Freitag, 19. April 2024

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Brief an Beethoven
"Lieber Ludwig, wir brauchen Sie mehr denn je"

Die Musiker Aleksey Igudesman und Hyung-ki Joo fühlen sich mit Ludwig van Beethoven geistig, spirituell und sogar moralisch verbunden, schreiben sie in ihrem Brief an den Komponisten. Gebraucht werde Beethoven mehr denn je: seine Liebe für den Individualismus und sein Glauben an die Menschheit.

Von Aleksey Igudesman & Hyung-ki Joo | 13.01.2020
Zwei Männer stehen vor einer Beethovenstatue mit verschränkten Armen und ernsten Blicken. Beethoven hält eine Geige im Arm. Die beiden Männer sind das Comedy-Duo Igudesman und Joo.
Lassen Beethoven in ihrer Show "And Now Beethoven" neu und anders erklingen: das Musiker-Duo Igudesman & Joo (Julia Wesely)
Lieber Herr Beethoven!
Wir würden Sie gerne einladen, bei unserer Show mitzumachen. Wir haben leider kein Geld, um Sie zu bezahlen, aber wenn Sie kommen, lassen wir ihre Frau und Kinder wieder frei.
Spaß beiseite, wir wissen, dass Sie nicht verheiratet sind, aber wir kennen die Identität Ihrer "unsterbliche Geliebten". Keine Sorge, das Geheimnis ist gut bei uns aufgehoben und es wird keiner erfahren, dass es Julie Guicciardi ist. Oder war es doch Josephine Brunsvik? Oder Amalie Sebald? Herr Joo hat sich auf jeden Fall die Freiheit genommen, Ihren Brief zu vertonen. Hätten Sie es selber gemacht, würde es wahrscheinlich sehr ähnlich klingen.
"Wir brauchen Ihren Glauben an die Menschheit"
Wir freuen uns auf jeden Fall, dass Ihre Musik zu Ihrem 250. Geburtstag so präsent ist wie nie zuvor. Herr Beethoven: Wir brauchen Sie. Wir brauchen Sie mehr denn je. Wir brauchen Ihre Liebe für den Individualismus, Ihren Glauben an die Menschheit, Ihre Überzeugung, dass wir alle Brüder und Schwestern sind.
Deshalb machen wir dieses Jahr Shows inspiriert von Ihrer Musik. Keine Sorge, wir machen uns nicht lustig über Ihre Musik. Wir machen uns lustig mithilfe Ihrer Musik! Aber hauptsächlich verbessern wir sie etwas.
Die meisten werden jetzt aufschreien. "Wie kann man es wagen zu behaupten, dass man Beethovens Musik verbessern könne!" Aber Herr Beethoven, Sie wissen genauso gut wie wir, dass "Für Elise" weder wirklich für Elise geschrieben wurde, noch eines Ihrer größten Meisterwerke ist. Wir haben uns zu "Für Elise" einige Variationen ausgedacht, um das Stück etwas aufzufrischen. Sie müssen ja zugeben, dass es inzwischen ziemlich abgedroschen klingt. Das machen wir in unserer Show "And Now Beethoven", in der wir zu zweit Ihre Musik neu und anders erklingen lassen.
In einer Orchesterversion hat Herr Igudesman das Kitschige von "Für Elise" etwas rausgenommen und mehr Nostalgisches dazugegeben. Bei der Orchestrierung hat er ein Vibraphon hinzugefügt, ein Instrument, das Sie noch nicht gesehen haben, außer es gibt eins da oben bei Ihnen.
"Die Sinfonien sind zu lang!"
Es ist jetzt an der Zeit, dass wir einmal über Ihre Sinfonien reden! Also kurz und bündig: Sie sind zu lang. Alleine 70 Minuten für die Neunte!
