Donnerstag, 28. März 2024

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Merkel in Washington
"Die Herausforderung wird sein, Zugang zu Trump zu finden"

Bundeskanzlerin Angela Merkel will US-Präsident Donald Trump bei ihrem Besuch in Washington unter anderem von den Vorteilen des Freihandels überzeugen. Der CDU-Außenpolitiker Peter Beyer sagte im Dlf, das müsse "in relativ einfacher Sprache" gelingen. Mit der Darstellung komplexer Sachverhalten erreiche man Trump nicht.

Peter Beyer im Gespräch mit Stefan Heinlein | 26.04.2018
    US-Präsident Trump wendet sich beim G20-Gipfel Kanzlerin Merkel zu und spricht mit ihr
    Die persönlichen Beziehungen zwischen Trump und Merkel seien wichtig, sagte Transatlantik-Koordinator Beyer (CDU). (AP Photo/Evan Vucci)
    Stefan Heinlein: Größer könnte der Kontrast in dieser Woche wohl nicht sein. Erst der offizielle Staatsbesuch von Emmanuel Macron in Washington, drei Tage mit allem Glanz und Gloria und viel Schulterklopfen als Zeichen einer neuen Männerfreundschaft, und dann jetzt der 24-stündige Arbeitsbesuch der Kanzlerin im Weißen Haus. Auf der internationalen Bühne ist die Inszenierung oft wichtiger als das nüchterne Drehbuch. Deutschland scheint daher aktuell von Frankreich an den Katzentisch der transatlantischen Beziehungen verdrängt worden zu sein. Dennoch hat sich Angela Merkel viel vorgenommen für ihr Treffen mit Donald Trump.
    Über den Besuch der Kanzlerin in Washington möchte ich jetzt sprechen mit dem CDU-Abgeordneten Peter Beyer. Er ist der neue Koordinator der Bundesregierung für die transatlantische Zusammenarbeit. Guten Morgen, Herr Beyer!
    Peter Beyer: Guten Morgen, Herr Heinlein.
    "Die persönlichen Beziehungen sind schon wichtig"
    Heinlein: Angela Merkel und Donald Trump – da hat jeder sofort die Szene im Kopf vom verweigerten oder vergessenen Handschlag im Oval Office. Wir haben es gerade noch mal vom Kollegen Stephan Detjen gehört. Was erwarten Sie denn? Wird Donald Trump morgen Angela Merkel ganz herzlich die Hand schütteln?
    Beyer: Die Bilder sind natürlich wichtig, die wir dann sehen. Aber letztlich kommt es doch auf die Sache an, und die Sachthemen sind mannigfach. Und genauso wie Emmanuel Macron die Sachthemen bei seinem Staatsbesuch angesprochen hat, wird es im Arbeitsbesuch auch der deutschen Bundeskanzlerin zugehen. Ich bin da ganz zuversichtlich, dass man da weiterkommt.
    Heinlein: Über die Sachthemen, Herr Beyer, müssen wir gleich sicherlich noch reden. Aber bei Trump scheint ja ganz viel über das Persönliche zu gehen. Wie wichtig ist es denn, dass Angela Merkel es diesmal schafft, einen persönlichen Draht zu Trump zu knüpfen?
    Beyer: Ja, die persönlichen Beziehungen sind schon wichtig. Sie sind allerdings auch nicht entscheidend. Ich würde das nicht überbewerten, wenn man noch mal auf den Besuch der Kanzlerin letztes Jahr im März mit dem verweigerten Handshake zurückschaut. Ich glaube schon, dass Donald Trump Respekt vor der Leistung auch der Kanzlerin hat. Umgekehrt sicherlich ist auch der Respekt da. Beide sind unterschiedliche Persönlichkeiten, haben unterschiedliche Charaktere, haben einen unterschiedlichen Politikstil. Aber noch einmal: Da muss man sich gegenseitig darauf einstellen, und ich glaube, das ist dann auch ganz wichtig, dass das gelingt.
    Heinlein: Angela Merkel hatte ja ein herzliches Verhältnis zu Trumps Amtsvorgänger. Wird dieses enge Verhältnis zu Obama jetzt zum Ballast, macht es schwieriger, einen Zugang zu Trump zu finden?
    Beyer: Das glaube ich nicht. Wenn wir uns mal zurückerinnern: Auch in der Anfangszeit der Präsidentschaft von Barack Obama war es auch nicht so ganz leicht bestellt um das Verhältnis zwischen der deutschen Regierungschefin und des amerikanischen Präsidenten. Noch einmal: Ich würde das jetzt nicht überbewerten und nicht so viel zurückgucken, sondern dass man sich den Sachthemen widmet, denn ich glaube, das ist wirklich etwas, was jetzt gelingen muss. Übrigens der Staatsbesuch von Emmanuel Macron und der jetzt bevorstehende der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel sind auch nicht auseinanderzudividieren, sondern es sind Besuche europäischer Führungspersönlichkeiten, Politiker, und ich glaube, das ist im Tandem eher zu sehen.
