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Terror, Extremismus, Gewalt
Wahlkampf mit der inneren Sicherheit

Die innere Sicherheit spielt seit den 1970er-Jahren bei jedem Bundestagswahlkampf eine zentrale Rolle. Oft konnte die Union bei diesem Thema punkten. Doch in diesem Jahr scheint vieles anders zu sein. Schließlich ist die CDU seit Jahren in der Regierungsverantwortung. Schrille Töne sind wohl nur von einer Partei zu erwarten.

Von Gudula Geuther | 11.08.2017
    Die Polizei zeigt verstärkt Präsenz im Schlossgarten, in dem Jugendliche während eines Stadtfestes am 17.07.2017 in Schorndorf feiern.
    Wahlkampfthema innere Sicherheit: Von den etablierten Parteien sind 2017 moderate Positionen zu erwarten. (dpa-Bildfunk / Deniz Calagan)
    Terror, Gewalt, Verbrechen - jahrzehntelang war die innere Sicherheit mindestens ein Schwerpunkt in Bundestagswahlkämpfen. Das hatte seinen Grund. Der Kriminologe Hans-Jörg Albrecht forscht seit Langem zu Sicherheitsempfinden und Sicherheitspolitik.
    "Die innere Sicherheit hat in den 1970er-Jahren eine ganz, ganz ausgeprägte Rolle gespielt, dann noch mal in den 1980er-Jahren mit dem deutschen Terrorismus. Das hat sich dann etwas gelegt. Die Bedeutung ist zurückgegangen. Es ist dann zu einem weiteren Aufgreifen in Zusammenhang mit internationalem Terrorismus, insbesondere auch internationaler Organisierter Kriminalität gekommen in den 1990er-Jahren."
    In diesem Jahr dagegen sagt der SPD-Vorsitzende Martin Schulz: "Für mich ist Innenpolitik ehrlich gesagt denkbar ungeeignet für den Wahlkampf. Ich weiß, dass es im Wahlkampf eine riesige Rolle spielt. Aber es ist eine Daueraufgabe. Weil Bürgerinnen und Bürger einen Anspruch darauf haben, dass der Staat ihre Sicherheitsbedürfnisse und ihre Sicherheitsinteressen kontinuierlich respektiert."
    Die innere Sicherheit - traditionell ein Thema für die CDU
    Viele hatten erwartet, dass sich vor allem CDU und CSU das Thema auf die Fahnen schreiben würden - so wie im Frühjahr im Landtagswahlkampf in Nordrhein-Westfalen. Traditionell konnte die Union mit dem Thema punkten. Regelmäßig trauen Wähler gerade ihr eine hohe Kompetenz in der inneren Sicherheit zu. Tatsächlich aber spielt sich der Wahlkampf - mindestens im engeren Sinn - auf anderen Feldern ab. Als die CDU-Vorsitzende Angela Merkel Anfang Juli das gemeinsame Programm der Unionsparteien vorstellt, ist genau dieses zur inneren Sicherheit zu hören.
    "Wir verwenden eine gemeinsame Definition für Sicherheit - Sicherheit nach innen und nach außen. Wir setzen uns für einen starken Staat ein. Wir werden die Polizei verstärken, wir werden die Bundeswehr fortentwickeln und wir sind der Meinung, Sicherheit hängt auch ganz stark mit dem Thema Entwicklungszusammenarbeit und Krisenprävention zusammen."
    "Wir werden die Polizei verstärken" - ein Halbsatz in einer 50-minütigen Pressekonferenz, keine Journalisten-Nachfragen, keine Ergänzung durch den neben Merkel sitzenden CSU-Vorsitzenden Horst Seehofer. Der Leiter des Freiburger Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Strafrecht, Hans-Jörg Albrecht, nennt einen Grund dafür. Der gilt nicht nur, aber auch für die CDU der lange sogenannten Flüchtlingskanzlerin Angela Merkel.
