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Theater im Kraftwerk

Als in der riesigen Turbinenhalle des ehemaligen Kraftwerkes der Heeresversuchsanstalt in Peenemünde mit Brechts "Schweyk im Zweiten Weltkrieg" das "Deutsche Theater Peenemünde" eröffnet wurde, da wohnte die kleine Schar der nicht einmal einhundert Zuschauer nicht der Eröffnung eines neuen Theaters, sondern dem Start einer engagierten kulturpolitischen Initiative bei.

Von Hartmut Krug | 02.07.2007
    Mehrere Institutionen, die Vorpommersche Landesbühne Anklam, das Usedomer Musikfestival, die Theaterakademie Vorpommern und das Historisch-Technische Informationszentrum Peenemünde, sprechen in ihrer "Peenemünder Erklärung" von der Gründung eines "Deutschen Theaters" als von einem Versuch, "der Vernichtungskultur, die in Peenemünde grausige Höhepunkte feierte, eine politisch wache Lebenskultur entgegenzusetzen. Um den Ort nicht einer gestrigen Mythenbildung zu überlassen, wollen wir ihn ausfüllen mit Geschichten von heute und morgen." Weiter ist die Rede davon, den historischen Ort zu einem "kulturellen Erlebnisraum" werden zu lassen. Christian Mühlendorfer-Vogt, Direktor des Historisch-Technischen Informationszentrums Peenemünde:

    "Dieser kulturelle Erlebnisraum, wie er in der Peenemünder Erklärung genannt wird, ist vielleicht in der Form etwas Neues, dass sich verschiedenen Genres, verschiedene Sparten zusammen getan haben, um konzentriert etwas zu machen, um konzentriert Kultur zu machen in Bezug auf die Erhaltung von Demokratie, in Bezug auf Aufklärung. "

    Schon in den vergangenen Jahren hat es in Peenemünde gelegentlich kleine Theatergastspiele gegeben, wie auch Veranstaltungen des Usedomer Musikfestivals und der Reihe "Verfemte Musik." Neu ist in Peenemünde nicht der aufklärerische Impuls, mit dem nun Theater und Kultur zur Stärkung der Demokratie eingesetzt werden sollen. Neu ist, dass sich alle Theater von Mecklenburg-Vorpommern zusammengefunden haben, nur das Volkstheater Rostock fehlt noch wegen stadtinterner Querelen, um hier mit einem festen Sommerspielplan politisches, aufklärerisches Theater anzubieten. Man wird immer mittwochs, freitags und sonntags spielen und neben Brechts "Schweyk" Stücke wie George Taboris "Mein Kampf", Georg Büchners "Woyzeck", Kai Hensels "Klamms Krieg" und Goethes "Urfaust" zeigen. Wolfgang Bordel, Intendant der Vorpommerschen Landesbühne Anklam:

    "Es wird für sie nicht kostendeckend sein. Also wir haben kein Geld, um hier irgendwie Gagen raus zu geben. Sie machen es trotzdem, weil sie alle natürlich auch das Bedürfnis haben, eben Stücke, die hierher passen, auch hier zu zeigen, um zu sagen, es gibt eben auch Orte, da gehören Stücke auch hin. Kultur hat keine Räume, sondern schafft sich Räume. "

    Es ist ein Versuch, um dessen Schwierigkeiten man weiß. Beginnen ist alles, könnte die Devise lauten. Denn es wird schwer sein, so haben vergangene Gastspiele gezeigt, an diesen abgelegenen Ort zu abendlichen Theateraufführungen genügend Touristen zu locken, damit die 99 bis 200 Plätze besetzt sind. Jürgen Kern, Regisseur der "Schweyk"-Inszenierung:

    "Ich hab es auch gemacht, eigentlich, im Hinblick gedacht für Peenemünde, weil hier sollten große, schwere Stücke sein. Ich habe gesagt, Mensch, bei diesen Blöcken von Gebäuden, und dann noch so etwas ganz tieftrauriges wie "Die Heilige Johanna der Schlachthöfe", da geht ja nun gar keiner hin. Und da habe ich gedacht, dann machen wir "Schweyk", das ist wenigstens auch noch was Unterhaltsames und trotzdem deutsche Geschichte. "

    Für Kerns unprätentiöse, klare Inszenierung wurde extra eine kleine Drehbühne eingebaut. Ob man im Winter auch spielen kann, bisher gibt es keine Heizung, hängt, wie die gesamte Zukunft des "Deutschen Theaters Peenemünde", auch von einem eventuellen Engagement des Landes ab. Natürlich ist der Name des Theaters in mehrfacher Hinsicht eine Provokation. Wolfgang Bordel, der als Intendant der Vorpommerschen Landesbühne die Theatergründung vorangetrieben hat:

    "Provokation aber in doppelter Hinsicht: Hier hat soviel furchtbares deutsches "Theater" stattgefunden, von dem unsere europäischen Nachbarn ein Lied singen können, sodass es an der Zeit ist, dieser Vernichtungskultur eine Lebenskultur entgegen zu setzen. Und dieses Deutsche Theater Peenemünde bündelt das, was hier an kulturellem Geschehen schon all die Jahre war, unter einem Dach zusammen. Das ist sozusagen das Deutsche Theater für alle Theater Mecklenburg-Vorpommerns, für das Usedomer Musikfestival und für viele andere, die möglicherweise dann auch diesen Ort als einen politischen Ort erlebbar machen wollen. "

    In einer Region, in der rechtsradikale Gesinnungen nicht selten sind, was auf kulturellem Gebiet die Proteste gegen eine Anne-Franck-Ausstellung und das Gastspiel der Wehrmachtsausstellung in Peenemünde gezeigt haben, erhofft sich auch das Historisch-Technische Informationszentrum durch die Gründung des Deutschen Theaters Peenemünde neue und erhöhte Aufmerksamkeit auch bei den Politikern.

    Das "Deutsche Theater Peenemünde" wird es nicht leicht haben. Doch sollte dieser kulturelle und politische Impuls auch die Politiker erreichen, könnte in die seit längerem stagnierende Entwicklung von Peenemünde wieder Bewegung kommen.