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Teufel am Instrument

Er komponierte Opern, Messen und andere Kirchenmusik und manches andere noch dazu, wie es zu seiner Zeit üblich war. Am 26. Oktober 1685 wurde Domenico Scarlatti in Neapel geboren.

Von Ulrich Eickhoff | 26.10.2010
    "Wer du auch seist, Liebhaber oder Professionist, erwarte in diesen Kompositionen keine tiefsinnigen musikalischen Gedanken, vielmehr ein heiteres, erfindungsreiches Spiel der Kunst, um dir Sicherheit und Freiheit auf dem Cembalo zu geben. Vielleicht gefallen sie dir, zeige dich mehr als Mensch wie als Kritiker, und du wirst umso mehr Vergnügen davon haben."

    Domenico Scarlatti bescheiden-ironisch in dem Vorwort zum Druck von 30 Sonaten, die er "Essercizi" nannte und König Joao V. von Portugal widmete. Als er diese Sätze seinem Verleger übergab, lebte Domenico Scarlatti schon seit längerer Zeit in Spanien und war bereits über 50 Jahre alt.
    Geboren wurde er am 26. Oktober 1685 in Neapel als sechstes von zehn Kindern des berühmten und äußerst produktiven Opernkomponisten Alessandro Scarlatti. Der Vater ebnete ihm Wege nach Venedig und Rom. Ein englischer Kollege, der den Jungen in Venedig sah, als er sich - ganz in Schwarz gekleidet mit schwarzer Perücke - ans Cembalo setzte, war fasziniert:

    "Ihm sei gewesen, als ob zehn Mal hundert Teufel am Instrument gesessen wären, nie zuvor hatte er ein derartig hinreißendes Spiel gehört."

    In Rom schrieb Scarlatti Opern für die Privattheater einer im Exil lebenden polnischen Königin und war zugleich beim Vatikan angestellt. Als ein Kardinal einmal ein Musiker-Duell zwischen Georg Friedrich Händel und Domenico Scarlatti inszenierte, siegte Händel an der Orgel, Scarlatti auf dem Cembalo.

    1719 verließ Scarlatti Italien und ging nach Portugal, vielleicht wollte er sich von dem übermächtigen Vater befreien. Nur zwei Mal kehrte er in sein Heimatland zurück: 1724, um noch einmal seinen Vater zu sehen, der im Jahr darauf starb, und 1728, um eine sechzehnjährige Römerin zu heiraten.

    Am Hof Königs Joao V. in Lissabon leitete er die Hofkapelle, komponierte Kirchenmusik und unterrichtete in der Kunst des Cembalospielens. Seine Schüler waren der jüngere Bruder des Königs und vor allem die Prinzessin Maria Barbara, eine begabte Musikerin und gelehrige Schülerin aus der Habsburger-Dynastie. Für sie schrieb er technisch ungeheuer anspruchsvolle Sonaten für das Cembalo. Scarlatti konnte sie glänzend vorspielen, er beherrschte, was er erfunden hatte: geradezu artistische Fähigkeiten am Instrument, eine phänomenale Sprungtechnik, das Überschlagen der linken und der rechten Hand oder das Spiel mit gekreuzten Händen.
    Maria Barbara nahm ihren "getreuen Musikmeister" mit nach Spanien, als sie 1729 den spanischen Kronprinzen heiratete. Zehn Jahre später bestiegen sie den Thron, die Musik wurde weiterhin intensiv gepflegt. Scarlatti unterrichtete seine Schülerin bis zu seinem Tode im Jahr 1757 in Madrid. In diesen fast dreißig Jahren muss er unermüdlich komponiert haben. Nebenbei begleitete er den legendären Kastraten Farinelli am Klavier. Farinelli war die Nummer Eins am spanischen Hofe.

    "Scarlattis Bühne ist nur das Tasteninstrument und seine Musik voll dissonantem Wahnwitz und fröhlicher Bosheit: exzessiver Lärm, gefolgt von exzessiver Stille. Er zwingt die Hände zu unmöglichen Positionen. Er selber nennt seine Kompositionen 'lustige Grillen', und für eine solche galt auch er dem spanischen Hof."

    Über den Menschen Domenico Scarlatti wissen wir recht wenig: Er soll sehr höflich, aber auch zurückhaltend gewesen sein, manche nennen ihn einen Einzelgänger, der der Spielsucht verfallen war. Seine hohen Schulden beglich seine Gönnerin, die Königin.
    Als Komponist und virtuoser Interpret allerdings gilt er als Revolutionär und Avantgardist der Barock-Epoche. Ein Zeitgenosse erinnerte sich:

    "Scarlatti sagte öfter, er wisse recht gut, dass er in seinen Klavierstücken alle Regeln der Komposition beiseitegesetzt habe, es gäbe fast keine andere Regel, worauf ein Mann von Genie zu achten habe, als diese, dem einzigen Sinne, dessen Gegenstand die Musik ist, nicht zu missfallen. Da ihm die Natur zehn Finger gegeben hätte, so sähe er keine Ursache, warum er sie nicht alle zehn gebrauchen sollte!"

    Musikwissenschaftler haben als Hauptwerk Domenico Scarlattis nicht weniger als 550 kurze, nur aus einem Satz bestehende Sonaten für Cembalo ausgemacht. Oder auch für Klavier. Es gibt keinen Pianisten der Extraklasse, der nicht einen anderen an Virtuosität übertreffen möchte, wenn er Domenico Scarlatti spielt.