Es wird unglaublich oft gefrühstückt in diesem Buch, die Toasts türmen sich wie einst die Muscheln in Birgit Vanderbekes Familientragödie "Das Muschelessen". Beim Lesen von "Teflon" drängt sich mit der Zeit der unangenehm reaktionäre Gedanke auf, dass der angestammte Platz deutscher Autorinnen nach wie vor die Küche sein könnte – von kurzen Intermezzi im Schlafzimmer abgesehen. Für letztere sorgt ein Mann, der Mutter und Töchter gleichermaßen in seinen erotischen Bann schlägt. Der Vater hat sich aus der Geschichte ohnehin schon länger mental verabschiedet. Die große Verwirrung setzt ein, als ein gewisser Stefan Braun und seine Frau zum Abendessen eingeladen sind. Hannah reagiert auf den Besucher, als sei er durch die Tür übergangslos in sie hineingekommen, wie die allwissende Erzählerstimme mitteilt.
Hannah spürt Stefans Hand auf ihrem Rücken als Feuerzeichen, als Beginn einer Initiation. Mit kühler Neugier und gleichzeitiger Sympathie für ihre gequälten Protagonistinnen beobachtet Annika Reich die weitere Handlung. Aus Kuchen, Geschnetzeltem und schimmernden Zitrusfrüchten im Obstkorb erschafft sie die ästhetische, doch enge Welt eines Stillebens. Hannahs Rebellion wird auf Gebrauchsgegenstände und auf das Wetter übertragen, in ihrer Phantasie sieht sie sich in himmelblauer Milch ertrinken. "Der Frühstückstisch ist ein Minenfeld", heißt es programmatisch. In ermüdender Ausführlichkeit beschreibt die Autorin die Körper, die sich täglich auf dieses Minenfeld begeben. Dabei bedient sie sich einer gesuchten Metaphorik, die ihren Anspruch auf Originalität demonstrativ vor sich her trägt. Ein Beispiel: "Sie hält den Toast umklammert, legt ihren Kopf darauf und atmet. Durch die Nase. Nach einer Weile wird das Meer zum See, und sie schafft es ans Ufer und zurück auf den Stuhl. Jetzt sitzt sie tropfnaß auf ihrem Stuhl und hält sich an Vaters Zahnabdruck im Toast fest – wie an einem letzten Gespräch."
Ob Stefan, der Verführer, bei Hannah tatsächlich zum Ziel kommt, bleibt bis zum Schluss ungewiss. Bei ihrer Schwester Nora und der angeblich gefühlskalten, von Teflon-Nervenbahnen durchzogenen Mutter hat er mehr Erfolg, was die sensible Tochter in Ohnmacht stürzt. Annika Reich hat mit ihrem Debüt, einem der unerschöpflichen sogenannten Körpertexte, sprachlich viel gewagt, doch sie ist stilistisch zu kurz gesprungen. Und so blickt man, frei nach Wilhelm Busch, stumm auf dem Frühstückstisch herum.