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Temperaturskala, ganz genau

Physik. – Mit sieben Basiseinheiten wollen Physiker ihre Welt beschreiben. Damit sie das möglichst genau können, werden nach und nach die Definitionen dieser Einheiten auf den neuesten Stand gebracht. Bis 2011 soll das für die Temperatur geschehen.

Von Michael Fuhs | 26.10.2006
    Physiker mögen es gerne genau, so genau, dass sie an einer neuen Definition für die Temperaturskala arbeiten. Noch wird sie an dem so genannten Tripelpunkt des Wassers geeicht. Das ist die Temperatur, bei der Eis, Wasser und Wasserdampf nebeneinander existieren. Wasser nimmt diesen Zustand nur unter einem ganz bestimmten Druck in einem luftdicht abgeschlossenen Gefäß bei 0,0075 Grad Celsius ein.

    "Das ist eine Materialeigenschaft und diese Materialeigenschaft ist nicht so präzise festgelegt, wie man sich das wünscht. Der Punkt ist, dass es in der Definition eine Ungenauigkeit gab, es wurde nämlich nur von Wasser geredet, und zwar von Wasser aus dem Ozean, und dieser Tripelpunkt hängt ab von der Isotopenverteilung in diesem Wasser","

    so Wolfgang Buck, Leiter der Abteilung Temperatur und Synchrotronstrahlung bei der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt in Berlin. Die Metrologieinstitute, die für die Eichung von Thermometern zuständig sind, kaufen deshalb alle das gleiche so genannte "gemittelte Ozeanwasser" bei der internationalen Atomenergieorganisation in Wien. Das ist aber keine Lösung. Denn aus den Transportgefäßen diffundieren Mineralien in das Wasser. Dadurch schwankt der Tripelpunkt zwar nur um etwa 0,001 Promille. Für die an Genauigkeit gewohnten Physiker ist das zu ungenau. Statt die Temperatur über eine Materialeigenschaft festzulegen, besinnen sie sich deshalb jetzt auf physikalische Gesetze. Buck:

    ""Für die Temperatur ist es ganz wichtig, dass das eine Anzeige der inneren Energie oder der thermischen Energie eines Systems ist, zum Beispiel der Elektronen in einem Leiter, zum Beispiel eines eingeschlossenen Gases."

    Damit handeln sich die Metrologen das nächste Problem ein: wie misst man die innere Energie genau genug? Die innere Energie ist die Geschwindigkeit, mit der sich die Gasteilchen bewegen. Die kann man nicht direkt messen. Wolfgang Buck bestimmt deshalb elektrische Eigenschaften eines Gases. Aus ihnen kann er auf die innere Energie schließen. Buck:

    "Es gibt noch eine andere Möglichkeit. Die Schallgeschwindigkeit in so einem Volumen zu messen, das ist im Augenblick die genauste Methode."

    Damit die Temperaturskala eingeführt werden kann, müssen mehrere Methoden genau genug funktionieren und gleiche Ergebnisse liefern. 2011 soll es so weit sein. Die neue Skala wird dann so eingeführt, dass die Metrologen den Wert einer bestimmten Naturkonstante ein für alle Mal festlegen. Sie gibt an, wie innere Energie in Temperatur umgerechnet wird. In der gleichen Art wird zurzeit das gesamte Messwesen umgekrempelt. Was die Sekunde und das Meter angeht ist das schon geschehen, an neuen Definitionen für das Kilogramm und andere Größen wird noch gearbeitet. Buck:

    "Wir wollen jetzt insgesamt die Maßeinheiten auf Naturkonstanten zurückführen, weil wir davon ausgehen, dass dann über viele Jahre ein Bezugssystem vorhanden ist, das sich nicht mehr ändert, das sich weltweit nicht mehr ändert, das sich zeitlich nicht mehr ändert, das sich im Grunde im ganzen Kosmos nicht mehr ändern soll."

    Menschen, die nicht so exakt arbeiten wie Physiker, werden von der neuen Definition der Temperatureinheit allerdings nichts mit bekommen. Denn die neue Skala wird so festgelegt, dass Wasser auf Meeresspiegelniveau immer noch bei ungefähr Null Grad frieren und bei 100 Grad kochen wird.