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Berliner Forscher entwickeln 'weiche' Roboterhand

Es gibt nicht vieles, was einzigartiger ist als die menschliche Hand. Wie sie Dinge greift und berührt - ob sanft oder hart, schnell oder langsam. Was im Laufe der Evolution entstand, ist nur schwer zu kopieren. Doch genau das ist das Ziel der Fakultät Elektrotechnik und Information an der TU Berlin.

Von Peter Kaiser | 16.04.2015
    "Ich habe hier eine pneumatische, weiche Roboterhand, die durch Luftdruck betrieben ist, und wenn ich mehr Luft reinlasse, greift die Hand zu. Wenn ich Luft ablasse, öffnet sie sich wieder."
    Arne Siverling, wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Berliner Technischen Universität, platziert in einem Regal ein Plüschtier, eine Schachtel und eine Flasche in jeweils unterschiedlichen Fächern und Griffhöhen. Die aus Silikon hergestellte Roboterhand, die aussieht wie eine von einem blauen Müllsack umwickelte Menschenhand, öffnet sich."
    "Und da die Hand weich und aufblasbar ist, passt sie sich dem Objekt an. Und dann kann ich damit diese Flasche greifen."
    "Die Roboterhand ist ein Zwischenergebnis des SOMA-Projektes, das von der EU mit rund 1,7 Millionen Euro gefördert wird. SOMA steht für Soft Manipulation, also jene gefühlvollen menschlichen Interaktionen, bei denen wir Türklinken drücken, einen Bleistift greifen, Schlüssel in Schlüssellöcher stecken und drehen und so weiter. Ziel der Berliner Forscher und ihrer europäischen Partner ist die Kopie dieser menschlichen Fähigkeit. Doch da ist noch viel zu tun, sagt SOMA–Koordinator Oliver Bock. Er leitet an der TU Berlin das Labor für Robotik und Biologie.
    "Die große Schwierigkeit ist die Wahrnehmung. Bei der Wahrnehmung ist es so, dass man im alten Paradigma, also dort, wo es harte, steife Roboterhände aus Metall gibt, ein sehr präzises Modell der Umwelt erwerben muss, um genau festzustellen, wo müssen meine harten Hände jetzt auf dieses Objekt treffen, damit ich das erfolgreich greifen kann. Das ändert sich, wenn man weiche Hände macht, weil die weichen Hände sich sowohl der Umwelt, als auch dem Objekt anpassen können."
    Im Labor demonstriert Arne Sieverling die Schwierigkeiten einer computergestützten weichen Roboterhand. Die Hand greift nach einem grünen Plüschtier im Regal.
    "Was wir jetzt hören ist das gleiche Aufblasgeräusch wie vorher, dazu das mechanische Klacken der Ventile. Der Vorteil ist, dass wir mit der weichen Hand auch Objekte wie dieses Plüschtier hier sehr einfach greifen können, ohne dass wir wissen wie es aussieht oder dass wir ein genaues Modell davon haben. Die Hand passt sich dem Objekt an."
    "Die größte Herausforderung ist, dass diese Herangehensweise an Manipulation derart neu ist, dass wir erst mal explorieren müssen, erst mal verstehen müssen: Was sind hier die Prinzipien, die wirklich Erfolg bestimmen, die die Greifmöglichkeiten beschreiben können? Also wir stehen im Grunde genommen ganz am Anfang dieser neuen Sicht auf Manipulation."
    Die harten Roboterhände, die heute noch in der Fertigungstechnik dominieren, agieren in einer total kontrollierten Umwelt. Jede ihrer Bewegungen ist durch Algorithmen klar definiert. Bei einer Roboterhand mit fünf Fingern sind dazu für jeden zu greifenden Gegenstand komplizierte Berechnungen nötig. Die weichen Hände aus Berlin reduzieren den Rechenaufwand erheblich, weil das nachgiebige Material einen Großteil der Arbeit von selbst erledigt.
    "Die Hände, die wir bauen, operieren im Grunde genommen nach dem Prinzip eines Blasebalgs, eines Luftballons, der aufgeblasen wird, der aber nicht in alle Richtungen gleichmäßig sich ausdehnt, sondern der sich in bestimmte Richtungen mehr ausdehnt als in andere, und daher sich krümmt, und sich um ein Objekt sich anschmiegen kann. Das heißt, die eigentliche Kontrolle, wie der Finger oder die Hand sich exakt bewegt, wird an das Material ausgelagert. Wie ein Luftballon, den man aufbläst, wenn man ihn in eine Flasche gesteckt hat, und sich der Luftballon der Form der Flasche anpasst. Genauso im umgekehrten Sinne ist es, dass sich die Hand dem Objekt anpasst, das es greift. Und das muss man nicht konkret berechnen oder planen, sondern das entsteht allein durch die Materialeigenschaften der Hände."
    Diese Materialeigenschaften sind für die Berliner Forscher Vorteil und Herausforderung zugleich. Denn die weiche Roboterhand muss wie die menschliche Hand schon vorher erkennen und wissen, was sie greift.
    "Wenn wir die Hand mit Sensoren ausstatten, kommen noch weitere Schichten dazu, eben die Schichten, die mit Sensoren ausgestattet sind. Und es wird auch ein Teil der Aufgabe in diesem Projekt sein zu untersuchen, wie wir durch verschiedene Wandungen, verschiedene Wandstärken, die Eigenschaften der Hand beeinflussen können, so dass sie besser greifen kann."
    Sensorik, Design, Software und Hardware: Das SOMA-Projekt betritt vielerorts Neuland. Oliver Bock reagiert deshalb verhalten auf die Frage, wann die nachgiebige Roboterhand einem Menschen herzlich die Hand schütteln könnte.
    "Bis wir ein System haben, das den menschlichen Manipulationsfähigkeiten auch nur annähernd ähnliche Fähigkeiten aufweisen kann, das wird noch mindestens Jahrzehnte dauern."