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Televisionärer Punktsieg

Mit seinem viel beachteten Interview im ZDF besiegelte der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer das politische Schicksal des einstigen CDU-Hoffnungsträgers Norbert Röttgen. Ein Anlass, das Miteinander von Politik und Medien neu zu bedenken.

Von Klaus Deuse | 19.05.2012
    Die Politik liefert den Medien Stoff für die Berichterstattung Die Medien ihrerseits verschaffen Politikern die gesuchte Öffentlichkeit. Oder wie es Professor Karl-Rudolf Korte, Politikwissenschaftler an der Uni Duisburg/Essen, formuliert:

    "Politik braucht Kommunikation, Politik ist Kommunikation. Und Politik muss sich über Kommunikation auch legitimieren in einer Demokratie."

    Ob CSU-Chef Horst Seehofer diese Einschätzung nach der Aufzeichnung eines offiziellen Interviews mit dem ZDF durch den Kopf ging, das sei einmal dahingestellt. Im Nachgespräch mit Moderator Claus Kleber über die Gründe für das Wahldesaster der CDU in Nordrhein-Westfalen nahm er jedenfalls kein Blatt vor den Mund – und befand dann kurz und bündig:

    "Sie können das alles senden, was ich gesagt hab. Weil ich jetzt wirklich entschlossen bin, dass wir da was ändern."

    Einen solchen Freifahrtschein mochte das ZDF offenkundig nicht verfallen lassen. Die Konkurrenz im Nachrichtengeschäft ist schließlich groß. Vor weiter laufenden Kameras hatte Seehofer nämlich politisch hochbrisante Statements abgeliefert. Ganz sicher nicht ohne Hintersinn. Mit seiner unverhohlenen Abrechnung mit dem Verlierer der NRW-Wahlen, Bundesumweltminister Norbert Röttgen, der vor dem Urnengang offen gelassen hatte, ob er auch nach einer Niederlage nach NRW gehen würde, landete Seehofer einen medialen Coup.

    "Ich habe mit ihm gesprochen persönlich. Persönlich hat er mich da abtropfen lassen. Die Kanzlerin war ja dabei. Im Gegenteil. Er hat dann ja die Medien versorgt mit dem Argument, er hätte es uns beiden gezeigt."

    Nicht nur ihm, sondern auch Angela Merkel. Via Medien. Also holte der CSU-Chef via Medien zum Gegenschlag vor Millionen von TV-Zuschauern aus. In seiner Fernsehrolle als aufrechter Kämpfer der Unionsparteien. Die übermittelte Unterstellung, die Kanzlerin sei führungsschwach, musste diese schleunigst widerlegen. Und zwar mit der Entlassung von Norbert Röttgen. Mit der vermeintlich generösen Aufhebung der Interviewspielregeln mit den Medien hat Horst Seehofer auf politischem Parkett mehr erreicht als bei jedem vertraulichen Gespräch der Parteivorsitzenden der schwarz-gelben Bundesregierung, wie Thomas Oppermann, der parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion in der ARD-Talkshow von Anne Will nüchtern und zugleich genüsslich anmerkte.

    "Der Seehofer hat zwar Röttgen genannt, aber er hat Merkel gemeint. Das war ein Angriff auf Angela Merkel. Und sie hat Norbert Röttgen, ihren eigenen Zögling, geopfert, um sich ein bisschen aus der Schusslinie zu nehmen."

    Ein televisionärer Punkteerfolg für Host Seehofer. Diese Einschätzung teilt auch Politikwissenschaftler Karl-Rudolf Korte.

    "Es ist schon ein Sieg. Seehofer hat den letzten Kick auch durch dieses Interview im 'Heute Journal' gegeben."

    Das Miteinander von Politik und Medien muss nach diesem Interview zumindest kritisch hinterfragt werden. Vielleicht auch neu definiert werden. In der Nachrichtenbranche beschert Exklusivität, Auflage und Quote. Doch die vierte Kraft im Staat, als die die Medien bezeichnet werden, sollte sich dabei stets ihrer Verantwortung bewusst sein und jedem Versuch, sich von der Politik instrumentalisieren zu lassen, widerstehen. Ansonsten machen sich Medien zu Handlangern. Denn ein Medienprofi wie Horst Seehofer gibt selbst in kleinsten Zirkeln nur dann grünes Licht für mediale Verbreitung, wenn es ihm politisch in den Kram passt und darum am liebsten mit der größten Glocke verkünden möchte. Der Nachklang auf politischer Bühne, der ist allerdings bemerkenswert und müsste den Medien reichlich zu denken geben über ihre eigene Mitverantwortung.