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Teilnehmen oder fernbleiben?

Weil sie eine einseitige Verurteilung Israels fürchten, haben mehrere Staaten die Teilnahme an der Anti-Rassismus-Konferenz der Vereinten Nationen in Genf abgesagt. Bis zuletzt hat die Bundesregierung versucht, eine gemeinsame Haltung der EU-Staaten zu erzielen. Doch wieder einmal hat die EU keinen Konsens für eine einheitliche Außenpolitik gefunden.

Von Alois Berger | 20.04.2009
    Das sieht wieder einmal nach Eiertanz aus, was die Europäische Union rund um die Anti-Rassismus-Konferenz aufführt. Großbritannien ist in Genf dabei, die Niederlande nicht, die Italiener haben schon vor Wochen abgesagt, Frankreich hat sich bis zuletzt bedeckt gehalten und Deutschland hat sich erst in allerletzter Minute entschieden.

    Eine einheitliche europäische Haltung, wie sie von Berlin gefordert wurde, ist das sicher nicht. Doch von diesem Durcheinander auf den Zustand der europäischen Außenpolitik zu schließen, wäre etwas kurzsichtig. Das Problem dieser Anti-Rassismus-Konferenz liegt darin, dass sie gescheitert ist, bevor sie überhaupt angefangen hat. Für die Europäische Union geht es vor allem darum, den Schaden zu begrenzen. Wie das am besten zu erreichen ist, darüber gehen die Meinungen auseinander.

    Denn wie soll man damit umgehen, wenn eine ursprünglich gute Idee in ihr Gegenteil verkehrt wird? Wie soll man damit umgehen, wenn Regierungen, die zuhause foltern lassen, die weltweiten Standards für Menschenrechte festlegen wollen? Wie soll man damit umgehen, wenn eine Konferenz gegen Rassismus zur Bühne von Hasspredigern verkommt?

    Natürlich wäre es schön, wen eine weltweite Menschenrechtskommission allen Ländern auf die Finger schaute , sich die Welt gegen Rassismus engagierte. Denn niemand, auch nicht Deutschland, ist über alle Zweifel erhaben. Doch dafür ist diese Konferenz schon längst viel zu weit von der Spur abgekommen. Eine Versammlung, in der der iranische Präsident Ahmadinedschad einen Teil des Mainstreams verkörpert, ist nicht mehr zu retten. Diese Versammlung wird weder die Menschenrechte voranbringen, noch wird sie den Rassismus in der Welt eindämmen.

    Es gibt also gute Gründe, die Konferenz in Genf zu boykottieren. Genauso gute Gründe gibt es aber auch, hinzufahren und Tacheles zu reden und darauf hin zu wirken, dass die Schlusserklärung kein Anti-Israel-Pamphlet wird, wie das einige Regime gerne hätten. Dass die Europäische Union nun beides tut - boykottieren und hinfahren - das sieht zwar nicht gut aus, ist aber kein Fehler. Denn wenn die Europäische Außenpolitik Stärken hat, dann vor allem, dass sie unterschiedliche Erfahrungen, unterschiedliche diplomatische Traditionen, unterschiedliche Beziehungen einbringt.

    In vielen Konflikten wäre es nützlich, wenn die EU mit einer Stimme sprechen würde. Doch bei diesem Anlass ist das sowenig der Fall wie beim Nahost-Konflikt, der beim Streit um diese Konferenz immer mitschwingt.

    Dass eine einheitliche Außenpolitik in jedem Fall immer bessere Ergebnisse bringt, ist ohnehin ein Trugschluss. Wäre das so, dann müssten Washingtons Bemühungen im Nahen Osten seit langem erfolgreich sein. Sind sie aber nicht, und zwar seit vielen Jahrzehnten nicht. Dass Frankreich und Großbritannien starke Bindungen zu islamischen Ländern, Deutschland dagegen engere Beziehungen zu Israel haben, sind eigentlich gute Voraussetzungen für eine wirksame Nahostpolitik. Über das Ziel, Frieden zwischen Israelis und Palästinenser, gibt es ohnehin keine Diskussion, auch nicht darüber, dass beide Seiten auf dem Weg dorthin Zugeständnisse machen müssen.

    Das Problem ist nur, dass vor allem Deutschland seine Beziehungen zu Tel Aviv aufgrund der belasteten Geschichte nicht nutzen kann. Berlin traut sich nicht, Israel etwas abzuverlangen, auch wenn jeder weiß, dass es letztendlich zum Nutzen Israels wäre.

    Dass Israels Politik gegenüber den Palästinensern kritikwürdig ist, darüber sind sich die 27 EU-Staaten weitestgehend einig. Uneinig sind sie sich, wie laut die Kritik an Israels Politik sein soll. Die heute in Genf beginnende Konferenz über Rassismus und Diskriminierung ist in jedem Fall der falsche Ort, um über Israel zu reden. Und sie ist die falsche Versammlung, um den Reifegrad der europäischen Außenpolitik zu testen.