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Tatort statt Sport
Was machen ARD und ZDF im Sommer?

Im Sommer laufen im Fernsehen vor allem Wiederholungen und Sport. Da in diesem Jahr Großereignisse wie die Fußball-EM und die Olympischen Spiele ausfallen, sind noch mehr Programmstunden zu füllen. Zu befürchten ist ein Festival der Wiederholungen.

Von Michael Meyer | 06.07.2020
Das Logo der ARD-Reihe "Tatort"
13 Wochen Tatort-Wiederholungen sollen einige Programmlücken füllen. (dpa/ Revierfoto)
Aus der Not eine Tugend machen, so könnte man das "Tatort-Voting" der ARD nennen: Den ganzen Sommer über soll das Publikum sich seine Lieblingskrimis aus der Reihe aussuchen. Viele Zuschauer nahmen gleich am ersten Voting teil. Trotz der Beliebtheit der Aktion ist die CDU-Bundestagsabgeordnete Elisabeth Motschmann nicht zufrieden mit den vielen Wiederholungen im Sommer:
"Also 13 Wochen Tatort – und zwar keine Neuen, sondern Wiederholungen – das müsste nicht sein. Hin und wieder gehe ich auch in Spielfilme rein und dann stelle ich schnell wieder aus, weil ich kenne sie schon. Ich bedauere, dass wir eine Vielzahl von Krimis gesendet bekommen, was ich finde, dass das nicht nötig ist."

Wiederholungen statt neue Formate

Auch dass Plasberg und Co. acht Wochen Pause machen – Anne Will sogar elf Wochen – kritisiert Motschmann: "Dann kann man doch mal jüngere Journalisten und Moderatoren heranziehen, die sich auch mal ausprobieren und man könnte auch mal wirklich andere Talkgäste einladen als die immer gleichen."
Im ZDF wird das zumindest ansatzweise versucht. Die Talk-Sendung "Dunya Hayali" ist ein Produkt eines Testlaufs im Sommer vor einigen Jahren mit zuweilen ungewöhnlicheren Gästen.
Im Studio der Anne Will-Talkshow sitzt die Moderatorin mit vier Gästen. Eine Expertin ist per Video zugeschaltet.
Die Talkshow Anne Will ist bis Anfang September in Sommerpause. (Imago Images / Jürgen Heinrich)
Nun ist die Kritik an den Wiederholungen im Sommer nicht neu. In diesem Jahr, rechtfertigt sich ARD-Programmdirektor Volker Herres, sei die Programmgestaltung besonders herausfordernd:
"Es ist ja so: Auch in Nicht-Sportjahren werden in den Sommermonaten mehr Wiederholungen gezeigt, als sonst. Das hat seinen Grund darin, dass im Sommer der Fernsehkonsum ja deutlich geringer ist. Wie sich die Corona-Krise in diesem Sommer da auswirken wird, das können wir noch nicht abschließend absehen. Da wir aber aus Kostengründen nicht beliebig viele Neu-Produktionen in Auftrag geben können, müssen wir also zwangsläufig irgendwann Wiederholungen einsetzen."

Mehr freie Sendezeit, aber gleiches Budget

In diesem Jahr kommen mehrere Umstände zusammen: keine Olympischen Spiele und kein Fußball, also mehr Stunden, die zu füllen sind – aber nicht mehr Geld für Produktionen. Im Übrigen sind manche Sendungen, wie Diskussionsrunden mit Studiopublikum und Außenübertragungen, in Corona-Zeiten nur schwierig umzusetzen.
Immerhin laufen in der ARD eine Reihe von hochwertigen Reportagen, beispielsweise "ARD exclusiv" und viele Spielfilme als Erstausstrahlungen. Auch das "Filmdebüt", eine Reihe von Produktionen junger Regisseure und Regisseurinnen, wird in diesem Jahr neu aufgelegt. Nicht alles ist also aus dem Archiv. Und zumindest in diesem Segment bekommt der Nachwuchs eine Spielfläche.

Lücken werden "maximal unkreativ" gefüllt

Und dennoch würde sich Jürn Kruse, Redaktionsleiter der medienkritischen Website "Übermedien" ein paar ungewöhnlichere Sendungen, die die Lücken füllen, wünschen:
"Ich habe auch das Gefühl, sie gehen maximal unkreativ an die Sache. Da frage ich mich, warum man nicht den jungen Programmmachern und Programmmacherinnen, also denen, die im Digitalen Programm machen, mal populärere Sendeplätze gibt. Steuerung F – es gibt so viele Dinge, die bei funk oder von den Dritten Programmen kommen, die im linearen Programmen so ein bisschen untergehen oder auch gar nicht vorkommen. Ich hätte auch gesagt, man müsste auch vielleicht nicht alle Polittalks in die Sommerpause schicken."
Eine Filmklappe, wie sie bei Dreharbeiten verwendet wird
"Die Chance, kreativ zu sein, ist da"
Angesichts wegfallender Sport-Übertragungen erwartet DWDL-Chefredakteur Thomas Lückerath mehr Wiederholungen bei ARD und ZDF. Doch die Coronakrise könne auch positive Folgen haben.
Dass derzeit trotz Corona alle Talkshows zeitgleich pausieren, wurde schon in vergangen Jahren von Zuschauern und Kritikern moniert. Was die Länge der Talkshow-Pause angeht, so müsse man auch hier berücksichtigen, so Volker Herres, dass man aus Kostengründen nicht beliebig mehr Sendungen machen könne. Daher behelfe man sich derzeit mit anderen Formaten:
"Im Augenblick ist es so, dass wir das Informationsbedürfnis der Zuschauer bezüglich Corona mit unseren Nachrichten und den Reportagesendungen sowie den ARD-extra Ausgaben ganz gut bedienen können. Sollten sich hier dramatische neue Entwicklungen abzeichnen, dann wäre es aber selbst in Urlaubszeiten natürlich möglich fallweise mit Sonderausgaben einzelner Talks zu reagieren.

Neun Stunden Fußball pro Tag im Jahr 2008

Und doch: auf neue Formate, neue Ideen wird das Publikum in diesem Sommer vergeblich warten. Die Menge an Programmflächen, die durch den Wegfall der Sport-Events frei wurden, werden mit vielen Wiederholungen alter Fernsehfilme gefüllt.
Medienjournalist Jürn Kruse erzählt, dass er nach der Fußball–EM 2008 eine wissenschaftliche Studie mitverfasst hatte, die untersuchte, wie groß der Anteil der Fußballberichterstattung bei ARD und ZDF an den jeweiligen Spieltagen war. Das Ergebnis: jeweils knapp neun Stunden beschäftigten sich die öffentlich-rechtlichen Programmmacher mit Vor- und Nachberichten, und natürlich mit den Spielen selbst:
"Das ist eine lange Strecke, wo ich mich frage, wie ARD und ZDF die eigentlich füllen sollten. Außer zumindest auch mit Wiederholungen, denn wir wissen alle, jetzt fiktionale Stoffe drehen, das ist auch gerade schwierig. Aber ich finde diese Zahl, dass es neun Stunden 2008 waren, finde ich einfach schon viel."