    "Dass die politischen Programme Kriminalität, Terrorismus, Organisierte Kriminalität nicht mehr so in den Mittelpunkt rücken, hat sicher damit zu tun, dass gerade in Zusammenhang mit der Immigration die großen und die kleineren Parteien in aller Regel vermeiden wollen, dass Assoziationen hergestellt werden mit Immigration, mit Fluchtbewegungen und so weiter."
    In aller Regel - Ausnahme sind die Parteien wie die AfD, die gerade auf diese Assoziation setzen. Insgesamt aber stützen Umfragen Albrechts Analyse. So der ARD-Deutschlandtrend im vergangenen Monat. Unter den wichtigsten politischen Problemen in Deutschland bringen es innere Sicherheit, Kriminalität und Terror gerade mal auf Platz sechs. Flüchtlinge, Asyl und Zuwanderung dagegen stehen nach Ansicht der Befragten ganz oben.
    "Weniger Emotionalisierung im Hinblick auf Sicherheit"
    Trotzdem kann der Befund auf den ersten Blick erstaunen. Denn in der vergangenen Legislaturperiode hat die innere Sicherheit eine herausgehobene Rolle gespielt - und zwischenzeitlich nutzten die Parteien das Feld auch durchaus zur politischen Profilierung. Das gilt für den langen Streit um die Vorratsdatenspeicherung. Es gilt für die neuen, umfangreichen Befugnisse des Bundeskriminalamtes, für schärfere Strafen für Wohnungseinbrüche, für medienwirksame Präsentationen von Neuerungen wie einer verstärkten Anti-Terror-Einheit der Bundespolizei oder - gerade erst - Praxisversuchen zur intelligenten Videotechnik für die Gesichtserkennung.
    Es gilt auch für die vielfachen Verschärfungen des Ausländer- und Asylrechts, soweit es mit der Sicherheit zu tun hat, wie etwa bei der Abschiebung straffällig gewordener Ausländer oder bei erweiterten Haftmöglichkeiten für sogenannte Gefährder. Auf solche - nach der eigenen Lesart: Erfolge - weist auch das Unions-Wahlprogramm hin. Und es stellt Forderungen auf: Nach besserer Zusammenarbeit von Bund und Ländern, nach konkreten Instrumenten wie intelligenter Videotechnik oder erweiterter DNA-Analyse, nach mehr Personal und Kompetenzen für Behörden und anderes mehr.
    Der Kriminologe Albrecht stellt gleichwohl im Vergleich mit früheren Jahren fest, "dass in den Wahlprogrammen, die heute sichtbar sind, sehr viel weniger Emotionalisierung im Hinblick auf Sicherheit und Sicherheitsbedürfnisse vorhanden ist."
    Die CDU will nicht polarisieren
    Wobei die CSU wie auch in anderen Jahren deutlich weiter geht als die Schwesterpartei. Im sogenannten Bayernplan fordert sie etwa die Möglichkeit, sogenannte extremistische Gefährder - egal ob In- oder Ausländer - über längere Zeiträume festzusetzen. Das nimmt Gedanken auf, wie sie vor allem nach dem Terroranschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt aufgekommen waren - und die schon aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht weiter verfolgt wurden.
    Das gemeinsame Programm von CDU und CSU macht deutlich zurückhaltendere Vorschläge. So sollen - wie schon in diesem Jahr geschehen - Polizei und Bundeswehr die Abwehr eines besonders schweren Terrorangriffs üben können. Das Gemeinsame Terror-Abwehrzentrum in Berlin soll gestärkt werden.
    Diese Zurückhaltung der CDU, der größten Regierungspartei, mag auch daran liegen, dass die Polarisierung aus der Position dessen, der jahrelang gestalten konnte, schwerer fällt.
    Das allerdings ändert sich im Juli.
