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Testbild statt Nachrichten

Rumäniens Medienmarkt steht Kopf: Das öffentliche Fernsehen wird gnadenlos zusammengespart – und die mächtigen Menschen des Landes machen kurzerhand ihre eigenen Sender, um ihnen genehme Meinungen zu verbreiten. Dabei wäre angesichts des politischen Chaos im Land objektive Berichterstattung wichtiger denn je.

Von Thomas Wagner | 25.08.2012
    Der Trailer zur Hauptnachrichtensendung des öffentlich-rechtlichen rumänischen Fernsehens TVR: Die wurde noch bis vor wenigen Tagen im Programm "TVR Info" ausgestrahlt. Doch seit Kurzem ist es dort ziemlich eintönig. "Revisia Technica"‚ technische Revision‘, steht unter den Farbbalken, die seit Kurzem anstelle des "TVR-Info"-Programms auf den Bildschirmen erscheinen – Balken, die symbolhaft für einen Kahlschlag nie dagewesenen Ausmaßes im öffentlich-rechtlichen rumänischen Fernsehen stehen. Die Hälfte aller Programme werden eingestellt.

    "Aus vier werden zwei. 1000 Leute werden entlassen. Das ist die konkrete Situation."

    So Werner Kremm, rumäniendeutscher Journalist und Redakteur der "Allgemeinen Deutschen Zeitung für Rumänien." Betroffen ist neben "TVR Info" auch "TVR Cultural", der Kulturkanal des rumänischen Fernsehens. Im Bukarester Sendezentrum herrscht denn auch dicke Luft, weiß Christel Ungar-Topescu, die dort die deutschsprachigen Minderheitensendungen verantwortet:

    "Die ganze Stimmung im Fernsehen ist jetzt ziemlich mies, um es einmal so zu sagen. Das ist ja auch klar, weil man immer noch nicht weiß, wie viele zum Schluss entlassen werden. Die Rede ist von 50 Prozent, was ja sehr viel ist, weil viele ja schon seit 20 Jahren im Fernsehen arbeiten und nur dort gearbeitet haben in ihrem Leben."

    Mit der Einstellung zweier von vier Programmen haben die Aufsichtsgremien von TVR Romania die Notbremse gezogen: Das öffentlich-rechtliche Fernsehen hat in den vergangenen Jahren einen gigantischen Schuldenberg von umgerechnet 145,6 Millionen Euro angehäuft. Die Gründe: Eine ständige Ausweitung des Programmangebotes, hohe Investitionen in digitale Technik – und eine permanente Unterfinanzierung. Die potenziellen Einnahmen aus Fernsehwerbung muss sich TVR mit den mehr als ein Dutzend nationaler privater Sender teilen. Die Rundfunkgebühren sind niedrig; sie werden mit den Stromrechnungen eingezogen; viele Rumäninnen und Rumänen mogeln sich aber geschickt an der Zahlung der Gebühren vorbei. Doch wie sich der Kahlschlag bei TVR auf die Medienkultur Rumäniens auswirkt, ist noch völlig unklar.

    Ein Beitrag über in den TVR-Nachrichten über den Streit zwischen dem rumänischen Ministerpräsidenten Victor Ponta und dem rumänischen Staatspräsidenten Traian Basescu – ein Dauerbrenner. Doch gerade hier machte das öffentlich-rechtliche Fernsehen TVR keine schlechte Figur, findet der rumänischendeutsche Journalist Werner Kremm:

    "Zumindest mal waren sie nicht parteiisch. Sie haben versucht, unparteiisch zu berichten."

    Was man von den großen privaten Fernsehsendern Rumäniens nicht behaupten kann: Sie ergriffen in ihrer Berichterstattung, in der Auswahl ihrer Gesprächspartner, deutlich Partei entweder für den Premierminister oder für den Staatspräsidenten. Und das hat mit dem Mediensystem in Rumänien ganz generell zu tun: Häufig stehen Politiker mit ganz gezielten parteipolitischen Anliegen als Finanziers hinter den privaten Networks. Werner Kremm:

    "Es gibt da ein paar Leute, die aus politischem Interesse ihr Geld in Fernsehsender gesteckt haben, die dann auch treu die Interessen des Patrons, wie sie in Rumänien heißen, vertreten. Und meistens ist im Hintergrund ein mehr oder weniger hoch angesiedelter Politiker."

    In dieser Situation spielte das öffentlich-rechtliche Angebot von TVR die Rolle eines wichtigen Korrektivs. Ob dies nach den Einsparungen in Zukunft auch so bleiben wird, ist offen. Die Geschichte von TVR ist nicht eben frei von Versuchen der politischen Einflussnahme. Und der amtierende sozialdemokratische Ministerpräsident Victor Ponta, der kürzlich laut über die Beschneidung der Rechte des rumänischen Verfassungsgerichtes nachgedacht hat, sagte zwar eine finanzielle Spritze für TVR aus dem Staatshaushalt zu, allerdings verbunden mit der Auflage der Kostenreduzierung und, wie es Ponta formulierte, einer "Entpolitisierung" des Sender, was immer er auch darunter verstehen mag. Zunächst sollen die Elemente der beiden eingestellten Programme "TVR Cultural" und "TVR Info" aber in die Hauptprogramme integriert werden. Und die rumäniendeutschen Minderheitensendungen, die Christel Ungar-Topescu verantwortet, werden ebenfalls nicht beschnitten. Sie hofft darauf, dass trotz der Sparmaßnahmen das journalistische Profil des öffentlich-rechtlichen Fernsehens erhalten bleibt.

    "Das einzige, wo man politisch intervenieren konnte, auch bis jetzt, war höchstens bei den Nachrichtensendungen. Ansonsten war es ein öffentlich-rechtlicher, aber auch wirklich objektiver Sender. Und ich denke, das wird beibehalten, auch wenn die Leute entlassen werden."

    Das allerdings werden die Zuschauer in Rumänien erst in den kommenden Wochen und Monaten erkennen können. Dann werden die beiden eingestellten Programm "TVR Info" und "TVR Cultural" bereits Geschichte sein.