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Terrorismus
Europol warnt vor neuen IS-Anschlägen

Die Terrormiliz IS erlebt zunehmend Gebiets-Verluste in Syrien und im Irak. Damit nimmt die Gefahr von Anschlägen in Europa weiter zu, warnt Europol. Dutzende neue Terroristen könnten schon in Europa sein.

Von Thorsten Gerald Schneiders | 02.12.2016
    Die Zentrale der europäischen Polizeibehörde Europol in Den Haag
    Die Zentrale der europäischen Polizeibehörde Europol in Den Haag (dpa/picture alliance/Lex Van Lieshout)
    Die Terrormiliz IS erlangte im Sommer 2014 den Ruf der Unbesiegbarkeit. Binnen kürzester Zeit überrannten die Milizionäre die irakische Armee. Junge Soldaten rissen sich vor lauter Panik die Uniformen vom Leib, ließen schweres Gerät und Munition zurück, um vor dem IS zu fliehen. Die IS-Terroristen konnten rasch gewaltige Landesteile unter ihre Kontrolle bringen, sich nach Syrien ausbreiten, ein "Kalifat" ausrufen. Durch diese "Erfolge" sprach kaum noch einer vom Terrornetzwerk al-Kaida, das einst die Anschläge vom 11. September 2001 in den USA geplant hatte. Das "Nonplusultra" war jetzt der IS. Fortan schlossen sich junge radikalisierte Menschen aus aller Welt fast nur noch ihnen an. "Nachwuchssorgen" kannte der sogenannte Islamische Staat nicht.
    Inzwischen hat sich das Blatt gewendet. Der IS ist aus vielen Regionen vertrieben worden und wird auch auf seinen letzten Rückzugsorten attackiert. Darauf reagieren die Terroristen bereits seit einiger Zeit mit einer neuen Strategie. Nach Informationen der europäischen Polizeibehörde Europol planen sie nun, verstärkt Terroranschläge in Europa zu verüben. Dabei geht es ihnen darum, Stärke zu beweisen, um für Sympathisanten attraktiv zu bleiben; denn welcher potenzielle Dschihadist will sich schon "Verlierern" anschließen. Der "einfachste" Weg, diese Stärke zu demonstrieren, besteht nach Ansicht der IS-Strategen darin, den Westen in Angst und Schrecken zu versetzen und Anschläge wie zuletzt vor allem in Frankreich zu verüben und damit die Zivilbevölkerung zu verletzen.
    Wut und Frust der Flüchtlinge nutzen
    Nach Einschätzung der Sicherheitsexperten bei Europol könnten bereits mehrere Dutzend IS-Attentäter in Europa sein. Der Koordinator für die Terrorabwehr der EU, Gilles de Kerchove, warnte: "Diese Leute sind im Einsatz von Sprengstoff und Waffen ausgebildet und wurden mit der dschihadistischen Ideologie indoktriniert." Als weitere Risikogruppe werden Flüchtlinge genannt. Extremisten versuchten, sie anzuwerben und zu radikalisieren. Dazu versucht der IS, die Migrationskrise zu verschärfen. Sie haben eine Interesse daran, die EU-Bürger zu polarisieren und gegen Flüchtlinge in Stellung zu bringen. Die Wut und der Frust der Flüchtlinge über die dann möglicherweise als ungerecht empfundene Behandlung in der EU könnte sich nämlich zumindest bei einzelnen gewaltbereiten Menschen in terroristische Aktivitäten umünzen lassen.
    Europol sieht vor allem Frankreich im Fokus. Aber auch Belgien, Deutschland, die Niederlande und Großbritannien seien mögliche Ziele. Anschläge könnten sowohl von vernetzten Gruppen als auch Einzeltätern verübt werden, heißt es in der Analyse der Behörde. Das mögliche Waffenarsenal: Sprengstoff, automatische Waffen, Messer, Äxte, Macheten oder Autos.