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Terrorbedrohung in Frankreich
Kommission fordert Ein- und Ausreisebeschränkungen

Dem Kampf gegen den IS hatte sich Frankreich bereits vor den Anschlägen in Paris im Januar angeschlossen. Auch ein Bericht über die Bedrohungslage im Land wurde schon Ende 2014 in Auftrag gegeben. Kurz vor der Anti-IS-Konferenz in Paris nennt die zuständige Untersuchungskommission nun Fakten und Forderungen.

Von Ursula Welter | 02.06.2015
    Ein französischer Soldat patroulliert
    Die Kommission fordert mehr Personal für Spezialermittler und Staatsanwälte - mehr als die Hälfte aller jungen Franzosen, die sich dem Dschihad anschließen, sei polizeilich zuvor nicht erfasst gewesen. (picture alliance / dpa / Joel Le Gall)
    13. Januar 2015, die französische Nationalversammlung tagt. Parlamentspräsident Bartolone verliest die Namen der 17, die eine Woche zuvor ermordet worden waren. Die Attentäter, Charif und Said Kouachi und Amédy Coulibaly, waren in Frankreich aufgewachsen, waren in Frankreich in islamistische Kreise geraten.
    An diesem Tag gedenken die Parlamentarier der Opfer, bevor sie mit großer Mehrheit beschließen, dass Frankreich seinen Militäreinsatz im Irak gegen die Terrorgruppe "Islamischer Staat" fortsetzt. 488 Ja-Stimmen, eine Nein-Stimme. Luftangriffe im Irak, Unterstützung der gemäßigten Kräfte in Syrien: Frankreich exponiert sich auch militärisch im Kampf gegen den islamistischen Terror.
    "Ja", sagte Premierminister Manuel Valls an jenem 13. Januar, kurz nach den Attentaten also, "Frankreich befindet sich im Krieg gegen den Terrorismus, den Dschihadismus und den radikalen Islamismus." Attentate im eigenen Land, französische Staatsbürger, die in Geiselhaft geraten, gefoltert, ermordet werden, Cyber-Angriffe auf französische Medien, Zeitungen, Fernsehen:
    Allgegenwärtige Bedrohung durch islamistischen Terror
    "Da wurde ein Symbol Frankreichs und der Frankofonie getroffen", musste Valls einräumen, als im April über viele Stunden Hacker den Sender "TV 5 Monde" lahm legten. Die Bedrohung durch islamistischen Terror ist in Frankreich allgegenwärtig. Schon Ende letzten Jahres, vor den Attentaten also, setzte das Parlament deshalb eine Kommission ein, die sich der Überwachung dschihadistischer Kreise in Frankreich selbst widmen sollte. Nach sechs Monaten Recherche und Analyse legt diese Kommission heute ihren Bericht vor.
    Rund 1.500 junge Franzosen haben sich den islamistischen Kreisen angeschlossen: "C'est un phénomèn massif", erklärte Manuel Valls in der vergangenen Woche bei einer Podiumsdiskussion. Diese Erkenntnis komme spät, beklagt der konservative Berichterstatter im Parlament, Eric Ciotti. Nach den Anschlägen durch Mohammed Merah in Toulouse 2012 habe Frankreich wertvolle Zeit im Anti-Terrorkampf verloren.
    Kommission fordert systematische Passkontrollen
    Die Kommission fordert nun mehr Personal für Spezialermittler und Staatsanwälte, beschreibt aber auch, dass nicht alle jungen Franzosen, die sich in Syrien und dem Irak dem Dschihad anschließen, im Gefängnis radikalisiert wurden. Mehr als die Hälfte sei polizeilich zuvor nicht erfasst gewesen. Die Berichterstatter nennen es dennoch richtig, dass die Regierung die radikalen Anführer in den Gefängnissen isoliere.
    Die parteiübergreifende Kommission fordert in ihrem Bericht eine Änderung des Artikels 7 im Schengen-Raum, fordert das Recht auf systematische Passkontrollen bei Einreise aus einem Drittstaat und schlägt vor, dass Minderjährige Frankreich ohne Erlaubnis der Eltern nicht mehr verlassen dürfen.
    Regierung kämpft gegen Propaganda im Internet
    Mehr Mittel für die Geheimdienste, Hilfe für reuige Rückkehrer, die französische Gesetzgebung wird derzeit bereits auf vielen Ebenen der Bedrohungslage angepasst. Vor allem will die Regierung der Propaganda im Internet begegnen. Bereits im Januar wurde dieser 29-Sekunden Spot online gestellt, der mit der Lüge eines heldenhaften Kampfes aufräumt und die Brutalität der Islamisten in Syrien und dem Irak vor Augen führt.
    "Jetzt müssen wir eine neue Stufe erklimmen", sagte Manuel Valls vor ein paar Tagen. Da hatte die französische Regierung gerade Google, Twitter und Facebook ins Boot geholt, die nun helfen sollen, neue Anti-Dschihadisten-Botschaften zu entwickeln und zu transportieren. Der Staat alleine komme da nicht weiter, zumal die Terrorgruppen die Glaubwürdigkeit der Regierungen im Internet systematisch diskreditierten, sagte Valls. So sollen nun Computerfachleute, Hacker, Geheimdienstkräfte zusammenarbeiten.
    "Wir bekämpfen da keinen imaginären Gegner, sondern eine Organisation, die totalitär ist, die junge Leute, die womöglich sozial schwach und psychologisch angeschlagen sind, gezielt beeinflusst, um sie dann als Waffe gegen ihr eigenes Land einzusetzen."