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Test am Flughafen Frankfurt
Rollhilfe für Passagierflugzeuge

Technik. - Flugzeuge sind am Boden unbeholfen und teuer. Einen Kurzstreckenjet mit Triebwerksleistung zu rollen ist etwa so effizient, wie ein Skateboard mit einem Fön anzutreiben. Doch rollen die Flieger oft bis zu einer Stunde, bevor sie abheben oder am Terminal andocken können. Die Lufthansa testet am Flughafen Frankfurt eine Rollhilfe, den TaxiBot.

Von Stefan Bitterle | 31.07.2014
    Flugzeuge der Flugesellschaft Air Algérie parken vor dem Tower des Flughafens Ouari Bourmediene in der algerischen Hauptstadt Algier.
    Flugzeuge am Boden können sich demnächst mit ferngesteuerten Schleppern fortbewegen. (picture alliance/dpa/Arne Dedert)
    "Mein Name ist Moritz Kellermann. Ich bin angehender Pilot bei der Lufthansa und im Moment als Projektingenieur im TaxiBot-Projekt dabei. Wir sitzen jetzt im TaxiBot drin, in der Kabine, und ich starte einfach mal die Motoren und dann können wir eine Runde fahren."
    Wir stehen auf dem südlichen Vorfeld des Frankfurter Flughafens. Der TaxiBot sieht aus wie einer jener vierrädrigen Schlepper, die auf Flughäfen Flugzeuge vom Gate auf das Vorfeld schieben - bevor diese ihre Triebwerke anlassen und aus eigener Kraft zur Startbahn rollen. Das gedrungene flache Fahrzeug ist jedoch kein gewöhnlicher Schlepper. Das beginnt schon beim computergesteuerten Antrieb:
    "Wir haben zwei Dieselmotoren, die als Generatoren fungieren und die Energie liefern für insgesamt acht Elektromotoren, die dann die einzelnen Reifen antreiben. Wir haben also diese vier Radmodule, die völlig unabhängig voneinander angesteuert werden können und gesteuert werden, das ist wichtig für das Fahrverhalten mit Flieger."
    Taxibot wird vom Piloten gesteuert
    Der TaxiBot kann dadurch nämlich sowohl seitwärts fahren als auch auf der Stelle drehen. Da das Bugrad des Flugzeugs in der Mitte des Schleppers sitzt, verhält es sich bei Lenkbewegungen genauso, als wäre es am Boden und der TaxiBot gar nicht da. Der zweite Unterschied: Der Schlepper wird nach dem Pushback vom Gate nicht von seinem Fahrer gesteuert, sondern vom Piloten des geschleppten Flugzeugs:
    "Wenn der Pilot steuert, dann werden nämlich diese Radmodule unabhängig voneinander so gesteuert, dass der Schlepper immer in einer Linie mit dem Flugzeug ist. Und das hat für den Piloten zur Folge, dass wenn der steuert von oben, sich das ganz genau so anfühlt, wie wenn er ohne TaxiBot steuert."
    "Das Wort TaxiBot beinhaltet das Wort Taxi für Rollen, Rollen für Flugzeuge und Bot für Robot",
    sagt Bernhard Weiß, Ingenieur und zuständiger Projektleiter bei der Lufthansa in Frankfurt,
    "das Fahrzeug ist ein intelligentes Fahrzeug mit einer intelligenten Aufnahmeeinheit versehen, die das Bremsen, das der Pilot durchführt, erkennt und automatisch mitbremst. Hinzukommt, dass es einen Drehteller hat, das die Drehbewegung vom Bugrad, welches über einen Teller im Cockpit ausgelöst wird, erkennt und entsprechend die Räder auch mitdreht. Dies ist notwendig, damit der Pilot im Flugzeug ohne eine Modifikation die Kommunikation mit dem TaxiBot durchführen kann."
    Will heißen: Die Piloten müssen nicht umlernen, wenn sie künftig statt mit Hilfe ihrer Triebwerke zur Startbahn zu rollen, vom Taxibot gezogen werden. Ein weiterer Vorteil: Anders als bei bisherigen Ansätzen, die vorsehen, Flugzeuge per Radantrieb autonom am Boden zu bewegen, sind am Flieger selbst keinerlei Veränderungen nötig. Das spart zusätzliches Gewicht und aufwändige Zulassungsverfahren. Und damit ist auch gleich noch eine rechtliche Voraussetzung erfüllt: Wenn sich das Flugzeug auf dem Vorfeld bewegt, muss der verantwortliche Flugzeugführer stets die Kontrolle über sein Flugzeug haben. Bernhard Weiß:
    "Der Fahrer des TaxiBot drückt das Fahrzeug zurück, das ganze Gespann zurück auf eine Rollleitlinie. Dort schaltet er von einem Driver Control Modus, das ist da, wo der Fahrer die Verantwortung hat, auf den Pilot Control Modus. Von dort an fängt dann der Pilot an das Fahrzeug zu steuern und zur Startbahn zu dirigieren. An der Startbahn angekommen, übernimmt dann der Fahrer wieder die Verantwortung für das System, schaltet in den Driver Control Mode, das System wird voneinander getrennt, der Pilot startet die Triebwerke, lässt sie drei Minuten warmlaufen und rollt dann damit zur Startbahn, um den Start durchzuführen."
    Doppelt so teuer wie ein normaler Schlepper
    Der TaxiBot ist ein Prototyp, entwickelt von Israel Aircraft Industries und hergestellt von TLD, dem französischen Marktführer für Flugzeugschlepper. Momentan kostet das neue Gefährt zwar etwa doppelt so viel wie ein herkömmlicher Schlepper. Doch die Anschaffung könnte sich rechen, ist man bei Lufthansa überzeugt. Denn am Boden würde erheblich weniger Sprit in die Luft geblasen.
    "Wir gehen davon aus, dass die Mengen, die da eingespart werden können, signifikant sind",
    erklärt Sven Meyenburg, bei Lufthansa für die strategische Planung des Projekts zuständig,
    "nehmen wir jetzt den größten Flieger, eine A380. Die hat einen so genannten Idle Fuel Flow, also einen Spritverbrauch im Standschub von 3000 kg die Stunde. Das heißt: Bei einer durchschnittlichen Taxizeit von einer 380 in Frankfurt, da liegen wir hier bei 21,3 Minuten in der Vergangenheit, wird grob etwas über eine Tonne Sprit verbraucht für den Gesamtprozess zwischen Pushback und Rotation, also Flugzeug hebt ab. Und wir hoffen nach den ersten Modellrechnungen, dass wir von dieser Tonne mindestens 50 Prozent, vielleicht bis zu 80 Prozent sparen können."
    Bei großen Flugzeugen ist die Einsparung pro Rollereignis größer als bei Kurzstreckenflugzeugen wie dem Airbus A320 oder der Boeing 737. Fluglinien kalkulieren deren Kerosinbedarf am Boden für circa zehn Minuten mit 200 Kilogramm. Da es aber mehr Kurzstrecken- als Langstreckenflüge gibt, liegt das Sparpotential in der Summe der Einzelereignisse. Noch ein Vorteil, gerade in einer dicht besiedelten Flughafenumgebung wie Frankfurt, ist Bernhard Weiß überzeugt:
    "Wenn wir von Spritverbrauch reden oder von Einsparungen reden, dann reden wir natürlich auch von Lärmreduzierung, nicht laufende Triebwerke erzeugen keinen Lärm, erzeugen keine Giftstoffe, Schadstoffe. Also nicht nur das reine Einsparen durch Kerosin ist hier im Vordergrund, sondern auch, um die Umwelt zu entlasten und zu schonen."