    Populisten geißeln linken Extremismus
    Die Auseinandersetzung nach den Krawallen am Rand des G20-Gipfels in Hamburg gibt den Wahlkämpfern keinen Anlass, sich zurückzuhalten. Der Schlagabtausch kann in den klassischen Bahnen und Zuschreibungen von rechts und links verlaufen. Und zwar nicht nur, weil der Hamburger Bürgermeister Olaf Scholz der SPD angehört, auch wenn die Auswahl des Standorts auf Kanzlerin Angela Merkel zurückging. Die innere Sicherheit wird über die konkreten Schuldzuweisungen hinaus zum breiteren Aufreger-Thema mit klarem Wahlkampfgetöse. Die AfD und ihr Spitzenkandidat Alexander Gauland bringen es auf den einfachsten Nenner: "Der Feind dieses Staates - nach Hamburg - steht links, und nicht rechts. Und das ist das Problem."
    Der FDP-Chef Christian Lindner drückt es anders aus: "Die Politik der falschen Toleranz gegenüber dem Linksextremismus muss beendet werden. Das ist jetzt die Nagelprobe für SPD, Grüne und Linkspartei."
    Und auch Bundesinnenminister Thomas de Maizière, CDU, zeigt mit dem Finger auf das linke Spektrum insgesamt: Der Verfassungsschutz und er selbst hätten dem Linksextremismus immer die gleiche Bedeutung beigemessen wie dem Rechtsextremismus.
    "Das ist aber, das ist nicht überall der Fall. Weil es zwischen linksdemokratischen und linksextremistischen Gruppieren Überlappungen gibt, und ein Empörungsritual. Wenn man darauf hinweist, werden Polizei und Sicherheitsbehörden verunglimpft."
    Gemeint sind zum einen Äußerungen wie die von Katja Kipping. Die Linken-Chefin hatte von in Hamburg "marodierenden Polizisten" gesprochen - was sie später bedauert. Auch die Grünen sind in der Defensive. Parteichefin Simone Peter erklärt:
    "Ganz klar ist: Gewalttäterinnen und Gewalttäter, die haben kein inhaltliches Anliegen, die wollen in erster Linie zerstören. Und es ist traurig, dass diese Bilder dann im Kontext standen zu einem Protest gegen einen Gipfel, den man tatsächlich inhaltlich massiv angreifen kann, aber eben nicht mit gewalttätigen Mitteln."
    Streit um die sogenannte Demokratieerklärung
    Die Union versucht, den politischen Gegner vor sich her zu treiben. CDU-Generalsekretär Peter Tauber fordert mehr Distanzierung ein:
    "Die Linkspartei verharmlost das, SPD und Grüne relativieren die Auswüchse teilweise. Laut Herrn Stegner hat Linksextremismus nichts mit Links-Sein zu tun. Diese Formen von Relativierung finden wir unerträglich."
    Dahinter stecken teilweise echte Konflikte, die innerhalb der Parteien nie vollständig aufgearbeitet wurden. Der CDU-Generalsekretär macht aber klar, dass es hier nicht nur darum geht, auf wirklich bestehende Abgrenzungsdefizite zu Extremisten hinzuweisen. Wie andere aus der Partei auch nutzt er die Auseinandersetzung zum Angriff auf den Koalitionspartner - mit einer Frage aus der Anfangszeit der schwarz-roten Koalition. Damals hatte neben Grünen und Linken auch die SPD darauf gedrungen, dass die sogenannte Demokratieerklärung abgeschafft wird.
    "In der Vergangenheit mussten Gruppen, die mit Demokratiemitteln gefördert worden sind im Kampf gegen politischen Extremismus, ein Bekenntnis zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung ablegen."
    Eine europäische Datei für Extremisten?
