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Tauwetter in Venezuela

Lange Zeit war das Verhältnis zwischen der katholischen Kirche und der sozialistischen Regierung Venezuelas unter Präsident Hugo Chavez äußerst frostig. Doch nun, urz vor den anstehenden Wahlen, sucht der Präsident den Dialog mit der Kirche.

Von Tobias Käufer | 03.08.2012
    Caracas, Venezuela: Militärbischof Hernan Jose Sanchez betet gleich zu Beginn eines Gottesdienstes für die Gesundheit von Staatspräsident Hugo Chavez. Der sozialistische Regierungschef ist seit 13 Jahren im Amt. Wie viele Jahre noch dazu kommen, ist derzeit offen. Chavez ist an Krebs erkrankt, trotzdem will er im Oktober bei den Präsidentschaftswahlen wieder antreten. Der Commandante, wie ihn seine Anhänger nennen, macht schwere Zeiten durch. Die Krankheit hat ihn gezeichnet. Chemotherapien ließen ihm die Haare ausfallen. Doch jetzt, wo der Präsident in der Kirchenbank der Militärkapelle sitzt, wird deutlich: Zumindest optisch scheint er sich rechtzeitig vor Beginn der heißen Phase des Wahlkampfes erholt zu haben. Aus dem scharfen Kirchenkritiker von einst ist ein Kirchgänger geworden. Bevor Chavez aus der Bibel vorliest, gewährt er den Zuhörern einen kurzen Einblick in sein Seelenleben:

    "Geliebte Bischöfe, Geistliche und Landsleute. Sie sehen mich heute mit der größtmöglichen Demut vor Gott und Christus."

    Es sind neue und vor allem ruhige Töne, die der Sozialist und Katholik Hugo Chavez im Umgang mit der Kirche anschlägt. Jahrelang waren die Beziehungen zwischen der Regierung und den katholischen Bischöfen auf Eis gelegt. Vor allem, nachdem die Kirche der Chavez-Regierung vorwarf, das Land mehr und mehr in eine Diktatur zu führen, herrschte Funkstille zwischen dem Präsidentenpalast und der Bischofskonferenz. Auf dem Höhepunkt der Krise führte Chavez die katholischen Würdenträger öffentlich vor. Im Parlament richtete er 2008 unter dem Jubel seiner Anhänger das Wort direkt an den päpstlichen Nuntius auf der Zuhörertribüne, nachdem ein oppositioneller Student Zuflucht in der Nuntiatur gesucht hatte:

    "Der Herr Nuntius ist ja hier. Die Kirche sollte über sich nachdenken, denn Sie beherbergen in der Nuntiatur einen Kriminellen. Verstehen Sie, Herr Nuntius, einen Kriminellen. Die katholische Kirche schützt einen Kriminellen. Denken Sie darüber nach. Übergeben Sie den Kriminellen an die Gerichte, damit er sich den venezolanischen Gesetzen stellen kann. Die Stimme des Volkes ist die Stimme Gottes. Das Volk, das ist der wahre Gott."

    Auch mit dem Vatikan lag Chavez über Kreuz. Die Kritik von Kardinal Jorge Urosa, damals Vorsitzender der venezolanischen Bischofskonferenz, traf den Nerv des Präsidenten. Chavez forderte die Ablösung des Erzbischofs von Caracas und forderte indirekt den Papst auf, stattdessen einen Bischof zum Kardinal zu ernennen, dem eine Nähe zu Chavez nachgesagt wird.

    "Ich habe meinen eigenen Kandidaten. Er ist einer, der auf keiner Seite steht. Er ist kein Chavista. Aber wäre ein Superkardinal. Der nächste Kardinal muss Mario Moronta sein, weil er es verdient hat."

    Doch seit Chavez an Krebs erkrankt ist, sucht der Präsident wieder die Nähe der Kirche. Er besucht Dankgottesdienste für gelungene Operationen und legt religiöse Versprechen ab. Vor ein paar Wochen kam es auch offiziell zu einer Annäherung der einstigen Streithähne. Eine hochrangig besetzte Regierungsdelegation besuchte die Bischöfe, Chavez ließ sich telefonisch zuschalten. Es war das erste direkte Zusammentreffen seit Jahren. Chavez' Stellvertreter, Vizepräsident Elias Jaua, zieht nach den ersten direkten Gesprächen zwischen den Spitzen der Regierung und der Kirche ein positives Fazit. Denn der Sozialist hat eine inhaltliche Gemeinsamkeit mit der Kirche gefunden – auch wenn er rhetorisch sofort wieder in den Wahlkampfmodus umschaltet:

    "Wir sind sehr zufrieden, dass wir hier sein können. Wir hoffen, dass sich diese Beziehungen weiter normalisieren und dass die katholische Kirche mit ihren Autoritäten, ihren Einrichtungen und ihrer Arbeit jeden Tag das venezolanische Volk noch mehr unterstützen wird. Wir hoffen, dass sie bei der großen Herausforderung des kommenden Jahrzehnts, der kompletten Beseitigung der Armut auf unserer Seite steht."

    Die katholische Kirche bleibt derweil zurückhaltend. Der Vorsitzende der venezolanischen Bischofskonferenz, Erzbischof Diego Padron, kritisiert den Umgang der Regierung mit dem Gesundheitszustand des Präsidenten und wirft ihr Geheimniskrämerei vor:

    "In einer Demokratie ist es normal, dass die Bürger umfassend und ehrlich über den Gesundheitszustand des Präsidenten informiert werden. Egal ob in England oder in anderen Demokratien, überall wird ehrlich über den Gesundheitszustand der Regierenden informiert."

    Trotzdem sieht Erzbischof Diego Padron spürbare Fortschritte im Verhältnis zur Regierung Chavez. Ob es sich nur um ein Wahlkampfmanöver von Chavez handelt, um die Stimmen der traditionell katholischen Venezolaner zu gewinnen, lässt Padron unkommentiert. Er ist zunächst einmal froh, dass Kirche und Regierung überhaupt wieder miteinander reden.

    "Das Verhältnis zur Regierung ist wieder gut. Wir haben erreicht, dass wir uns gemeinsam an einen Tisch setzen und wieder miteinander reden. Das ist ein sehr positiver Punkt. Es werden zwei hohe Repräsentanten der Regierung zu unserer nächsten Versammlung kommen. Ich kann Ihnen noch nicht sagen welche, aber sie werden dabei sein."