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Tattoos
Aluminium unter der Haut

Welche Schäden Aluminium dem menschlichen Körper zufügt, ist noch nicht klar. Einige Studien bringen Brustkrebs und Alzheimer in Verbindung mit dem Leichtmetall. Das Chemische Untersuchungsamt in Münster hat nun in Tätowierfarbe kleine Mengen von Aluminium gefunden. Unter die Haut gespritzt kann sich das Aluminium dort ungehindert verteilen.

Von Volker Mrasek | 15.03.2016
    Ein Mann lässt sich ein Tattoo stechen.
    Ein Mann lässt sich ein Tattoo stechen. (dpa/ picture-alliance/ Bodo Marks)
    Das Bundesinstitut für Risikobewertung rät Verbrauchern im Fall von Aluminium, lieber vorsichtig zu sein:
    "Nehmt nicht uneingeschränkt Anti-Transpirantien, sondern achtet darauf, was auf den Verpackungen steht. Und versucht, den Aluminium-Eintrag ein wenig zu reduzieren. dass man einfach weniger exponiert ist mit Aluminium."
    Eine Empfehlung von Alfonso Lampen, dem Leiter der Abteilung für Lebensmittelsicherheit in der Berliner Fachbehörde.
    Jetzt stellt sich heraus: Neben Kosmetika und Lebensmitteln gibt es eine weitere, bisher unbekannte Quelle für das Leichtmetall. Aluminium ist auch in Tätowiermitteln enthalten. Das ergaben Analysen des Chemischen Untersuchungsamtes in Münster. Christophe Goldbeck ist dort für Kosmetika und Bedarfsgegenstände zuständig. Auf einer Fachtagung der Lebensmittelchemischen Gesellschaft in Mönchengladbach berichtete er jetzt ...
    "... dass wir Gehalte bis fast 10.000 Milligramm pro Kilogramm in einzelnen Tätowiermitteln finden konnten. Also ein Gramm pro hundert Gramm - ein Prozent. Das sind schon relativ hohe Konzentrationen. Das hat uns schon sehr überrascht."
    Jede fünfte Probe betroffen
    40 verschiedene Tätowiermittel untersuchte Goldbecks Arbeitsgruppe im Labor. Die Produkte stammten aus dem Handel, von Importeuren und aus Tattoo-Studios in Münster und Umgebung. Jede fünfte Probe enthielt dabei größere Mengen Aluminium im Gramm-pro-Kilogramm-Bereich, ...
    "... aber die waren nicht in der Liste der Bestandteile aufgeführt, diese Aluminiumverbindungen."
    Wer sich ein Tattoo stechen lässt, ahnt also nichts davon, dass mit der Farbe unter Umständen auch Aluminium direkt unter die Haut gespritzt wird. Das sei dann zwar nur ein einmaliger Effekt, wie Goldbeck sagt - anders als zum Beispiel bei Aluminium-haltigen Achselsprays, die viele Verbraucher täglich benutzen ...
    "Nun muss man aber auch wissen, dass bei der Tätowierung die natürliche Schutzfunktion der Haut, die Barrierefunktion, komplett verlorengeht. Und dass jetzt auch diese Farben unter die Haut gehen und sich dort verteilen können."
    Und mit ihnen auch das Aluminium, wenn es im Tätowiermittel vorkommt.
    "Allerdings liegen mir hierzu keine toxikologischen Daten vor, um das abzuschätzen zu können, wie es sich denn weiter im Körper verhalten würde, wenn es einmal die Hautbarriere passiert hat."
    Bislang keine Anwendungsbeschränkung für Aluminium
    Das ist das Problem: Welchen Schaden Aluminium im menschlichen Körper verursacht, ob es tatsächlich eine Verbindung zu Demenzerkrankungen und Brustkrebs bei Frauen gibt, wie Studien andeuten - das ist noch nicht hinlänglich geklärt. Einstweilen bestehen keine Anwendungsbeschränkungen.
    "Aluminium gehört nicht zu den verbotenen Stoffen. Dahingehend konnten wir es also nicht beanstanden. Wir können auch keine Gefährdung nachweisen. Das Einzige, worüber wir dann eine Beanstandung ausgesprochen haben, ist, dass die Kennzeichnung eben unvollständig war. Die Hersteller haben das zur Kenntnis genommen. Und sie sind dabei, darauf zu reagieren, weil die Ergebnisse zu Aluminium ja noch frisch sind."
    Die Mehrzahl der Tattoo-Farben auf dem Markt stammt aus den USA und aus China. Warum manche von ihnen Aluminium enthalten, kann der Lebensmittelchemiker nicht so ohne weiteres sagen. In technischen Anwendungen werde das Leichtmetall zum Aushärten von Farben und Lacken benutzt, ...
    "… aber ob das unter der Haut wirklich Sinn macht, ist natürlich auch erstmal fraglich."
    Auffällig ist die Verbindung zu einem anderen Inhaltsstoff. Laut Goldbeck enthielten die Tattoo-Farben mit den höchsten Aluminium-Gehalten auch immer Schelllack, das man von Schallplatten kennt. Es ist ein Beschichtungs- und Bindemittel.
    Für Verbraucher kann das ein Anhaltspunkt sein, solange Aluminium noch nicht auf den Zutatenlisten von Tätowiermitteln aufgeführt ist ...
    "Ich glaube, wichtig ist, dass die Hersteller und Importeure sensibilisiert werden, dass sie die Zutatenliste vollständig ausfüllen. Und dann darf der Verbraucher und kann er natürlich auch selber entscheiden, in welche Richtung er gehen will. Ob er eben halt auf Aluminium verzichten will oder eben halt nicht."
    Noch hat Christophe Goldbeck die neuen Befunde nicht publiziert. Das soll im kommenden Jahresbericht des Münsteraner Untersuchungsamtes geschehen.
    "Das entscheidende Fazit ist: Es besteht noch Forschungsbedarf. Und dass man dieser Sache auf jeden Fall nachgehen sollte."