    Was viele, auch unverdächtige Initiativen, die keine Ehrenerklärungen für ihre Kooperationspartner ablegen wollten, als Generalverdacht empfanden. Der CDU-Politiker Thomas de Maizière war schließlich selbst 2014 mit der damaligen Familienministerin Manuela Schwesig, SPD, vor die Presse getreten, um die Abschaffung dieser Erklärung zu verkünden - auch um zu verhindern, dass Projekte zur Förderung der Demokratie faktisch blockiert werden. Jetzt, kurz vor der Wahl, und ohne dass irgendeine konkrete Verbindung zu den G20-Krawallen benannt würde, löst sich die Union von dem Konsens. Peter Tauber:
    "Auf Druck von vor allem ganz linken Gruppen ist diese Demokratieerklärung abgeschafft worden. Vielleicht fragt man sich jetzt noch mal, warum. Und es ist nach wie vor bedauerlich und falsch, dass die SPD diesem Ruf von ganz links gefolgt ist."
    Auf diese konkrete Kritik geht die SPD nicht ein, in anderer Hinsicht aber tritt sie nach den gewalttätigen Auseinandersetzungen die Flucht nach vorn an. Es ist unter anderem ihr Justizminister Heiko Maas, der nach Hamburg Signale für Verschärfungen, für mehr Sicherheit geben will. Eine europäische Datei für Extremisten soll helfen, findet auch Parteichef Martin Schulz.
    "Die Debatte, die jetzt geführt wird, verstellt den Blick für eins: Wir müssen dafür sorgen, dass diese marodierenden Banden in Europa nicht frei rumlaufen, nicht frei rumziehen können. Deshalb fand ich den vernünftigsten Vorschlag der letzten 72 Stunden, den ich gehört habe, den, dass wir ein Register aller europäischen Sicherheitsorgane in allen Mitgliedsländern der EU brauchen, diese Typen zu identifizieren, damit sich das nicht wiederholen kann, was da in Hamburg abgelaufen ist."
    SPD will das Thema nicht der Union überlassen
    Sei es unter dem Druck des politischen Gegners und der Hamburger Bilder; sei es, weil es ohnehin die Botschaft ist, die die SPD für den Wahlkampf setzen will: Die Partei positioniert sich mit dieser Forderung gegen Bedenken von Datenschützern für die Sicherheit. In den vergangenen vier Jahren hatte Justizminister Maas anfangs noch versucht, mit seinem Widerstand gegen die Vorratsdatenspeicherung die Genossen in der Koalition als Vertreter freiheitlicher Positionen darzustellen - bis der damalige Parteichef Sigmar Gabriel entschied, das Feld der inneren Sicherheit nicht allein der Union zu überlassen.
    Seitdem hat die SPD in der Regierung viele der Projekte zur inneren Sicherheit abgemildert, wie eben auch bei der Vorratsdatenspeicherung. Und sie hat die insgesamt sehr weitgehenden Verschärfungen des Sicherheitsrechts durch die Koalition, die CDU und CSU in ihrem Wahlprogramm für sich reklamieren, mitgetragen. Die Flügelkämpfe, die sich die Genossen in diesen Fragen intern liefern, sind dem Wahlprogramm nicht direkt anzusehen. Den angestrebten Zweiklang formuliert Boris Pistorius, Niedersachsens Innenminister, der der SPD-Politik der inneren Sicherheit im Wahlkampf ein Gesicht geben soll. Zuerst mit der Warnung vor wachsendem Extremismus von islamistischer und rechter Seite.
    "Wir wollen noch mehr Prävention. Wir wollen noch mehr dafür tun, dass junge Menschen nicht in diese Richtungen abdriften. Wir müssen und wollen die Errungenschaften unserer Verfassung weiter hervorheben und unsere weltoffene und solidarische Gesellschaft betonen, um die Werte auch der nachwachsenden Generation zu vermitteln. Und gleichzeitig muss es darum gehen, die wehrhafte Demokratie zu zeigen. In dem, was wir tun, in dem, wie wir handeln, aber auch in dem, worüber wir reden."
