Ethnologische Museen

Das schwierige Erbe der Kolonialzeit

Schädel eines Opfers des Völkermords in Namibia
Schädel eines Opfers des Völkermords in Namibia © imago stock&people
Jan Hinrichsen im Gespräch mit Ute Welty · 29.07.2017
In den Kellern und Ausstellungsräumen ethnologischer Museen lagern tausende von Objekten aus der Kolonialzeit - Herkunft oft völlig ungeklärt. Wie sollen Museen mit diesen Kulturgütern umgehen? Das fragen wir den Kulturwissenschaftler Jan Hinrichsen.
Wie soll ein ethnologisches Museum mit Objekten aus der Kolonialzeit umgehen, deren Herkunft oft völlig ungeklärt ist? An dieser Frage entzündet sich der aktuelle Streit um das Berliner Humboldt-Forum. Doch das Problem betrifft auch andere ethnologische Sammlungen.
Derzeit gebe es viele Rufe nach einem Umdenken etablierter Ausstellungsformate und nach einer "Umverteilung von etablierten Deutungshoheiten", meint der Kulturwissenschaftler Jan Hinrichsen von der Eberhard-Karls-Universität Tübingen. "Also nicht nur die Rückgabe von Objekten wird immer wieder thematisiert, sondern eben vor allen Dingen auch das Umdenken dessen: Wer darf über diese Objekte eigentlich verfügen? Wer darf sie deuten? Wer darf sie ausstellen für wen und für was, und unter welchen Bedingungen geschieht das alles?"

Ausdruck einer veränderten Erinnerungskultur

Dass dieses Thema plötzlich intensiv diskutiert wird, liegt Hinrichsen zufolge an gesamtgesellschaftlichen Veränderungsprozessen: "Es wird viel evidenter, dass man es mit einer heterogenen, diversen Gesellschaft zu tun hat, in der ganz anders auch verhandelt werden muss über kulturelle Differenz, ganz besonders über Teilhabe am gesellschaftlichen Leben, Teilhabe am gesellschaftlichen Diskurs", betonte er im Deutschlandfunk Kultur. Auch die Erinnerungskultur verändere sich: "Es werden plötzlich ganz andere Themen wichtig in der Frage: Wie erinnert sich eine Gesellschaft an ihre eigene Vergangenheit? Und vor allen Dingen: Welche Gesellschaft erinnert sich für wen woran?"
Antworten auf derartige Fragen sucht derzeit das Projekt "Schwieriges Erbe: Zum Umgang mit kolonialzeitlichen Objekten in ethnologischen Museen" der Universität Tübingen und dem Linden-Museum in Stuttgart. Dass dabei am Ende klare Richtlinien oder eine klare Handreichung herauskommen, wie Museen mit Objekten aus der Kolonialzeit umzugehen haben, glaubt Projektkoordinator Hinrichsen jedoch nicht: "Weil die Konflikte, die sich hinter diesen Fragen verbergen, einfach viel zu kompliziert sind, um sie beantworten können mit richtig oder falsch."
Insofern gehe es vor allem darum, eine Sensibilisierung für das Thema zu bewirken und die damit verbundenen Aushandlungsprozesse offenzulegen, "wer eigentlich in wessen Interesse an welchen Prozessen beteiligt ist".
(uko)
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