Dienstag, 23. April 2024

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"Terrorismus"-Prozess gegen Mesale Tolu
Gabriel fordert faires Verfahren

Die inhaftierte deutsche Journalistin und Übersetzerin Mesale Tolu hat zum Prozessbeginn bei Istanbul die gegen sie erhobenen Vorwürfe bestritten. Die Bundesregierung mahnt in dem Verfahren Rechtsstaatlichkeit an.

11.10.2017
    Demonstration vor dem Kanzleramt in Berlin: Auf einem Plakat wird die Freilassung der deutschen Journalistin Mesale Tolu gefordert, die in der Türkei inhaftiert ist.
    Auch in Berlin demonstrieren Menschen für die Freilassung der Journalistin Tolu (Imago)
    Mesale Tolu gehört zu einer Gruppe von 18 Angeklagten, denen Terrorpropaganda und Mitgliedschaft in der linksextremen MLKP vorgeworfen wird. Nach Angaben von Tolus Anwältin Kader Tonc drohen ihrer Mandantin bis zu 20 Jahre Haft.
    Tolu wies vor Gericht die gegen sie erhobenen Terrorvorwürfe zurück. Sie sagte, sie habe keine der genannten Straftaten begangen und habe keine Verbindung zu illegalen Organisationen.
    Tolu: "Polizisten richteten die Waffe auf meinen Sohn"
    Tolu kritisierte die Umstände ihrer Festnahme im April. Polizisten hätten ihre Wohnung gestürmt, sie vor den Augen ihres Sohnes gewaltsam festgenommen und zudem die Waffe auf das Kind gerichtet. Der zweijährige Sohn der Angeklagten ist mit seiner Mutter im Frauengefängnis untergebracht.
    Ali Riza Tolu (2.v.r) zeigt am 11.10.2017 vor dem Gerichtsgebäude in Silivri (Türkei) das Victory-Zeichen. In dem Gebäude begann an diesem Tag der Prozess gegen seine Tochte, die deutsche Journalistin und Übersetzerin Mesale Tolu.
    Prozess gegen Mesale Tolu beginnt. Ihr Vater Ali Riza Tolu (2.v.r) zeigt vor dem Gerichtsgebäude in Silivri (Türkei) das Victory-Zeichen. (dpa / Can Merey)
    Die Anklage stützt sich auf die Teilnahme Tolus an vier Veranstaltungen und auf den Fund einer Zeitschrift, die die Staatsanwaltschaft als Propagandamaterial wertet. Tolu sagte, die Veranstaltungen seien weder verboten noch von der Polizei aufgelöst worden.
    Bundesaußenminister Gabriel forderte in der "Bild"-Zeitung ein faires Verfahren. Vor allem müsse es schnell gehen, damit Tolu möglichst bald frei komme.
    Reporter ohne Grenzen sieht politischen Grund für den Prozess
    Der Geschäftsführer der Journalistenorganisation Reporter ohne Grenzen, Christian Mihr, hält den Prozess für politisch motiviert. Im Deutschlandfunk sagte er, "Terrorpropaganda" und "Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung" seien die beiden Standardkeulen, die die türkische Regierung auspacken würde, um regierungskritische Journalisten in der Türkei mundtot zu machen. Keiner der insgesamt 170 inhaftierten Journalisten sei Mitglied einer Terrororganisation, so Mihr.
    Der Geschäftsführer von Reporter ohne Grenzen, Christian Mihr.
    Der Geschäftsführer von Reporter ohne Grenzen, Christian Mihr. (imago images / Rainer Zensen)
    Vater der Angeklagte zeigt Enttäuschung
    Tolus Vater Ali Riza Tolu sagte vor Prozessbeginn, er sei enttäuscht von der Bundesregierung. Im Wahlkampf sei viel geredet worden, aber nun befinde sich diese im Todesschlaf. Die Vorwürfe gegen seine Tochter bezeichnete er als nicht wahr und leer. Er hofft darauf, dass seine Tochter freigesprochen wird.
    Die Bundesregierung fordert die Freilassung Tolus und von mindestens zehn weiteren Deutschen, die in der Türkei derzeit aus politischen Gründen inhaftiert sind. Namentlich bekannt sind Tolu, der Welt-Korrespondent Deniz Yücel und der Menschenrechtler Peter Steudtner.
    (tzi/tep/fwa)