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Theaterintendant Sewan Latchinian
Nach IS-Vergleich gefeuert

Nachdem Sewan Latchinian der Bühne Senftenberg zu überregionaler Beachtung verhalf, sollte er diesen Erfolg in Rostock wiederholen. Nun wurde er aus heiterem Himmel entlassen – er hatte die Sparpolitik der Regierung mit den Gräueltaten des Islamischen Staats verglichen.

Von Hartmut Krug | 01.04.2015
    Sewan Latchinian, der Intendant des Rostocker Volkstheaters
    Sewan Latchinian, der Intendant des Rostocker Volkstheaters, wurde der Politik zu unbequem. (dpa / picture alliance / Steffen Rasche)
    Sewan Latchinian hat die Neue Bühne Senftenberg zu regionalem Erfolg und überregionaler Beachtung gebracht. Deshalb holte man ihn im September ans Volkstheater Rostock, das seit der Wende sein Publikum und Profil verloren hat. Latchinian brachte das Theater schnell in die Erfolgsspur: Mehr Resonanz, mehr Aufführungen, mehr Publikum und eine Aufbruchsstimmung im Theater.
    Doch Kulturpolitik ist immer auch Finanzpolitik. Das muss nicht schlimm sein. Wenn die Kultur nicht allein danach bemessen wird, wie viel sie kostet. Sondern wenn man auch kulturpolitische Überzeugungen vertritt. Leider gibt es für Rostock und das Land aber nur eine Überlegung: Sparen.
    Und so geriet Latchinian in die Fallstricke der Kulturpolitiker. Nach nur acht Monaten wurde er fristlos entlassen. Wie das? Verkehrte Kulturwelt in Rostock?
    Nun ja, in Mecklenburg-Vorpommern wird Kulturpolitik als Finanzpolitik betrieben. Kultusminister Matthias Brotkorb versucht, eine Theater-Strukturreform durch zu setzen, die garantieren soll, dass sich die seit Jahren gedeckelten Landeszuschüsse um keinen Cent erhöhen. Deshalb sollen die Theater sparen, indem sie fusionieren oder Sparten aufgeben und Inszenierungen austauschen. Doch das wirkt weder ökonomisch noch künstlerisch durchdacht und erzeugt Protest bei den Theatern. Was den Minister dazu bringt, seine Zuschuss-Summen quasi erpresserisch einzusetzen. So auch in Rostock. Zwar hat sich Rostock gegen eine Fusion mit Schwerin ausgesprochen und mit Sewan Latchinian einen neuen Intendanten für vier Sparten geholt. Doch kaum wies der mit ersten Erfolgen nach, dass das Volkstheater mit allen Sparten wieder Resonanz in der Stadt erhielt, entschied die Rostocker Bürgerschaft unter Federführung des Oberbürgermeisters Roland Methling, zwei Sparten faktisch abzuschaffen. Wogegen Latchinian nicht nur heftig protestierte, sondern auch ein Bürgerbegehren ankündigte.
    Zu unbequem für Rostocks Politiker
    Widerspruch mögen die Politiker in Rostock nun aber gar nicht. Latchinian stellte bei einer Theaterdemonstration in Neustrelitz den Kultur- und Personalabbau durch die geplante Theaterreform in eine "unselige Traditionslinie" und sagte, Zitat:
    "Seit Wochen zerstören (...) IS-Schergen im Irak die Jahrtausende alten Weltkulturerbestätten, (...) aus religiösen Vorwänden. Und hier bei uns in Mecklenburg-Vorpommern – ich setze das nicht gleich, aber vergleichen muss man das schon – hat momentan im Namen des Geldes die Zerstörung funktionierender Theaterstrukturen begonnen."
    Harte, undiplomatische und wütend überspitzte Worte, durchaus. Mehr nicht. Keine Gleichsetzung. Doch Oberbürgermeister Methling nahm sie zum willkommenen Anlass, um den so unbequemen wie störend erfolgreichen Intendanten los zu werden. Er rief seinen Hauptausschuss zusammen, der mit sechs zu fünf Stimmen Latchinians Entlassung beschloss. Trotz verheerender Folgen für den Betrieb des Theaters. Aber, wie gesagt: Eigentlich geht es ja nicht um das Theater, sondern ums Geld, das man sparen will.
    Natürlich wird Sewan Latchinian vor Gericht ziehen, und sicher wird er wie etliche in den letzten Jahren entlassene Intendanten die Stadt viel Geld kosten. Das Ganze: ein peinliches und empörendes kulturpolitisches Trauerspiel. Immerhin hat die Fraktionsvorsitzende des Rostocker Bundes angekündigt, eine Sondersitzung der gesamten Bürgerschaft zu beantragen. Die soll die Kündigung rückgängig machen.