    SPD: Keine Militarisierung der öffentlichen Sicherheit
    Vieles, was die SPD fordert, findet sich so auch bei CDU und CSU. Parteichef Martin Schulz steht dazu: Sicherheit sei eine Daueraufgabe. "Ich glaube, dass es deshalb keinen Sinn macht, hinzugehen und zu sagen: Ja, da habt Ihr aber die gleiche Auffassung wie die CDU. Wenn die CDU die gleiche Auffassung hat wie wir, freuen wir uns."
    Allerdings nimmt er für seine SPD einen anderen Stil in Anspruch. Der Union wirft er vor, Ängste zu schüren, um sich dann als Retter darzustellen. Akzente im SPD-Wahlprogramm sind die europäische Zusammenarbeit, auch etwa in einem europäischen Anti-Terror-Zentrum, und eine klare Aussage: Eine Militarisierung der öffentlichen Sicherheit lehnen wir ab, schreiben die Genossen, und meinen: Die Möglichkeiten, die Bundeswehr im Innern einzusetzen, sollen nicht ausgeweitet werden.
    Grüne setzen auf Prävention und effektivere Strafverfolgung
    Das wollen auch Grüne und Linke nicht. Auch die Grünen erheben Vorwürfe - allerdings nicht nur gegen CDU und CSU, sondern gegen die gesamte Regierung. Sie male das - Zitat - "verzerrte Drohbild eines gegen Terror und Kriminalität hilflosen Staates". Statt - wie es im Programm heißt - immer weitgehenderer Grundrechtseingriffe, die die Freiheit schwächten, setzen die Grünen auf Prävention, eine effektivere Strafverfolgung und auf bessere Vernetzung, so die Innenpolitikerin Irene Mihalic.
    "Wo wir allerdings ein Problem haben, das sich immer deutlicher zeigt, ist dass wir unsere Strukturen überdenken müssen. Also im föderalen Gefüge die Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern, die Zusammenarbeit auch auf europäischer Ebene, daran müssen wir dringend arbeiten."
    Linke gegen flächendeckende Videoüberwachung
    Die Vorratsdatenspeicherung lehnen sie ab - so wie auch eine flächendeckende Videoüberwachung. Mit Betonung auf "flächendeckend". Denn im Einzelfall sperren sich die Grünen hier nicht - ebenso wenig wie die Partei Die Linke. Deren Innenpolitiker Frank Tempel:
    "Wir sind gegen eine flächendeckende Videoüberwachung, weil die nichts bringt, Täter stellen sich dann darauf ein. Sondern ganz gezielt Videomaterial an kriminologisch relevanten Orten zu nutzen - das haben wir ja auch, und das lehnt auch niemand ab."
    Einig ist sich die Linkspartei auch darin mit den Grünen, dass die Anti-Terror-Gesetzgebung der vergangenen Jahre auf den Prüfstand gehört. Die Vorratsdatenspeicherung lehnt die Linke ebenso ab wie die Online-Durchsuchung der Festplatte, Späh- und Lauschangriffe und Rasterfahndung. Wie die Grünen will auch die Linke vor allem in Programme und Instrumente gegen Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit investieren.
    Gemeinsame Positionen von Grünen, Linken und der FDP
    So unterschiedlich viele andere Positionen sein mögen - in der inneren Sicherheit ist der Bereich, in dem sich Grüne und Linke mit der FDP überschneiden, immer noch groß. Auch die Freien Demokraten wollen die Vorratsdatenspeicherung abgeschafft wissen, setzen auf den sogenannten Quick Freeze, das Einfrieren von Telekommunikations-Verbindungsdaten, das schon die liberale Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger als Alternative präsentiert hatte. Besonderen Wert legen die Liberalen auf die Kontrolle der Geheimdienste - und treffen sich auch hier mit den anderen beiden Parteien.
