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Teller und Tank in Konkurrenz

Biokraftstoffe sind in die Kritik geraten, weil sie mit dem Lebensmittelanbau konkurrieren und so das Hungerproblem verschärfen könnten. Das Umweltbundesamt positioniert sich in der Teller-oder-Tank-Debatte und warnt davor, die Nutzung von Anbaubiomasse zur Energieversorgung auszubauen.

Von Susanne Arlt | 25.10.2012
    Bei dem heute vom Umweltbundesamt vorgestellten Positionspapier handelt es sich nicht um ein reines Bioenergiepapier, sondern es geht um die Frage, wie man die globalen Landflächen und die Biomasse nachhaltig und vor allem ressourcenschonend nutzen kann. Die Macher der perspektivisch angelegten Studie haben dazu erst einmal die verschiedenen Aspekte der Biomassenutzung zusammengetragen. Sie zeigen darum auf, für was die gesamte Biomasse, das sind ungefähr dreizehn Milliarden Tonnen, überhaupt weltweit verwendet wird. In letzter Zeit wird immer häufiger kritisch diskutiert, ob man Biomasse anbauen darf, um mehr Biosprit herzustellen, während in anderen Teilen der Welt die Menschen Hungern? Steigende Preise für Nahrungsmittel heizen auch hierzulande die Diskussion um den Einsatz von Bioenergie als Heiz-Rohstoffe oder Kraftstoffe an. Doch von der geernteten Biomasse werden fast 60 Prozent für Futtermittel verwendet, immerhin noch 15 Prozent für Nahrungsmittel und nur ein Bruchteil, nämlich knapp drei Prozent, werden für die Bioenergie genutzt. Etwa eine Milliarde hungernde Menschen gibt es derzeit auf der Welt. Mit Blick auf die Verwendung der pflanzlichen Biomasse steht darum vor allem die Tierproduktion in Konkurrenz zu unserer menschlichen Ernährung - und somit zur globalen Ernährungssicherheit, erklärte Jochen Flasbarth, Präsident des Umweltbundesamtes:

    "Die Bioenergieproduktion beispielsweise heute ist sicherlich noch nicht der entscheidende Faktor was Unsicherheiten in der Ernährungsversorgung anbelangt, sondern hier sind im Augenblick noch ganz weit überwiegend Verteilungs- und Zugangsfragen zu nennen."

    In den nächsten Jahrzehnten wird sich an dieser Situation allerdings etwas ändern. Denn dann wird die Verfügbarkeit von produzierten Nahrungsmitteln, selbst wenn sie gerechter verteilt werden würden, zu einem Engpass. Die Welternährungsorganisation FAO geht davon aus, dass im Jahr 2050 70 Prozent mehr Lebensmittel im Vergleich zu heute produziert werden müssen, um die etwa neun Milliarden Menschen dann auch ausreichend ernähren zu können. Die gerechte Verteilungsfrage bleibt zwar nach wie vor relevant. Doch die schiere Verfügbarkeit von ausreichend Nahrungsmitteln, die werde viel relevanter, so Jochen Flasbarth, Präsident vom Umweltbundesamt:

    "Mit dem zunehmenden Bedarf an Flächen für die Nahrungsmittelproduktion werden die Spielräume für andere Verwendungszwecke sicher kleiner, möglicherweise gibt es sie gar nicht."

    Die Studie geht darum unter anderem der Frage nach, ob man die verfügbare landwirtschaftliche Fläche noch ausweiten kann. Dieses Potenzial gebe es jedoch nicht, warnte der Präsident des Umweltbundesamtes. Es sei denn, man möchte in erhebliche Umweltkonflikte geraten. Man weitet zum Beispiel die landwirtschaftlichen Flächen zu Lasten des Waldes oder des Weidelands aus. Davon aber raten die Macher der Studie ab. Was wiederum zu dem Ergebnis führt, dass mehr Fläche für die Nutzung von Bioenergie nicht beansprucht werden sollte.

    "Und das bedeutet, dass eine Energieversorgung auf der Basis von Anbaubiomasse aus Sicht des UBA keine aussichtsreiche, nachhaltige Strategie darstellt. Wir empfehlen, nicht eine zukünftige Energieversorgung in relevantem Umfang überhaupt auf Anbaubiomasse auszurichten."
    Jochen Flasbarth, Präsident des Umweltbundesamtes
    Jochen Flasbarth, Präsident des Umweltbundesamtes (Umweltbundesamt)