Donnerstag, 28. März 2024

Archiv


Teufel oder Beelzebub

Geologie. - Schlagen Wissenschaftler technologische Ansätze vor, um etwa mit Schwefelaerosolen das Klima wieder gerade zu rücken, ernten sie schnell harsche Kritik. Entsprechend ist dieses so genannte Geo-Engineering auf dem Treffen der europäischen Geowissenschaftler in Wien ein heißes Eisen.

Von Dagmar Röhrlich | 18.04.2008
    "1965 teilten Wissenschaftler US-Präsident Johnson mit, dass es ein Problem mit der globalen Erwärmung geben könnte und schlugen vor, auf der Meeresoberfläche Partikel zu verteilen, die das Sonnenlicht ins All reflektieren, um die Erde zu kühlen."

    Der Traum vom Geo-Engineering ist also älter als der Gedanke, die Kohlendioxidemissionen zu senken, erklärt Ken Caldeira vom Global Ecology Department der Carnegie Institution. Begeistert von der Idee ist er genauso wenig wie seine Kollegen:

    "Wir versuchen, eine Maschine zu manipulieren, die wir nicht wirklich verstehen, und unsere Reparaturversuche könnten gefährliche Nebenwirkungen haben."

    Ronald Prinn, Direktor des Zentrums für Globalen Wandel am Massachusetts Institute of Technologie. Ein Beispiel ist der Plan, Sulfatpartikel in der Stratosphäre zu verteilen. Sie sollen so viel Sonnenlicht ins All zurückwerfen, dass die Erde abkühlt. Dass das funktioniert, hat sich 1991 beim Ausbruch des Pinatubo gezeigt. Aber die "Nebenwirkungen" eines künstlich ausgelösten Schwefelschleiers wären gravierend: Dürren in Indien etwa oder ewig schlechtes Wetter über Europa und Nordamerika. Damit sind Ideen wie diese jedoch nicht für immer ad acta gelegt:

    "Wenn es wirklich zur Klimakatastrophe kommt, wird der Druck auf die Politiker ungeheuer groß sein, schnell etwas Wirksames zu unternehmen. Wir sehen die Gefahr, dass die Gesellschaft nicht ernst macht mit der unverzichtbaren Reduktion der Treibhausgasemissionen, weil die Menschen glauben, die Technik werde es schon richten. Aber trotzdem sollten wir mit der Forschung anfangen, ehe sich die Politiker auf das Geo-Engineering stürzen."

    Meint Ken Caldeira von der Carnegie Institution. Denn es gebe bereits erste Geo-Engineerings-Experimente in der Umwelt. Die Eisendüngung der Südozeane soll das Plankton blühen lassen, damit es unser Kohlendioxid aus der Luft fischt. Zwei Firmen wollen die Idee zum Geschäft machen und alle Meere rund um die Antarktis düngen. So etwas hätte Folgen, warnt Oliver Wingenter vom New Mexico Institute for Mining and Technology. Er hat über den gedüngten Zonen hohe Konzentrationen an Schwefelaerosolen gemessen, die vom Plankton stammen:

    "Wenn diese Aerosole in Wolken geraten, wirken sie wie Kondensationskeime, die die Wassertröpfchen in den Wolken kleiner machen. Dadurch werden die Wolken weiß, reflektieren mehr Sonnenlicht und kühlen die Erde. Unseren Berechnungen zufolge stürzen die Temperaturen ab, was schlimme Folgen für die Landwirtschaft in Australien, Neuseeland und Südamerika haben wird."

    Um für den Ernstfall mögliche Nebenwirkungen bei den verschiedenen Ideen besser abschätzen zu können, sollte man in begrenzten Rahmen Forschung durchführen, urteilt Ronald Prinn vom MIT:

    "Wir halten Forschungen mit Computermodellen für gerechtfertigt, ebenso wie kleine Experimente, die sich auf ein Land eingrenzen lassen, aber es ist nicht sinnvoll, viel Geld für Versuche in großem Maßstab auszugeben."

    Sobald die negativen Folgen nicht nur die Länder treffen, die das Experiment durchführen, müssten die Versuche international abgestimmt sein:

    "Wenn ein, zwei oder drei Länder mit großmaßstäblichen Versuchen beginnen, wäre das eine echte Provokation den Ländern gegenüber, die dagegen sind."

    Internationale Verhandlungen über die großen Experimente zum Geo-Engineering dürften noch schwieriger sein als heute die zu einem Übereinkommen über die Treibhausgasreduktion. Deshalb dürfte es sie so bald nicht geben. Aber wenn die Lage im Supertreibhaus Erde schwierig wird, könnte Geo-Engineering Forschern und Politikern als bessere Wahl erscheinen. Um sich darauf vorzubereiten, könnte Geo-Engineering zum Thema beim nächsten IPCC-Report werden, so Ronald Prinn:

    "Eine kleine Gruppe könnte sich um die verschiedenen Vorschläge und ihre Folgen kümmern. Wir sollten dem zwar nicht allzu viel Platz einräumen, aber es sollte wohl im nächsten Report bedacht werden."