten in der auf den Export orientierten Branche wie ein kleines Konjunkturpaket, mithin seien die Gewinne auf der Kapitalseite seit Jahren gestiegen, was sich an den üppigen Gewinnen von Branchengrößen wie Continental, BASF und Bayer ablesen lasse. Peter Hausmann:
    "In der Branche sind die Zeichen nach wie vor sehr gut, von daher ist der Grundsatz erst mal, dass genügend Geld verdient wird. Wir sehen auch, dass sehr viel dieses verdienten Geldes in Richtung Dividenden, in Richtung Kapitalseite fließt."
    Stabiles Wachstum - aber auf niedrigem Niveau
    Die Arbeitgeber ihrerseits sehen keine Spielräume für große Sprünge, der Bundesarbeitgeberverband Chemie, kurz BAVC, wertet die Geldforderung als unkalkulierbare Hypothek:
    "Wir haben eine Stagnation bei Produktion und bei Umsatz; wir haben eine Produktivität, die sich in den letzten Jahren ins Minus bewegt hat; wir haben eine historisch niedrige Inflation, die dazu führt, dass auch moderate Lohnerhöhungen deutliches Realplus ausweisen und wir haben Tarifentgelte, die sich in den letzten Jahren sehr gut entwickelt haben - aber auch entkoppelt von der Produktivität und der wirtschaftlichen Lage entwickelt haben."
    Das Wachstum sei zwar stabil, aber auf niedrigem Niveau - und in 2016 sei kaum mehr als ein mageres Plus von 1,5 bis 1,6 Prozent zu erwarten. Kaum geeignet also, um große Forderungen aufzustellen.
    "Man geht sozialpartnerschaftlich miteinander um"
    Ein weiteres, allerdings nicht zentrales Thema am Verhandlungstisch ist die Ausbildung. Hier hat es eine Annäherung gegeben. Die Branche müsse mehr tun, um in Zeiten sinkender Schülerzahlen und mangelnder Fachkräfte attraktiv zu bleiben, stellen die Tarifparteien fest. Immerhin werde gegenwärtig knapp die Hälfte der Auszubildenden übernommen.
    Im Vorjahr hatte die IG BCE 2,8 Prozent mehr Geld in der Lohntüte und im sogenannten Demografievertrag weitere Zahlungen für Altersvorsorge und Altersteilzeit erstritten.
    In der drittgrößten Industriebranche des Landes gehen die Tarifverhandlungen traditionell vergleichbar geräuschlos über die Bühne. Georg Müller vom BAVC blickt mit Zuversicht auf die nächste Begegnung:
    "Ich glaube, was die Chemiebranche auszeichnet, ist, dass man sozialpartnerschaftlich miteinander umgeht."
    Diesmal dürfte das Ringen gleichwohl noch etwas zäher sein als in früheren Runden. Die nächste ist für den 22. Juni im rheinland-pfälzischen Lahnstein vorgesehen.