    "Interessen beiderseits des Atlantiks nicht so weit auseinander"
    Heinlein: Sie haben das Stichwort Macron jetzt gerade selber noch einmal genannt. Der französische Präsident hat ja eine wahre Charme-Offensive gestartet. Die Kanzlerin war dagegen bei ihrem ersten Besuch eher zurückhaltend, sehr kritisch und fast belehrend. War diese deutsche Schulmeisterei im Gegensatz zu diesem französischen Charme im Nachhinein ein strategischer Fehler?
    Beyer: Das glaube ich nicht. Ich glaube, es war schon richtig gewesen, noch einmal das zu betonen vonseiten der Kanzlerin, was die Basis des transatlantischen Verhältnisses ausmacht, eben insbesondere Werte und gemeinsame Interessen. Das ist etwas, was man sich immer wieder auch vor Augen halten muss, gerade auch jetzt, und auf dieser Basis müssen wir schauen, dieses doch auch belastete transatlantische Verhältnis für die Zukunft aufzubauen, und da gibt es einiges zu tun. Aber es ist besser, als wenn man etwas für automatisch gegeben ansieht, wenn man erkennt, es gibt Themen, denen wir uns widmen müssen, die wir gemeinsam lösen müssen, und wo man vielleicht auch dann im Gespräch feststellen wird, dass die Interessen beiderseits des Atlantiks vielleicht gar nicht so weit auseinanderliegen, wie das auf den ersten Blick scheint.
    Heinlein: Bei welchen Themen stellen Sie das fest? Wo liegt man nicht so weit auseinander? Beim Thema Handelskonflikt, beim Iran-Deal oder auch mit Blick auf Russland gibt es ja durchaus sehr, sehr viele Differenzen zwischen Berlin und Washington.
    Beyer: Ja, es gibt in der Tat unterschiedliche Perspektiven und Positionen darauf. Aber wenn wir uns einmal vor Augen halten, dass keine Seite, weder die Europäer, noch die Amerikaner gewinnen würden für ihre Wirtschaft, für ihren Stock Market, wenn gegenseitig Handelshürden aufgebaut werden, Mauern protektionistisch wieder hochgezogen werden, und ich glaube, das ist auch etwas, was im Mittelpunkt der Gespräche von Macron und insbesondere auch bei dem Arbeitsbesuch von Merkel stehen dürfte, klarzumachen das Verständnis dafür, welche Auswirkungen Protektionismus haben kann, sodass es letztlich auch für die Amerikaner und dort für die Arbeitsplätze negative Auswirkungen haben kann und wird bis hin zu Arbeitsplatzverlusten, wenn man jetzt angesichts globaler Lieferketten auch protektionistische Hürden wieder aufbaut. Ich glaube, das ist etwas, ein Ansatz, der auch verstanden werden kann.
    Vorschlag eines "institutionalisierten Wirtschaftsdialogs"
    Heinlein: Diese Argumentationskette, Herr Beyer, ist ja bekannt, auch im Weißen Haus. Hat denn die Kanzlerin weitere Argumente im Gepäck, um Donald Trump zu überzeugen, diese Strafzölle ab dem 1. Mai nicht zu verhängen? Denn der oft kritisierte Handelsüberschuss, das ist doch der größte Hemmschuh für die guten transatlantischen Beziehungen, für die Zusammenarbeit.
    Beyer: Gerade was den Handelsbilanzüberschuss anbelangt, kommt es auch immer darauf an, welche Zahlen man sich anschaut. Ich glaube, es ist noch mal ganz wichtig, sich vor Augen zu halten, dass die Lage noch mal ganz anders aussieht, wenn man Dienstleistungen mit einbezieht, also nicht nur Güter, und wenn man auch Lizenztransfer-Zahlungen mit einbezieht. Die Sache ist im Detail dann doch sehr komplexer, als es vielleicht auf den ersten Blick scheint.
    Was ich mir vorstellen könnte, wenn Sie danach fragen, welche Vorschläge, was könnte die Kanzlerin mitnehmen, dann ist das, glaube ich, etwas, was man einen strukturierten institutionalisierten Wirtschaftsdialog nennen könnte, also etwas, wo wir uns beiderseits des Atlantiks, Deutschland, Amerika, ja vielleicht auch sogar auf europäischer Ebene - denn Sie wissen: Die Kompetenz in Handelsfragen ist auf EU-Ebene angesiedelt - über einen Zeitraum der nächsten Jahre hinsetzen, nicht nur auf Staats- und Regierungschefebene, sondern auch auf Arbeitsebene unter Einbeziehung der Wirtschaft, dass man die problematischen Themen und Elemente dieser transatlantischen Wirtschaftsbeziehungen angeht und schaut, wie man sie lösen kann auch für die Zukunft. Ich glaube, das ist etwas, was wichtig ist. Man kann das nicht in einem einzigen Staatsbesuch oder einem Arbeitsbesuch hinbekommen. Das ist etwas, was längerfristig angesiedelt sein sollte.