    AfD auf dem Sonderweg
    Ganz andere Wege geht die AfD. Wie die CDU auch will sie der Polizei konkrete neue Instrumente geben, darunter die erweiterte DNA-Analyse und intelligente Videotechnik. Unter der Überschrift "Innere Sicherheit" findet sich außerdem auch Überraschendes - etwa Kritik am deutschen Staatsbürgerschaftsrecht. Die AfD will unter anderem den Waffenerwerb unbescholtener Bürger erleichtert wissen, und sie will, dass junge Menschen ab 12 Jahren strafmündig sind. Ob solche Forderungen ziehen, hängt vom Sicherheitsgefühl in der Bevölkerung ab. Ohne Bezug zu konkreten Parteien sagt Hans-Jörg Albrecht, der Leiter des Freiburger Max-Planck-Instituts:
    "Ich gehe davon aus, dass die Sicherheitsgefühle gestiegen sind in den letzten 20 Jahren, das ist ganz deutlich. Und das entspricht an sich der Abnahme solcher Kriminalitätsformen wie Autodiebstähle, Autoaufbrüche, Wohnungseinbrüche, Straßenkriminalität, die für die einzelnen Bürgerinnen und Bürger erhebliche direkte Bedeutung haben. Das wird, denke ich, auch spürbar und das sieht man auch in der Entwicklung der Einstellung zur Sicherheit, der Sicherheitsgefühle."
    Das ist die allgemeine Tendenz. Für konkrete Wählergruppen mag das allerdings anders aussehen, unter anderem für Wähler der AfD. In dieser Woche veröffentlichte die gewerkschaftsnahe Hans-Böckler-Stiftung Ergebnisse einer Befragung. Auch sie stellt fest, dass sich die Mehrheit der Bevölkerung keine großen oder keine sehr großen Sorgen über Kriminalität und Gewalt im näheren Umfeld macht - bei Anhängern der AfD sieht das anders aus. 38 Prozent im Schnitt aller Befragten stehen da 62 Prozent der AfD-Anhänger gegenüber - der Abstand ist damit größer als in irgendeinem anderen der abgefragten Politikfelder.
    Parteiübergreifender Konsens beim Thema Polizei
    Trotz solcher Unterschiede: In einem Bereich sind sich alle Parteien einig. Und alle messen ihm besondere Bedeutung bei. Die Polizei soll deutlich mehr Personal bekommen. Dass das nötig ist, darin stimmen Fachleute überein. Der Personalabbau früherer Jahrzehnte wurde zwar gestoppt, teilweise haben die Länder ihre Polizisten auch wieder aufgestockt. Gleichzeitig aber sind die Aufgaben gewachsen. Oliver Malchow, der Chef der Gewerkschaft der Polizei, zeichnete vor wenigen Tagen ein düsteres Bild. Seine frühere Polizeikriminaldienststelle, beklagt er, hätte etwa Opfer von Wohnungseinbrüchen durch unzureichende Ermittlungen zum zweiten Mal zum Opfer gemacht.
    "Man könnte auch sagen, dass wir in vielen Bereichen diese Wohnungseinbrüche, obwohl das ja gravierende Delikte sind, zum Teil auch verwaltet haben. Nicht weil wir keine Lust hatten, diese zu bearbeiten, sondern weil die personellen Ressourcen so waren. Und das ist kein handlungsfähiger Staat."
    15.000 zusätzliche Stellen in Bund und Ländern wollen CDU/CSU und auch die SPD. Mehr Neueinstellungen, mehr Personal auf der Straße fordern auch Linke, Grüne, FDP und AfD. Wobei Linke und Grüne sich auch wünschen, dass genauer hingeschaut wird, wie die Arbeit sinnvoller verteilt werden kann. Alle Parteien haben sich in diesem Punkt also viel vorgenommen. Und sie haben ein Problem: Denn ganz überwiegend ist Polizei Ländersache. Der Einfluss des Bundes ist gering. Zumindest an ihrem Bemühen aber werden sich die Parteien nach dem 24. September messen lassen müssen - wer auch immer danach regieren wird.