Es sind selbstverständlich alles Meisterwerke. Deshalb spielen wir ja auch alle Ihre Sinfonien in unseren Shows. Aber etwas gekürzt. Um genau zu sein, von 294 Minuten auf 4 Minuten. Wenn Sie zu unserer Show kommen, dann können Sie es hören. Obwohl hören vielleicht nicht. Spüren? Musik spürt man ja angeblich auch. Und riechen. Wir können Ihre Musik gut riechen!
Ihre Mondscheinsonate hat Herr Joo mit Ihrem doch etwas verstörenden Heiligenstädter Testament kombiniert. Der erste Satz wird von der Harfe gespielt, während man Bruchteile Ihres Testaments von Ihnen selber gelesen hört! Sie klingen dabei erstaunlich ähnlich wie der bekannte Schauspieler Cornelius Obonya.
Ein Albtraum, meinen Sie? Ja, deshalb heißt ja unsere Orchestershow "Beethovens Nightmare". Aber der letzte Satz klingt bei uns wirklich gut. Das Schlagzeug hilft. Es könnte jetzt sogar laut genug sein, dass Sie es hören!
"Sie sind der Miterfinder des Jazz"
Ihre fünfte Sinfonie, Herr Beethoven, hat Herr Igudesman im Fünfvierteltakt neu komponiert. Und dann hat er auch noch Variationen über das Hauptthema Ihrer neunten Sinfonie geschrieben, die Ihnen hoffentlich gefallen werden.
Er hat Ihr und Herrn Schillers Motto "Seid umschlungen Millionen" sprichwörtlich genommen und das Hauptthema durch die Welt reisen lassen, angefangen von Asien bis nach Irland und Schottland. Sie haben ja selber auch von keltischer Musik inspirierte Lieder komponiert. Wir lassen Ihr tolles Thema dann wie Flamenco-Musik und Jazz klingen. Ob Sie es wissen oder nicht, Sie sind der Miterfinder des Jazz: Ihre letzte Klaviersonate mit dem "Swing" und die Egmont-Ouvertüre mit dem "Walking Bass" beweisen es. Es darf selbstverständlich von Indien inspirierte Musik nicht fehlen, das Land, dessen spirituelle Philosophien Sie so sehr fasziniert haben. Und zu guter Letzt feiern wir Ihr göttliches Thema mit Samba und Salsa.
Ein schwarz-weiß Holzstich des Komponisten Ludwig van Beethoven, der gerade etwas notiert.
Brief an Beethoven: "Geben Sie es zu: Sie waren schlampig"
Zahlreiche Briefe Ludwig van Beethovens sind überliefert. Anlässlich seines 250. Geburtstages schreiben 50 Kulturschaffende einen Brief an ihn. Schriftstellerin Elke Heidenreich gibt den Auftakt und ist nicht zimperlich mit Beethoven.
Vielleicht kennen Sie nicht alle diese musikalischen Ausdrücke, aber es hat sich ja einiges weiterentwickelt seit Ihrem Tod. Elektronische Musik, zum Beispiel, ist Ihnen wohl fremd. Die hören Sie bei uns auch, selbstverständlich kombiniert mit Ihrer Musik.
Langer Rede kurzer Sinn: Wenn sie es also wirklich schaffen, von oben mal kurz herunterzukommen, dann würde es uns wirklich freuen, wenn Sie zu uns ins Konzert vorbeischauen. Um ehrlich zu sein, fühlen wir uns Ihnen verbunden. Geistig, spirituell und sogar moralisch. Wir behaupten mal ganz frech, dass wir mit Ihnen geistesverwandt sind. Und weil Sie ja jetzt ein Geist sind, würden wir Sie gerne als Vater adoptieren, da Sie ja keine eigenen Kinder hatten.
Wie gesagt: Wir haben leider kein Geld, um Sie zu bezahlen, aber wenn Sie kommen, lassen wir Ihre Frau und Kinder wieder frei. Und da Sie ja keine Frau haben und wir ihre Kinder sind, müssen Sie jetzt wohl kommen!
Mit freundlichen Grüßen
Aleksey van Igudesman & Hyung-ki Joo-thoven