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Tegernsee
Flüchtlinge neben dem Kegelstüberl

In einer kleinen Gemeinde am Tegernsee werden Flüchtlinge in einer Turnhalle untergebracht – Wand an Wand mit der örtlichen Kegelbahn. Das sorgt für Unmut bei den Keglern: Sie wollen sich die Toiletten nicht mit den Flüchtlingen teilen und hegen rassistische Vorurteile.

Von Sammy Khamis | 26.05.2015
    Schild des "Kegelstüberls" in der Gemeinde Waakirchen
    Schild des "Kegelstüberls" in der Gemeinde Waakirchen (Deutschlandradio / Sammy Khamis)
    "Plötzlich tauchten Gespräche auf, wie: Da steht der Neger dann auf der Toilette. Oder: 'Dann können wir nicht mehr zum Auto in Ruhe gehen; jede Dame muss man zum Auto begleiten, weil der Parkplatz eben auch vor der Halle ist.'"
    Stefan Heufelder, Anfang 60, sitzt vor seinen drei Kegelbahnen. Niemand ist hier, der an diesem Abend die Kugeln über die Bahn jagd. Die Kundschaft bleibt in den letzten Wochen sowieso häufig aus. Zahlreiche Kegelgruppen haben ihm abgesagt, seit Ende April Flüchtlinge nebenan untergebracht sind. Wand an Wand mit der Kegelbahn – hier wachsen in Oberbayern rassistische Vorurteile.
    Aber bekommen die Flüchtlinge das mit? In der Unterkunft, nur durch eine Wand von der Kegelbahn getrennt, sitzt Ibrahim, 21 Jahre alt aus dem Senegal. Er lebt seit drei Wochen in der Gemeinde Waakirchen. Genauer im Keller der kleinen Turnhallte, in einem Raum, in dem eigentlich der Tischtennisverein untergebracht ist.
    21 Stockbetten auf 70 Quadratmeter
    Ibrahim habe in Waakirchen noch keinen Rassismus erfahren - Im Gegenteil, betont der Senegalese: die Leute seien nett, aufgeschlossen und grüßten ihn sogar. Und auch der 40-jährige Nazim aus Syrien fühlt sich hier wohl.
    Nazim führt mich einmal durch den zirka 70 Quadratmeter großen Raum und zählt die Stockbetten durch. Es sind 21. Darin schlafen drei Syrer, vier Eritreer, vier aus Mali und Somalia und sieben Männer aus dem Senegal.
    In Waakirchen sind sie nun alle zusammen. Hier, in einem Dorf am Tegernsee, wo die Fußpflegerin Helga heißt, die Heilpraktikerin Margit und die Friseurin Elisabeth. Idylle also, eigentlich. Denn Nazim kann nichts machen, sagt er, außer fernzusehen, zu essen und zu schlafen. Wenn es regnet habe er gar nichts zu tun. Jetzt steht Nazim mit seiner Daunenjacke vor der Tür und raucht.
    Dort wartet Günther Schmöller auf die Flüchtlinge. Der Pensionär hat seine Aktentasche und Deutschbücher unter dem Arm. Schmöller war Lehrer an der Volksschule in Waakirchen. Heute gibt er den Flüchtlingen Deutschunterricht. Der 65-jährige Lehrer distanziert sich ganz ausdrücklich davon wie die Gruppe der Kegler, aber auch andere Waakirchener mit den Flüchtlingen umgehen.
    "Was man so hört und liest erschrickt einen schon manchmal. Es ist zum Teil unterste Schublade. Zum Glück, das können wir schon sagen: Dass die Gegenseite auch da ist. Aber die Lautstärke mancher anderer Stimmen ist schon erschreckend."
    Der Bürgermeister der kleinen Gemeinde Waakirchen heißt Sepp Hartl. So bayrisch wie sein Name, ist auch seine Statur: Typ bayrisches-Barock. Für ihn sind Flüchtlinge in seiner Gemeinde herzlich willkommen.

    "Die Kegler sind mit den Asylbewerbern überhaupt nicht konfrontiert. Ich kann das gar nicht verstehen. Das ist ein Mensch, wie Du und ich. Bloß ist er dunkler. Und wenn ich von dem ausgehe: Ich habe das Glück ich bin hell. Und er hat das Pech gehabt: er ist dunkel. Und deswegen bleibt er trotzdem ein Mensch mit Herz und Seele. Von den Keglern habe ich nur mitbekommen, dass sie neben den Schwarzen oder neben den Asylbewerbern einfach nicht Kegeln wollen. Aber was mich geschockt hat, das waren die teilweise schon rassistischen Aussagen. Ich verstehe das nicht, dass man immer noch, nach 70 Jahren, immer noch solche Hintergründe hat."
    Jeder dritte Kegler bleibt zuhause
    Und es sind nicht wenige, die "solche Hintergründe" haben, wie Sepp Hartl, der Bürgermeister von Waakrichen, es ausdrückt: rund ein Drittel weniger Kegler kommen auf die Kegelbahn von Stefan Heufelder. 30 Prozent. Genau so viele, wie in Bayern ausländerfeindlichen Aussagen zustimmen. Das wissen wir seit der sogenannten "Mitte Studie" vom Anfang des Jahres, und das weiß nun auch Stefan Heufelder mit seiner Kegelbahn. Der bekommt es nun am eigenen Leib zu spüren: Er hat schon darüber nachgedacht, seine Kegelbahn zu schließen. Er gibt daran nicht den Flüchtlingen die Schuld, sondern vor allen Dingen den Politikern seiner Gemeinde.

    "Und ich glaube, das ist das Hauptproblem. Wenn man sich früher mit der Materie befasst hätte, dann hätte man auch die Gerüchte zerstreuen oder gar nicht erst aufkommen lassen. dann wäre das für mich wesentlich einfacher gewesen. Die Asylanten. Die sind in der Sache wahrscheinlich die Unschuldigsten. Wir haben gestern wieder eine Gruppe da gehabt, die auch abgesagt hat vorher, und war dann auch erstaunt, wie ruhig das bei uns abläuft. eigentlich wie vorher, kann man sagen. Mit der Ausnahme, dass vielleicht ein paar Asylbewerber am Abend mit ihren Handys vor der Tür stehen und versuchen Empfang zu haben."