    "Das muss gelingen in relativ einfacher Sprache"
    Heinlein: Sie sind vollständig im Thema drin, Herr Beyer. Man hört es. Komplexe Details – ist das der Zugang, mit dem die Kanzlerin heute Donald Trump überzeugen kann? Er argumentiert ja in der Regel viel schlichter. Er sagt, es werden zu wenige amerikanische Autos in Deutschland verkauft und die Deutschen verkaufen zu viele Autos bei uns, das muss sich ändern.
    Beyer: Sie haben natürlich recht. Man muss das Ganze versuchen, auf eine vielleicht auch einfachere Sprache herunterzubrechen und auch konkrete Beispiele zu nennen. Sie wissen, dass auch amerikanische und auch deutsche Automobilbauer, wenn wir bei der Branche zunächst einmal bleiben, in den USA ansässig sind. Und wenn man hier konkrete Beispiele nennt bei Lieferketten, dass es dort einfach nachteilig ist, wenn jedes Mal Zölle erhoben werden, wenn Teilfertigprodukte über die Grenze jeweils kommen und dann jedes Mal teurer werden, dass das dann auch für den amerikanischen Konsumenten nicht gut sein kann. Ich glaube, da kann man schon durchdringen.
    Aber Sie haben recht: Die große Herausforderung wird sein, den Zugang zu dem US-Präsidenten zu finden. Das gelingt nicht mit in der Tat Darstellung bis ins letzte Detail von komplizierten komplexen Sachverhalten. Das muss gelingen in relativ einfacher Sprache. Aber es ist ja gut vorbereitet. Man darf sich das ja nicht so vorstellen, dass Angela Merkel und Donald Trump im Oval Office zusammensitzen und zum ersten Mal über die Sachen sprechen. Es sind sehr hochrangige Emissäre der amerikanischen Administration in den letzten Wochen zur Vorbereitung dieses Arbeitsbesuchs der Kanzlerin in Washington hier nach Berlin gekommen und umgekehrt auch enge Berater der Kanzlerin, um diesen Besuch sehr akribisch vorzubereiten. Deswegen, glaube ich, kann das schon gelingen, dass man hier eine gemeinsame Sprache findet.
    "Ein Weiterleben des Iran-Abkommens ohne die USA macht wenig Sinn"
    Heinlein: Herr Beyer, mit welcher Sprache, mit welchen schlichten Argumenten will die Kanzlerin denn heute Donald Trump überzeugen, den Iran-Deal, das Atomabkommen mit dem Iran nicht zu kündigen?
    Beyer: Dieses Abkommen, abgekürzt JCPOA, um das auch noch mal hier komplizierter zu machen …
    Heinlein: Wir wissen, was gemeint ist.
    Beyer: Genau. - Dieses Atomabkommen mit dem Iran ist etwas, was uns schon Sorge bereitet. Ich glaube, es muss gelingen klarzumachen, dass die Welt mit dem Abkommen, das sicherlich nicht perfekt ist, aber dass die Welt doch sicherer ist mit diesem Abkommen. Ich mag mir persönlich nicht vorstellen, wie die Lage aussieht, wenn tatsächlich am 12. Mai die Amerikaner einseitig aus dem Programm de facto aussteigen wollen. Deswegen muss man alles versuchen, nicht nur heute und morgen bei dem Besuch der Kanzlerin, sondern auch bei anderen Gesprächen auf Arbeitsebene, die stattfinden bei allen Signatarstaaten dieses Abkommens, doch noch mal alles zu versuchen, die amerikanische Seite in dem Abkommen zu halten. Sollte das nicht gelingen, muss man die Lage dann neu bewerten. Ich glaube, ein Weiterleben dieses Abkommens ohne die USA macht wenig Sinn, aber das heißt ja nicht die Flinte ins Korn werfen. Da muss man neue Ansatzpunkte finden. Das könnte sein die regionale Rolle, die aggressiv sich darstellt, des iranischen Regimes und auch das Raketenprogramm vielleicht in einem anderen Abkommen mit einzubeziehen. Aber das wird dann zu bewerten sein. Ich möchte da den Gesprächen auch nicht vorgreifen, kann ich auch nicht. Das müssen wir jetzt erst einmal abwarten.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.