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Terroranschläge
Italien weniger gefährdet

Bislang ist Italien von Terroranschlägen verschont geblieben - trotz der Ankündigung des sogenannten Islamischen Staats, Rom anzugreifen. Im Vergleich zu anderen europäischen Ländern schätzen Experten die Gefahr eines Anschlags als verhältnismäßig gering ein. Woran liegt das?

Von Jan-Christoph Kitzler | 16.11.2016
    Blick auf Europas größte Moschee in der italienischen Hauptstadt Rom. Die Moschee bietet Platz für bis zu 2000 Menschen.
    Europas größte Moschee befindet sich in Rom. Dort kommen Schiiten, Sunniten und Sufi zum Freitagsgebet zusammen. (dpa/Lars Halbauer)
    Zwar versuchen die Rechtspopulisten auch in Italien die Terrorangst zu schüren und einen Zusammenhang herzustellen zwischen der Einwanderung nach Europa und der Gefahr von Anschlägen. Aber tatsächlich ist die Terrorgefahr in Italien wohl geringer als in anderen Ländern Europas.
    Zum einen liegt das an den Sicherheitsbehörden: Italien ist gut aufgestellt, sagt Andrea Margelletti, der das Zentrum für internationale Studien in Rom leitet, einen privaten Think Tank. Jedes Jahr werden Dutzende sogenannte Gefährder abgeschoben, die Geheimdienste haben im In- und Ausland ein gutes Netzwerk und vor allem: Die Sicherheitsbehörden, Polizei und Geheimdienste tauschen seit dem 11. September ihre Informationen aus. Schon dadurch lässt sich viel an Terrorgefahr eingrenzen:
    "Dadurch, dass in Italien der Informationsaustausch funktioniert, kann man sie vorab stoppen. Das heißt nicht, dass wir alle stoppen, irgendwer kann immer durchs Netz schlüpfen. Aber zur Zeit funktioniert das System sehr gut - hoffen wir, dass es so bleibt."
    Einwanderung aus dem Mittleren Osten ist noch relativ jung
    Margelletti will gar nicht abstreiten, dass es einen Zusammenhang geben kann zwischen einer steigenden Terrorgefahr und der Einwanderung. Aber: die Einwanderung zum Beispiel aus dem arabischen Raum gibt es in Italien noch nicht lange. Und die allermeisten der Anschläge in Europa der letzten Jahre wurden von Europäern verübt, von Einwanderern der zweiten, dritten, vierten Generation. Die gibt es in Italien kaum:
    "Die Tradition der Einwanderung nach Italien aus dem Mittleren Osten ist noch relativ jung. Im Unterschied zu anderen Ländern, wo die Zahlen verhältnismäßig höher sind. Erst seit wenigen Jahren sind die Zahlen für Italien der Rede wert. Und entsprechend haben wir hier keine zweite, dritte, vierte Generation von Migranten, wie es in anderen Ländern der Fall ist."
    Gleichzeitig spielt der Islam in Italien eine andere Rolle - hier gibt es zwar fast zwei Millionen Muslime, aber sie leben stärker verteilt, muslimisch geprägte Stadtviertel wie in Frankreich, Belgien und auch Deutschland gibt es hier nicht. Dennoch ändert sich auch die islamische Gemeinschaft in Italien durch die Zuwanderung. Das berichtet Redouane Abdellah. Er ist Generalsekretär des Islamischen Kulturzentrums in Italien, mit Sitz bei der römischen Moschee, die immer noch die größte in Westeuropa ist:
    "Wir haben einen asiatischen Teil aus Bangladesch, der exponentiell ansteigt, auch aus Pakistan. Aus Staaten südlich der Sahara und aus dem arabischen Raum. Zu diesem normalen Teil der Migration kommt heutzutage noch die hohe Zahl an Flüchtlingen aus Syrien oder aus anderen instabilen Gegenden hinzu."
    Italien hat die Chance, Fehler zu vermeiden
    An der Moschee in Rom versuchen sie, einen Islam auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner zu pflegen. So kommen Schiiten, Sunniten und Sufi zum Freitagsgebet - und waren es anfangs noch Hunderte, sind es jetzt Tausende. Der neue Imam will nun das Freitagsgebet auf Arabisch und Italienisch abhalten - auch zum Zeichen, dass der Islam zu Italien gehört. Er muss mitten in der Gesellschaft verankert sein, sagt Redouane Abdellah. Deshalb sind die nur drei offiziellen Moscheen, die es in Italien gibt, viel zu wenige. Ein italienischer Islam könne auch die Antwort auf Extremismus sein:
    "Ein Risiko der Radikalisierung besteht immer, aber meistens ist das eine persönliche Entwicklung. Und deshalb ist es sehr schwer, das zu kontrollieren. Es geht nur mit einem nationalen Projekt der Integration. Dann haben die Radikalen nicht den Platz, wo sie auch Gewalt und Terrorakte rechtfertigen oder sich Terrorgruppen anschließen können."
    Beide, Redouane Abdellah vom italienischen islamischen Kulturzentrum und Andrea Margelletti vom Zentrum für internationale Studien, sind der Meinung, dass Italien die Chance hat, die Fehler zu vermeiden, die in anderen europäischen Ländern gemacht wurden. Sie lassen sich am besten als Nicht-Integration beschreiben.