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Terror in Paris
Flüchtlinge unter Verdacht

Einer der Attentäter von Paris ist möglicherweise Anfang Oktober als Flüchtling über Griechenland in die EU gekommen. Das teilte der griechische Zivilschutzminister mit. Prompt gibt es vonseiten der Politik Forderungen, den Flüchtlingsstrom zu begrenzen. Dabei sehen Fachleute die Gefahr ganz woanders.

14.11.2015
    Flüchtlinge stehen in einer Schlange vor einem weißen Zelt an.
    Diese Flüchtlinge wollen von Rostock aus nach Schweden fahren. Angesichts der Terroranschläge von Paris mehren sich die Stimmen, Flüchtlinge an der Grenze stärker zu kontrollieren. (dpa / Bernd Wüstneck)
    Einer der Attentäter von Paris ist möglicherweise Anfang Oktober als Flüchtling über Griechenland in die EU gekommen. Das teilte der griechische Zivilschutzminister Nikos Toskas am Samstag in einer Erklärung mit. Demnach war der Inhaber des an einem der Tatorte in Paris gefundenen syrischen Reisepasses am 3. Oktober auf der Insel Leros eingereist. Dort sei er "nach EU-Regeln" identifiziert worden.
    Man wisse nicht, ob der Reisepass in anderen Ländern kontrolliert wurde, durch die der Mann wahrscheinlich gereist sei, ließ Toskas weiter erklären. Zuvor war aus französischen Polizeikreisen verlautet, der Pass sei in der Nähe der Leiche eines der Angreifer in der Konzerthalle Bataclan entdeckt worden. Laut Polizeikreisen gehen die Ermittler zusammen mit ausländischen Geheimdiensten derzeit einer "syrischen Spur" nach.
    "Paris ändert alles"
    In einer ersten Reaktion nach der Anschlagsserie von Paris forderte Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) verstärkte Kontrollen an den europäischen Außengrenzen und den nationalen Grenzen. "Wir müssen wissen, wer durch unser Land fährt. Das ist das Gebot der Stunde. Wir müssen sehr, sehr schnell festlegen, wie das mit den Grenzkontrollen in Europa und an unseren Binnengrenzen weitergeht", sagte Seehofer. Es seien dringend zusätzliche Sicherheitsanforderungen nötig.
    Seehofers CSU-Parteikollege, Markus Söder, pflichtete ihm bei. Die Zeit "unkontrollierter Zuwanderung und illegaler Einwanderung" könne so nicht weitergehen. "Paris ändert alles."

    "Nicht mit dem Schicksal der Flüchtlinge verquicken"
    BundesInnenminister Thomas de Maizière (CDU) warnte davor, die Anschläge politisch auszuschlachten. Er bat darum, "dass jetzt nicht vorschnell irgendein Bogen zur Debatte um das Thema Flüchtlinge geschlagen wird". Auch der SPD-Parteivorsitzende Sigmar Gabriel warnte vor Aktionismus. Jetzt müsse höllisch aufgepasst werden, dass die Mordtaten des IS nicht mit dem Schicksal der Flüchtlinge aus Syrien, Jordanien, Irak oder Afghanistan verquickt würden: "Wir dürfen sie jetzt nicht darunter leiden lassen, dass sie aus den Regionen kommen, aus denen der Terror zu uns in die Welt getragen wird." Die muslimischen Flüchtlinge könnten nichts dafür, "dass Mörder in Frankreich unter dem Namen einer Religion die Menschen und Europa bedrohen".
    Die Politik müsse analytisch versuchen, zwischen den Terroranschlägen und der Flüchtlingskrise zu trennen, unterstrich SPD-Außenpolitiker Rolf Mützenich im Deutschlandfunk. Der deutschen Bevölkerung sei klar, dass die meisten Menschen, die aus Syrien kämen, ja genau vor diesem Terror fliehen würden.
    Bislang gingen bei Polizei und Geheimdiensten in Deutschland etwa 100 Hinweise auf mögliche Terroristen ein, die als Flüchtlinge getarnt ins Land gekommen sein sollen. Davon habe sich der Verdacht bisher aber in keinem einzigen Fall bestätigt, heißt es aus Sicherheitskreisen. "Aber man darf den IS nicht unterschätzen", meint der Terrorexperte Rolf Tophoven. "Die Gefahr ist nicht auszuschließen. Unsere Sicherheitsbehörden können nicht jeden kontrollieren."

    Polen will keine Migranten mehr aufnehmen
    Nach Einschätzung von Fachleuten dürften Terroristen eher auf anderem Weg versuchen, nach Deutschland zu kommen - etwa mit gefälschten Papieren im Flieger. Polizei und Geheimdienste beobachten allerdings, dass Islamisten versuchen, junge Flüchtlinge, die schon in Deutschland sind, zu rekrutieren.
    Unterdessen teilte die neue polnische Regierung nach den Anschlägen von Paris mit, keine Flüchtlinge im Rahmen des EU-Umverteilungsprogramms aufzunehmen. Dies kündigte der designierte Europaminister Konrad Szymanski an.
    Bei der Anschlagsserie waren am Freitagabend in der französischen Hauptstadt mindestens 122 Menschen getötet und mehr als 300 verletzt worden.

    (al/stfr)