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Terrorismus
Die Hinterlassenschaften des IS

Im Nordirak ist der sogenannte Islamische Staat militärisch geschlagen. Der IS existiert nicht mehr. Viele der Terroristen sind tot, die Überlebenden abgetaucht. Doch das Erbe der Gewaltherrschaft ist immens: zerstörte Dörfer und Städte, ständige Angst und Gesellschaften, die keinen Frieden finden.

Von Björn Blaschke und Susanne El-Khafif | 21.12.2017
    Zerstörung in Sindschar. Im Nordirak ist der IS militärisch geschlagen. Viele der Terroristen sind tot, die Überlebenden abgetaucht. Die Hinterlassenschaft des IS aber ist immens.
    Der IS hat viele Städte und Dörfer bis auf die Grundmauern zerstört (Deutschlandradio/Björn Blaschke)
    Mossul, 4. Juli 2014. Abu Bakr al-Baghdadi steht auf einer Kanzel, schwarzer Turban, schwarzer Bart, schwarzes Gewand. Eine eigenartig gebieterisch anmutende Erscheinung. Einem Rache-Engel gleich, Verkünder der Apokalypse.

    IS-Anführer Abu Bakr al-Baghdadi auf einem Propaganda-Video der Terrormiliz Islamischer Staat, bei einer Freitagspredigt in der Moschee von Mossul 2014.
    IS-Anführer Abu Bakr al-Baghdadi auf einem Propaganda-Video der Terrormiliz Islamischer Staat, bei einer Freitagspredigt in der Moschee von Mossul 2014 (dpa/ ISLAMIC STATE (Screenshot))
    Der Terrorist steht vor einem Mikrofon, bedient sich der Vortragsweise muslimischer Geistlicher. Er ruft das Kalifat aus, das "Reich der Rechtgläubigen" – nennt es "Islamischer Staat". Sich selbst macht er zu seinem geistlichen und weltlichen Führer. Er will in die Fußstapfen von Prophet Muhammad treten, dem Begründer des Islam.
    Nur wenige Wochen zuvor: Mitglieder der Terrororganisation "Islamischer Staat", überrennen und besetzen weite Teile des Nordirak und Syriens. Sie vertreiben Millionen und verschleppen Tausende. Sie morden, foltern, vergewaltigen. Sie plündern, brandschatzen und zerstören. Von den Propagandisten des IS in Szene gesetzt.
    Für die Welt unerwartet stellt der schnelle Eroberungszug das gesamte Staatsgefüge im Nahen Osten infrage. Es sind Grenzen, die einst Frankreich und Großbritannien gezogen hatten – 1916 - in einer geheimen Übereinkunft, dem sogenannten Sykes-Picot-Abkommen.
    Im Sommer 2014 erklärt ein Mitglied des IS eben dieses Abkommen für ungültig. Der chilenische Dschihadist posiert vor laufender Kamera an einem irakisch-syrischen Grenzübergang, den die Terrororganisation kurz zuvor eingenommen hat. Auf der einen Seite liegt die irakische Stadt al-Qaim, auf der anderen die syrische Stadt Albukamal.
    Die Region heute: Der IS ist militärisch mehrfach geschlagen – infolge zahlreicher Großoffensiven, an denen die Regierungen in Bagdad und Damaskus, verschiedene Milizen, aber auch der Iran, Russland und die USA beteiligt waren. Der IS als territoriales Gebilde existiert nicht mehr, viele der Terroristen sind tot, die Überlebenden abgetaucht.
    Immense Hinterlassenschaft
    Die Hinterlassenschaft des IS aber ist immens: Geblieben ist die Angst – geblieben sind Gesellschaften, die zerrüttet sind und keinen Frieden finden, geblieben sind zerstörte Dörfer, Städte und Landschaften.
    Der Fluss Tigris durchzieht die zweitgrößte Stadt des Landes, teilt Mosul in Ost und West. Das Westufer ist von Zerstörung gezeichnet, die Altstadt nicht mehr als eine einzige graue Trümmerlandschaft. Seit den letzten Bombardements im Juli 2017 kann hier niemand mehr wohnen. Jüngste Schätzungen der Vereinten Nationen besagen, dass es noch Jahre dauern wird, bis alle Minen geräumt sind. Solange werden die einstigen Bewohner nicht zurückkehren können.
