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Terry-Fox-Retrospektive
Performances und Videoarbeiten

Terry Fox war ein US-amerikanischer Aktionskünstler. 2009, ein Jahr nach seinem Tod in seinem Wohnort Köln, war im Hamburger Bahnhof Berlin eine Gedenk-Performance für ihn zu sehen. Vielleicht wurde er bislang ein wenig unterschätzt in seiner Vorausnahme zentraler Kunstpraktiken von heute. Jetzt gibt es eine Retrospektive in der Akademie der Künste in Berlin.

Von Carsten Probst | 06.11.2015
    Die Skulptur "Stake and Egg" von Terry Fox, im Hintergrund laufen drei Besucher vorbei, die man nur als Schatten erkennt.
    Die Skulptur "Stake and Egg" von Terry Fox in einer Ausstellung im Reina Sofia Museum in Madrid. (dpa/ picture-alliance/ Kote)
    Fox war in den Siebzigerjahren maßgeblich beteiligt an der Entwicklung einer performativen Videokunst. Fünf heute aktuelle Kunstpraktiken sind in seinem Werk vor vier Jahrzehnten bereits angelegt und vereint - und die gewissenhaft von Arnold Dreyblatt kuratierte Retrospektive in Berlin macht sich sogar die Mühe, sie alle sorgfältig aufzuzählen. Im Mittelpunkt steht der Klang, der Sound, den Fox vor der offiziellen Erfindung von "Klangkunst" als Raum und Skulptur auffasste. Schon in einer seiner frühen Videoarbeiten zieht er beispielsweise einen Violinbogen über eine Schale, die er zuvor unter einer Brücke positioniert hat. Hinter der Kamera damals übrigens der junge, noch unbekannte Bill Viola.
    Von Klanginsel zu Klanginsel
    So wandert man in dieser Ausstellung zwischen den großen Videoprojektionsflächen auch von Klanginsel zu Klanginsel bis hin zu einem Werk der späten Achtzigerjahre, für das Fox Soundscapes aus seinen wechselnden Wohnorten in San Francisco, Lüttich und Berlin "remixed" hat - darunter auch ein topografisches Sound-Mapping der Berliner Mauer, das er während seines DAAD-Stipendiums angefertigt hatte.
    Generell steht jede Ausstellung von solch temporären Aktionen vor dem Problem, wie man sie nach Jahrzehnten noch angemessen visualisiert. Für die Soundscapes hat sich Arnold Dreyblatt eine weiße Kammer einfallen lassen, in der acht Lautsprecher in einer Reihe an der Wand hängen. Das Klangbild der Soundscapes bewegt sich sehr langsam von links nach rechts und folgt damit den Zeiteinheiten der Notation, die Terry Fox anhand der Grenzlinien der Berliner Mauer grafisch festgehalten hat.
    Das ist zwar optisch auf den ersten Blick durchaus plausibel gelöst. Doch an anderen Stellen werden Fox empfindliche, performativ zeichnerische Objekte vom Geltungsdrang konservatorischer Verewigung eindeutig zu ihren Ungunsten überformt.
    Restauratoren sind keine Künstler
    Seine "Catch Phrases" aus den frühen Achtzigerjahren sind 26 reliefartige Objekte, basierend auf den 26 Buchstaben des Alphabets. Sie vereinen sprachliche und Graffiti-Fragmente, die Fox an verschiedenen Orten gesammelt und auf Papier aufgebracht hat. Darüber wurde ein abstraktes Graffiti aus einem Stahlstab montiert. Für die museale Aufbewahrung wurde das Ganze dann gerahmt und mit einem Plexiglaskasten umhüllt. So hängt es jetzt an der Wand wie eine Mumie, haltbar gemacht und entstellt. Restauratoren sind eben doch keine Künstler.
    Nichtsdestoweniger entfaltet sich in dieser Retrospektive die ganz eigene Form von Terry Fox' Arbeit. Anders als die anderen, längst in die Kunstgeschichte des 20. Jahrhunderts eingegangene Protagonisten der Post-Fluxus-Ära und ihren multimedialen Ansätzen treibt ihn kein politisches Sendungsbewusstsein wie etwa Wolf Vostell oder Nam June Paik. Anders als etwa Bruce Nauman, Joan Jonas oder Valie Export nutzte er Videokunst nicht direkt als Medium körperlicher Inszenierung, sondern distanzierte sich gleichzeitig humorvoll immer wieder auch von dessen räumlicher Begrenztheit.
    1987 war Fox Teilnehmer der 8. documenta, 1990 auf der Sydney Biennale; 2009, ein Jahr nach seinem Tod an seinem Wohnort in Köln, war im Hamburger Bahnhof Berlin eine Gedenk-Performance für ihn zu sehen. Fox war kein wirklich vergessener Künstler - aber vielleicht wurde er bislang ein wenig unterschätzt in seiner Vorausnahme zentraler Kunstpraktiken von heute.
    Die Ausstellung "Terry Fox Elemental Gestures" in der Berliner Akademie der Künste findet vom 6. November 2015 bis 10. Januar 2016 statt. Die Ausstellung ist von dienstags bis sonntags geöffnet, der Eintritt ist frei. Mehr Informationen auf der Homepage.