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Teilnahme am Festival in Saudi-Arabien
"Wir können wahrscheinlich nur sehr kleine Schritte machen"

Im Februar findet das Janadriyah-Kulturfestival in der saudi-arabischen Hauptstadt Riad statt - unter Beteiligung des Goethe-Instituts. Gabriele Becker vom Goethe-Institut Kairo verteidigt im DLF die Teilnahme: "Saudi-Arabien ist eins unter einer ganzen Reihe von Ländern, in denen wir arbeiten, in denen keine demokratischen Verhältnisse herrschen, wie wir sie uns vielleicht wünschen würden."

Gabriele Becker vom Goethe-Institut Kairo im Gespräch mit Burkhard Müller-Ullrich | 12.01.2016
    Blick vom Dach der Mu'ayyad Moschee durch die über dem Stadttor Bab Zuweila aufragenden Minarette auf die Zitadelle mit Kairos Wahrzeichen, der Mohammed Ali Moschee.
    In Saudi Arabien gebe es faktisch keine kulturellen Veranstaltungen, sagte Gabriele Becker (Goethe-Institut Kairo) im DLF. (Arved Gintenreiter / dpa)
    Burkhard Müller-Ullrich: Getanzt, und zwar exotisch, wird zuweilen auch in Saudi-Arabien, und jetzt bietet sich wieder Gelegenheit dazu. Im Februar steht das Janadriyah-Festival an. Janadriyah ist ein Stadtteil von Riad, der Hauptstadt, in der Nähe des internationalen Flughafens und der königlichen Pferdeställe, und dort wird das größte Kulturfestival am Golf zelebriert, das zehn Millionen Menschen anzieht. Auch unser Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) fühlt sich angezogen und will zusammen mit einer Wirtschaftsdelegation, der unter anderem Vertreter von Airbus und Volkswagen angehören, dort hinreisen, und dafür steht er jetzt in der Kritik. Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses, der CDU-Politiker Norbert Röttgen, hält angesichts von Massenexekutionen die Teilnahme an einem Kulturfestival für unangebracht. Aber das Goethe-Institut ist als kulturelles Aushängeschild Deutschlands mit von der Partie, und ich habe die Leiterin des Kairoer Instituts, Gabriele Becker, die auch für Saudi-Arabien zuständig ist, in einem Telefonat vor der Sendung gefragt, mit wieviel Bauchschmerzen sie dieser Veranstaltung entgegensieht.
    Gabriele Becker: Wir haben natürlich als Goethe-Institut durchaus auch eine kritische Distanz zu Dingen, die wir in manchen Ländern machen. Aber Saudi-Arabien ist eins unter einer ganzen Reihe von Ländern, in denen wir arbeiten, in denen keine demokratischen Verhältnisse herrschen, wie wir sie uns vielleicht wünschen würden. Insofern haben wir diesen Auftrag des Auswärtigen Amtes angenommen. Das ist ja schon im Jahr 2014 begonnen worden, dass dieses Festival vorbereitet wurde und wir ein Kulturprogramm konzipiert haben.
    Müller-Ullrich: Aber nur auf Vorlauf und Planungen kann man sich natürlich bei solchen hoch politischen Dingen nicht berufen. Ist es denn jetzt wirklich Zeit, mit Saudi-Arabien zu schmusen?
    Den Dialog aufnehmen
    Becker: Ich würde das nicht so bezeichnen, sondern ich glaube, dass dieses Festival eine Möglichkeit bietet, auch wenn es sehr schwierig ist und wenn wir wahrscheinlich nur sehr kleine Schritte machen können, den Dialog aufzunehmen mit einem Land, in dem es faktisch keine kulturellen Veranstaltungen gibt. Dort gibt es keine Kinos, keine Museen, keine Theater. Und dieses Festival ist ja vor 30 Jahren gegründet worden mit dem erklärten Ziel, doch der Bevölkerung auch mal die Möglichkeit zu geben, etwas Kulturelles zu erleben.
    Müller-Ullrich: Frau Becker, wie funktioniert dieser Dialog und welchen Spielraum haben Sie da?
    Becker: Der Dialog funktioniert ästhetisch. Das sind keine Podiumsdiskussionen, die wir organisiert haben, sondern wir haben künstlerische Programme vorgesehen, die das Publikum einbeziehen können: Zum Beispiel junge Leute aus Deutschland, junge Künstler, die Breakdance machen, die Hiphop-Musik durchführen und damit junge Leute auch in Saudi-Arabien erreichen wollen und nach unseren Erfahrungen auch können. Denn wir haben in den letzten fünf Jahren ein Programm durchgeführt, ein Stipendiatenprogramm, Kulturmanager in der arabischen Welt. Da ist seit 2011 ein junger Kulturmanager in Dschidda tätig gewesen und hat ausprobiert, was ist dort möglich, und dort fand vor drei Jahren genau ein erster deutsch-saudischer Hiphop-Jam statt. Das war ein riesiger Erfolg und daran knüpfen wir zum Beispiel an.
    Müller-Ullrich: Ich frage gerade nach dem Spielraum in Saudi-Arabien. Ich sollte vielleicht auch nach dem Spielraum gegenüber dem Auswärtigen Amt fragen. Sie sagten ja, Sie haben diesen Auftrag angenommen. Hätten Sie ihn überhaupt ablehnen können?
    Becker: Wir führen für das Auswärtige Amt Deutschland-Jahre oder deutsche Saisons oder deutsche Wochen durch. So ist das zu verstehen. Dass das Goethe-Institut ganz eng mit dem Auswärtigen Amt kooperiert, ist ja allgemein bekannt.
    Es ist eine berechtigte Frage
    Müller-Ullrich: Ja. Sie bekommen natürlich das Geld von dort. - Nun haben Sie sicher auch die Rede von Navid Kermani, des Friedenspreisträgers des deutschen Buchhandels gelesen, und da bedarf es eigentlich keiner Nachrichten aus Saudi-Arabien über jüngste Massenexekutionen, sondern man weiß, Saudi-Arabien ist der Hauptsponsor des Dschihadismus. Andersdenkende werden dort gekreuzigt. Die Lehrbücher und Lehrpläne sind zu 90 Prozent identisch mit denen des Islamischen Staates. Da stellt sich doch eigentlich die Frage, ob man das nicht einfach lassen soll in einem solchen Fall.
    Becker: Die Frage ist sicher berechtigt. Aber wir haben uns entschieden, das weiter durchzuführen, und ich glaube, es ist durchaus den Versuch wert. Ich glaube, dieser Weg zu versuchen, einen Anknüpfungspunkt zu finden mit Mitteln der Kultur oder auch des Wissenschaftsaustausches, der ist durchaus lohnenswert.
    Müller-Ullrich: Haben Sie ein Beispiel - Sie sagten, es gibt keinen wirklichen Dialog, sondern kulturelle Präsentationen -, wo Sie das Gefühl hatten, Sie wurden verstanden in Saudi-Arabien?
    Becker: Ja! Das Beispiel, was ich vorhin berichtet habe, dass einer unserer wichtigsten Hiphop-Musiker in Dschidda war vor drei Jahren und dort mit dem bekanntesten saudischen Künstler dieses Genres zusammengearbeitet hat, eine CD produziert hat, und die haben wirklich interkulturell zusammen agiert, haben sich vorher nie getroffen, aber haben sich auf dem Weg über die Musik gefunden, und Hiphop arbeitet ja mit Texten. Das ist ein solches Beispiel.
    Müller-Ullrich: Gabriele Becker war das, die Leiterin des Goethe-Instituts in Kairo.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.