    Glück im Unglück
    Manche von ihnen haben Glück im Unglück: Sie haben überlebt und sind auf der anderen Seite des Tigris untergekommen, im Osten der Stadt. Der war im Januar 2017 von den Terroristen befreit worden. Erstaunlich ist: Dieser Teil Mosuls wirkt fast so, als wäre der IS niemals hier gewesen und als hätte es keinen Krieg gegeben.
    Im Osten findet sich heute all das wieder, was der IS unterdrückt hatte und bei Missachtung grausam ahndete: Musik in Restaurants und Cafés; Sim-Karten für Handys; Internet; Frisöre, die Haare schneiden, Bärte stutzen oder gar abrasieren. Und doch: Trotz des lebendigen Treibens wirken Angst und Schrecken nach. Abu Muhammad, früh ergraut, erinnert sich:
    "Wir haben uns gefühlt wie zwischen Leben und Tod. Irgendwo dazwischen. Sie haben vom IS gehört; wir haben ihn erlebt: Wir haben erlebt, wie sie mordeten, wie sie Leute aufhängten, wir haben den Krieg erlebt. Wir haben alles gesehen."
    Abu Muhammad stammt aus dem zerstörten Westen der Stadt. Er wohnt heute im Osten. Verwandte haben ihn und seine Familie aufgenommen. So wie ihm ergeht es auch anderen Vertriebenen. Sie leben bei Verwandten und Freunden. Oder in einem der vielen Lager. 700.000 Menschen haben ihr Zuhause verloren – eine Zahl, die für West-Mosul gilt. Insgesamt gehen die Vereinten Nationen von fast sechs Millionen Menschen aus, die im Irak vor dem IS geflohen sind – die Hälfte von ihnen ist bis heute fern von ihrem Zuhause.
    "Sie wollten nicht, dass wir spielen"
    Zelte - soweit das Auge reicht. Abertausende. Inmitten von Steppe. Weiß, grau, aus Kunststoff, ordentlich an staubigen Wegen aufgereiht und durchnummeriert. Das Leben der Menschen ist hart. Sie darben, frieren und verdorren - wenn im Winter der kalte Wind durch die Steppe fegt und im Sommer die Sonne niederbrennt. Doch sie harren aus, haben wenig Hoffnung auf baldige Rückkehr. Die meisten kamen 2014 - hierher, ins Lager Kharbartu in Irakisch-Kurdistan. 2014, als der IS den Nord-Irak überfiel.
    In einem der Zelte lebt auch die Familie von Thomas Abdallah Hammou. Thomas war auf der Flucht von seiner Familie getrennt und von den Dschihadisten verschleppt worden. Damals war er acht Jahre alt. Ein Kind. Drei Jahre blieb er in Geiselhaft, lebte in Mosul.
    "Sie wollten nicht, dass wir spielen. Sie mochten es nicht. Ich habe keine Schule besucht, aber sie gaben uns Koran-Unterricht. Jeden Tag."
    Der jesidische Junge Thomas Abdallah Hammou trägt einen Verband um den Kopf. Bei einem Luftangriff der Anti-"IS"-Koalition wurde Thomas schwer verletzt aus Trümmern geborgen, dann operiert. 
    Der jesidische Junge Thomas Abdallah Hammou trägt einen Verband um den Kopf (Deutschlandradio/Björn Blaschke)
    Thomas musste seinem eigenen, dem jesidischen Glauben abschwören. Weil der IS die Jesiden als "Ungläubige" betrachtet. Und "Ungläubige", so die Auffassung der Terroristen, müssen zwangsbekehrt werden. Oder getötet.
    "Sie haben uns ständig geschlagen"
    Die Terroristen hatten dem entsprechend die Jesiden entweder an Ort und Stelle ermordet, die meisten im Sinjar, im alten Siedlungsgebiet der Jesiden im Nord-Irak. Tausende. Oder aber die Terroristen ließen die Jesiden am Leben und nahmen sie in Geiselhaft. Sie machten aus ihnen Sexsklavinnen oder sie bildeten sie aus: zu Selbstmordattentätern. Wie Thomas.
