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Teller oder Tank: Zusammenhang zwischen Biosprit und Hunger

Auf Kosten der Ärmsten der Armen in den Entwicklungsländern gehe die Biosprit-Beimischungspolitik, beschreibt Frank Braßel von der Organisation Oxfam. Und die steigenden Getreidepreise seien auch eine Folge - neben der Dürre - einer strukturelle Verknappung des Angebots durch diese Biospritpolitik.

Frank Braßel im Gespräch mit Georg Ehring | 13.08.2012
    Georg Ehring: Die USA leiden unter einer ungewöhnlichen Dürre. Die Getreidepreise schießen in die Höhe. Und die Folgen reichen weit über die Vereinigten Staaten hinaus. Vor allem arme Länder können die Ernährung ihrer Bevölkerung immer schwerer finanzieren. Die Welternährungsorganisation fordert die USA sogar auf, die Produktion von Biosprit zurückzufahren, um den Preisanstieg zu begrenzen. Um unabhängiger von Ölimporten zu werden, haben die USA den Anbau vor allem von Mais für Treibstoff forciert. Auch die Europäische Union geht einen ähnlichen Weg. Reichen die Ackerflächen der Welt für Ernährung und Mobilität?

    - Darüber möchte ich am Telefon mit Frank Braßel von der Organisation Oxfam sprechen, der sowohl die Ernährungssicherheit, aber auch der Klimaschutz am Herzen liegt. Guten Tag, Herr Braßel!

    Frank Braßel: Ja, schönen guten Tag, Herr Ehring!

    Ehring: Herr Braßel, können oder müssen Sie sich der Forderung der Welternährungsorganisation FAO anschließen?

    Braßel: Auf jeden Fall. Wir haben uns sehr gefreut, dass die FAO diese Forderung jetzt als erste große UN-Organisation ausgesprochen hat. Oxfam fordert schon seit Langem sowohl die USA als auch die EU, die hier eine ganz ähnliche Beimischungspolitik, diese E10-Politik hat, diese herunterzufahren, denn das geht klar auf Kosten der Ärmsten der Armen in den Entwicklungsländern.

    Ehring: Wird der Getreidemangel in den USA, der ja aktuell da ist, nicht anderweitig ausgeglichen? Die Erneuerbare-Energien-Branche hat zum Beispiel auf eine Rekordreisernte weltweit verwiesen?

    Braßel: Na ja. Jeder veröffentlicht das, was in seinem Interesse ist. Grundsätzlich kann man sagen, dass natürlich die USA zentral sind für die Weltgetreidepreise. Durch die große Getreidebörse in Chicago setzen sich von daher sozusagen die Preisentwicklungen weltweit fort und können selbst auf den Reis aufschlagen. Denn natürlich, auch in Asien wird auch Mais und Weizen, wo die Preise ja auch extrem gestiegen sind, konsumiert. Also von daher muss man sagen, die Preise werden letztendlich in Chicago vielfach bestimmt. Und in Chicago haben Sie jetzt diesen Preisanstieg wegen der Verknappung. Es gibt eine strukturelle Verknappung des Angebots durch diese Biospritpolitik. Und sie haben jetzt akut da drin halt noch diese extreme Dürre, die schlimmste Dürre seit mehr als 50 Jahren. Und das hat sozusagen einen Dominoeffekt. Dazu kommt noch, dass natürlich, sobald Preise rasant steigen, viele Spekulanten mit Nahrungsmitteln in Aktion treten und dann sozusagen noch eine künstliche Preissteigerung erzielen.

    Ehring: Ließe sich denn der für die Biospritproduktion vorgesehene Mais einfach für Nahrungsmittel verwenden oder geht es Ihnen da eher um eine langfristige Weichenstellung?

    Braßel: Es geht um eine langfristige Weichenstellung. Und es geht nicht nur sozusagen um den US-Weizen, sondern – um den US-Mais, entschuldigen Sie – im Falle der EU beispielsweise haben Sie natürlich, dass auf riesigen Landflächen in Afrika, Asien und Lateinamerika inzwischen unterschiedliche Produkte von Zuckerrohr über Ölpalme für unsere Tanks angebaut werden. Und dort nicht nur in Konkurrenz bei den Lebensmittelpreisen steigen, sondern in klarer Konkurrenz zum Land um Anbau von Grundnahrungsmitteln oder von Agrartreibstoffen. Und das ist in vielerlei Hinsicht noch dramatischer. Und es kommt zu sehr heftigen Konflikten in vielen Ländern der Dritten Welt.

    Ehring: Können Sie da ein Beispiel nennen, wo das aktuell sich besonders zuspitzt?

    Braßel: Ja, sie können leider viele der ärmsten Länder Afrikas, also Äthiopien, Sudan, Madagaskar - werden sozusagen riesenhafte Landflächen, also nach einer - der einzig verfügbaren, halbwegs sicheren Statistik, der "Land Matrix", die unter anderem auch von der GEZ mitfinanziert ist, legt nahe, dass etwa 37 Millionen Hektar weltweit in den vergangenen zehn Jahren so großflächigen Konversionen zum Opfer gefallen sind aufgrund des gestiegenen Bedarfs an Biosprit. Und wir finden, Oxfam hat jetzt eine klare Sicht: Egal, ob das ökologisch eine Alternative sein kann. Aber wir können sozusagen unsere Umweltprobleme nicht auf dem Rücken der Armen austragen.

    Ehring: Kann die Welt denn weiter auf konventionellen Treibstoff setzen? Das Öl ist doch knapp.

    Braßel: Ja, ich glaube, wir müssen einfach mehr Energie – weniger Energie verbrauchen, das ist das Zentrale, wir können nicht immer mehr, mehr, mehr machen, weil die Ressourcen sind begrenzt, das weiß ja jeder. Wir wissen, in 50 Jahren ist von den Erdölressourcen nicht mehr viel da. Also, wir müssen ganz klar weniger Energie verbrauchen. Und da müssen wir uns was einfallen lassen, und das ist ja ganz klar: Die ganze Klimakrise, die weltweit existiert, ist in erster Linie geschuldet durch die Industrieländer. Und wir müssen als Erste runterfahren. Also wir können jetzt nicht sagen, ja, weil die Chinesen jetzt so viel Fleisch essen – wir essen viel mehr Fleisch, wir fahren viel mehr Auto, wir verbrauchen sehr viel mehr nichterneuerbare Energien. Und da muss ein radikales Umdenken eintreten, sonst ist einfach das Überleben auf diesem Planeten mittelfristig nicht möglich.

    Ehring: Herzlichen Dank, das war Frank Braßel von der Organisation Oxfam. Wir sprachen über Tank oder Teller, den Anbau von Biosprit anstatt der Nahrungsmittelproduktion.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.