    "Sie haben uns ständig geschlagen. Wir mussten Schießen üben. Zwei meiner Freunde haben sich in die Luft gesprengt. Sie sind zum Training. Doch sie kamen nicht zurück. Ich war nicht traurig. Sie wollten sich ja in die Luft sprengen. Die IS-Leute hatten es nicht von ihnen verlangt. Sie sind freiwillig gegangen."
    Thomas hat heute einen modernen Haarschnitt; der Nacken ist ausrasiert; der lange Pony in die Stirn gekämmt. Im Sommer sah er noch anders aus, kurz nachdem Mosul befreit worden war. Bei einem Luftangriff der Anti-IS-Koalition wurde Thomas schwer verletzt aus Trümmern geborgen, dann operiert. Ein Foto zeigt ihn, einen bis auf die Rippen abgemagerten, hohlwangigen Jungen, mit Verbänden an Händen, Beinen und Kopf.
    Die äußeren Wunden sind heute verheilt. Doch wie sieht es aus mit den inneren, den seelischen Verletzungen?
    Tickende Zeitbomben
    Sara Hassan ist Sozialarbeiterin. Sie arbeitet in den Lagern, versucht Mädchen und Frauen, die jahrelang in Geiselhaft vergewaltigt wurden, zu helfen. Sara arbeitet auch mit den sogenannten "Dschihadisten-Kindern". Sie erzählt, wie überfordert alle seien: die Familien, die jesidische Gemeinschaft, die Gesellschaft im Nord-Irak.
    "Sie sind eine große Gefahr für andere Kinder. Sie leben in Lagern, in einem Zelt, auf 6 mal 4 Metern, oder noch weniger! Acht Geschwister, sie spielen zusammen, reden, sie indoktrinieren die anderen! Das ist ein Problem, das wir nicht lösen können."
    Immerhin: Die Jesiden können über ihre vom IS indoktrinierten Kinder sprechen. Denn niemand zweifelt daran, dass sie Opfer der Tyrannei wurden. Bei den sunnitischen Arabern sieht das anders aus. Da sie derselben Religionsgruppe angehören wie formal auch die Terroristen, stehen sie unter Generalverdacht, mit dem IS gemeinsame Sache gemacht zu haben. Sunnitische Araber trauen sich daher nicht, die Probleme ihrer Kinder öffentlich zu machen - auch wenn sie selbst nichts mit dem IS zu tun hatten.
    Unklar ist, wie viele Kinder und Jugendliche im Irak und in Syrien zu Terroristen ausgebildet wurden, dabei noch in Geiselhaft sind oder bereits als "Schläfer" darauf warten, zum Einsatz zu kommen. Sie gleichen "tickenden Zeitbomben", die jederzeit explodieren können.
    Kamaran Palani spricht davon, dass viele Menschen noch immer gehen wollen - obwohl der "IS" als staatsähnliches Gebilde nicht mehr besteht. Seine Saat aber, so der Politikwissenschaftler, sei aufgegangen.
    "Sie wollen einfach nicht in diesem Land bleiben. Der IS hat sie dazu gebracht. Jeder hat heute Angst, dass eine andere Organisation kommen wird, Terroristen, die dasselbe anrichten wie zuvor."

    Eine Straßenblockade nach der Befreiung Mossuls.
    Eine Straßenblockade nach der Befreiung Mossuls (Deutschlandradio/Björn Blaschke)
    Palani forscht am Middle East Research Institute, das seinen Sitz in Erbil hat, der Hauptstadt von Irakisch-Kurdistan.
    "60 bis 65 Prozent der Christen wollen gehen. Das Gleiche gilt für andere Minderheiten: Für Jesiden, Schabaks, Turkmenen, Kakais."
    "Wir werden niemals wieder mit den Arabern zusammenleben können!" – ein Satz, der heute häufig im Nord-Irak zu hören ist. Gemeint sind die Iraker, die Sunniten und Araber sind – die einstmals Nachbarn von Jesiden, Christen und/oder Kurden waren - mit denen man Handel trieb und Hochzeiten feierte, die auch Freunde waren."
    Der Irak ist eine multi-ethnische und multi-religiöse Gesellschaft, in der die Schiiten die Mehrheit stellen. Über Jahrhunderte aber hatten die sunnitischen Araber das Sagen, sie missbrauchten die Macht, errichteten ein Schreckensregime - bis 2003, als Diktator Saddam Hussein von den USA gestürzt wurde.
    Jetzt wurde der Spieß umgedreht. Die Amerikaner sorgten dafür, dass die Sunniten jegliche Machtposition verloren – so wurde die irakische Armee, wurde die baathistische Partei aufgelöst – ohne ein Pendant zu schaffen, das alle integrierte. Und: Washington unterstützte Regierungschef Nouri al-Maliki, einen Schiiten. Maliki sah eine historische Chance gekommen, diskriminierte nun seinerseits seine sunnitischen Landsleute, verwehrte ihnen im "Neuen Irak" die Mitsprache. Im Regime Malikis wurden Sunniten inhaftiert, gefoltert und umgebracht.
    Was viele in den Widerstand trieb. Einige schlossen sich der Terror-Organisation El Kaida an, unter ihnen führende Militärs der aufgelösten Armee Saddam Husseins – und aus El Kaida ging später der IS hervor.

    Als der IS dann im Sommer 2014 seinen "Siegeszug" antrat und fast ohne Gegenwehr weite Landstriche in Syrien und im Irak überrannte und seinen "Staat" ausrief, sahen auch gewöhnliche sunnitische Araber einen Wechsel nahen. Viele machten gemeinsame Sache mit den Terroristen, verhinderten die Flucht jesidischer Nachbarn, lieferten sie ihren Schlächtern aus. Kamaran Palani:
    "IS-Kämpfer haben gesagt, es gehe darum, die Würde der sunnitischen Araber wiederherzustellen. Ihre Macht. Ihre Geschichte. Und ich denke, dass sie auch in Zukunft so handeln werden. Wann immer sich die Gelegenheit bietet: Sie werden alles hinter sich lassen – sich nur darauf konzentrieren."
    Misstrauen. Auch bei einem Politikwissenschaftler. Eine Rückkehr in alte Zeiten hält Palani für falsch.
    "Ich denke, es wäre nicht einfach in das Jahr 2014 - also in die Zeit vor dem IS zurückzukehren. Vor allem aber wäre es nicht die richtige Politik. Denn eben die hat ja erst zum Aufkommen, zur Existenz des IS geführt."
    Wiederherstellung der staatlichen Gewalt gefordert
    Wie also in Ruinen neues schaffen?
    Der Staat muss das Gewaltmonopol zurückerlangen, fordert der Politikwissenschaftler. Für ihn steht das an erster Stelle. Und dann müsse der Staat dringend einen Kurswechsel vornehmen: Er müsse integrativ wirken, alle einbinden, auch die sunnitisch-arabischen Iraker: in Sicherheitskräfte, Verwaltung und Politik.

    Die Realität sieht anders aus. Es sind Milizen, die vor Ort das Geschehen bestimmen, darum rivalisieren, das Machtvakuum zu füllen, das durch die Vertreibung des IS entstanden ist. Einst im Kampf gegen die Terroristen geeint, sind die Milizen einander heute feind.
    Allen voran die Hashd ash-Shaabi, schiitisch-irakische Milizen, deren Ausbilder und Kommandeure häufig Iraner sind. Bagdad hat die Haschd als reguläre Kraft im Kampf gegen den "IS" anerkannt - obwohl Menschenrechts-Organisationen schwere Vorwürfe gegen sie erheben.
    "Tatsächlich sorgen die verschiedenen bewaffneten Gruppen dafür, dass die Flüchtlinge nicht zurückkehren. Und weil sie nicht zurückkehren, gibt es auch keinen Wiederaufbau. Die Menschen haben Angst vor den Milizen – auch davor, dass die einander bekämpfen."
    Die Hashd müssten mithin abziehen. Und mit ihnen die anderen Milizen. Das Machtmonopol müsste an den Staat gehen - Innenpolitik.
    Spielball der Regionalmächte
    Doch der Irak ist auch Spielball der Regionalmächte Iran, Türkei und Saudi-Arabien. Sie konkurrieren um Einfluss-Sphären, bedienen sich dabei verschiedener ethnischer und religiöser Gruppen im Irak.
    Und deswegen werden die Hashd auch nicht so einfach abziehen. Derzeit sind sie von der iranisch-irakischen Grenze im Osten über Bagdad bis hoch zur irakisch-syrischen Grenze im Norden postiert. Einheiten Teherans könnten demnach auf dem Landweg vom Iran bis ans Mittelmeer durchmarschieren.
    Ein Bild ging unlängst um die Welt – eines, das die Ängste vor dem Iran schüren könnte: Auf diesem Bild reichen Milizionäre einander die Hände. Die einen, die für Bagdad ins Feld ziehen, die anderen, die für Damaskus kämpfen – beide aber werden von Teheran unterstützt.
    Das Bild wurde an einem irakisch-syrischen Grenzübergang aufgenommen, zwischen der irakischen Stadt al-Qaim und der syrischen Stadt Albukamal. Eben da, wo der IS 2014 das Ende von Sykes-Picot verkündet hatte.
    Werden die alten kolonialen Grenzen also erneut für nichtig erklärt?
    Tatsächlich ist der Iran bestrebt, in der Region weiter an Einfluss zu gewinnen und scheut dafür weder Kosten noch Mühen. Die meisten arabischen Staaten reagieren mit Abwehr. Zu deren Anführer hat sich das Königreich Saudi-Arabien gemacht. König Salman und Kronprinz Mohammed setzen alles daran, den Erzrivalen Iran zu diskreditieren – und ihrerseits Einfluss und Macht zu vergrößern.
    In ihrem Kampf um die Vormacht bedienen sich die Regionalmächte der Rhetorik. Und sie hetzen ihre jeweiligen Stellvertreter militärisch aufeinander: Im Jemen. Im Libanon und bis vor kurzem in Syrien. Dabei spielen sie die religiöse Karte: Die schiitische Führung in Teheran bedient sich williger Schiiten - und das sunnitische Riad ebenso williger Sunniten. Dass Teheran und Riad bei ihren Stellvertreter-Konflikten religiöse Bezüge herstellen, hat in den Gesellschaften des Nahen Ostens Gräben, die es bereits seit langem gibt, weiter vertieft.
    Anziehungskraft des IS wird weiterbestehen
    Ist - angesichts so viel neuer und destruktiver Dynamik - wenigstens eines geschafft? Ist die Gefahr, die von der Terrororganisation IS ausgeht, heute gebannt? Karim al-Makdisi, Politik-Professor an der Amerikanischen Universität von Beirut, schüttelt den Kopf:
    "In dieser Post-IS-Phase werden die Terroristen weiter bestehen, in der einen oder anderen Form. Sie werden weitere Attentate verüben. Es ist mit dem IS vorbei - in dem Sinne, dass er keine weiten Territorien mehr kontrolliert - das hoffe ich zumindest! Aber weil es immer wieder Gründe geben wird, und Kräfte, die die Terroristen von Zeit zu Zeit aktivieren wollen, so wie früher auch schon, werden sie wieder hervor kommen."
    Die Grenzen von Sykes-Picot, die heute Räume definieren könnten, für neue und bessere Staaten, scheinen erneut bedeutungslos zu werden. Denn Milizen, lokale und regionale Akteure füllen die Grenzen in ihrem Sinne aus. Und auch die Großmächte Russland und die USA betreiben Interessenspolitik, auch ihnen geht es um Macht und Einfluss. Solange das so bleibt, mag der IS militärisch vielleicht besiegt sein, seiner Anziehungskraft aber wird es keinen Abbruch tun.
    Die USA sind sich dabei auch nicht zu schade, bereits bestehende Konflikte weiter zu schüren.
    Mit der Anerkennung Jerusalems als der Hauptstadt Israels erteilte US-Präsident Donald Trump dem bisherigen Friedensprozess im Nahen Osten de facto eine Absage.
    Der Kernkonflikt des Nahen Ostens – die Auseinandersetzung um Palästina und damit um Jerusalem – ist Grundpfeiler dschihadistischer Ideologie. Bereits heute zeichnet sich ab, dass Terror-Organisationen wie El Kaida und der IS Trumps Proklamation für ihre Zwecke missbrauchen – und dass sie beim Kampf um Jerusalem erneut Auftrieb erfahren und mehr Anhänger rekrutieren werden.
    Ihr Ziel ist es, die "Heilige Stadt" Jerusalem, arabisch "al-Quds" zu befreien - das war 2014 so, als der IS Teile Syriens und den Nord-Irak überrannte. Und dabei dürfte es bleiben.