Dienstag, 23. April 2024

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Theaterkollektiv Subbotnik
Kopfkino im Theater

"Gehe dahin, ich weiß nicht wohin. Und bringe das, ich weiß nicht was" so heißt die aktuelle Arbeit des Theaterkollektivs Subbotnik. Die drei Performer Oleg Zhukov, Martin Klöpfer und Cornelius Heidebrecht, haben einen zweistündigen Abend mit viel Musik und Humor für das Schauspiel Köln geschaffen.

Von Christoph Ohrem | 20.11.2015
    Oleg Zhukov von Subbotnik steht am Bühnenrand. Schlank, dunkler Seitenscheitel, schmaler Oberlippenbart. Auf einen großen weißen Vorhang werden Schnappschüsse einer Busfahrt in Odessa geworfen. Gebäude, Menschen, Straßenszenen. Atemlos beschreibt Zhukov, was zu sehen ist.
    Erinnerungen an Schulwege, an alte Gebäude, an das Leben in Odessa. Das Odessa seiner Jugend. Die Musik wird live von den Performern gespielt. Dass man eigentlich nicht mehr versteht, was Zhukov erzählt, zeigt die Überforderung bei all den Eindrücken.
    Nur eine von vielen gelungenen Szenen und Bildern, die Subbotnik im Schauspiel Köln entstehen lassen. Wobei sie auch gerne einfach albern sind. So etwa als Zhukov erzählt, wie er wegen öffentlichen Rauchens am Flughafen von Odessa verwarnt wurde:
    "Was fällt ihnen ein auf der Straße zu rauchen?"
    "Ganz normal sage ich: Ich war fünf Stunden im Flugzeug unterwegs."
    "Es kostet 120 Euro Strafe, auf der Straße zu rauchen."
    "Auf der Bühne ist Wahrheit natürlich auch uninteressant"
    Ein Teil der aktuellen Arbeit am Schauspiel Köln speist sich aus Erinnerungen an eine gemeinsame Reise nach Odessa. Oleg Zhukov:
    "Das ist mit Sicherheit dokumentarisch. Die Dinge haben so oder so ähnlich stattgefunden."
    Martin Klöpfer von Subbotnik ergänzt:
    "Auf der Bühne ist Wahrheit natürlich auch uninteressant. Wenn man eine Geschichte erzählt, dann muss man sie gut erzählen. Und dabei verändert sie sich natürlich ein bisschen."
    Ihre pointiert aufbereiteten Reiseerinnerungen und Begegnungen collagieren Subbotnik mit einem russischen Märchen. Der andere Teil des Abends führt in fantastische Gefilde. Das Märchen gibt dem Abend auch seinen Titel.
    "Gehe hin, ich weiß nicht wohin. Und bringe das, ich weiß nicht was" so heißt das Märchen. Und das ist der Auftrag, den der Zar seinem untergebenen Schützen erteilt - um ihn loszuwerden. Der Zar hat nämlich ein Auge auf die schöne Frau des Schützen geworfen.
    Märchen und Reise haben keinen direkten Bezug zueinander. Werden aber atmosphärisch ähnlich umgesetzt und ergeben gemeinsam ein stimmiges Gesamtbild.
    Immer wieder beleben auf der Reise gesammelte Aufnahmen das Stück. Etwa Meeresrauschen vom Strand, oder Vogelstimmen. So vielfältig die akustischen Eindrücke - auch dank der Musik - sind, so schlicht ist dafür die Bühne gehalten. Hinter einem Bauzaun ein Rohbau eines Hauses. Heimat des Schützen und seiner Frau. Im Vordergrund zwei weiße Vorhänge sowie ein großes Metallrechteck auf einer Schiene, das an einen übergroßen Diafotorahmen erinnert.
    Überraschender Genremix
    Das szenische Spiel ist auf das Wesentliche reduziert. Subbotnik produziert Kopfkino im Theater. Martin Klöpfer:
    "Ein Element, das immer bleiben wird, ist, dass man viele Dinge nicht sieht, sondern hört. Und dass das Bild eigentlich kaum abzufotografieren ist, sondern entsteht sozusagen auf der Innenseite des Schädels beim Zuschauer."
    Ein überraschender Genre-Mix aus Live-Hörspiel-Elementen, gespielten Szenen, Anekdoten, Choreografien und Livemusik. Die Bühne ist für Subbotnik eine Spielwiese, auf der sie ihrer Freude, Geschichten zu erzählen, nachgehen. Die Performer besitzen viel Erfahrung mit der Arbeit an Stadttheatern. Vor drei Jahren das Theaterkollektiv Subbotnik zu gründen, und frei zu arbeiten, ist dem Wunsch geschuldet, sich von diesen eingeengten Strukturen zu lösen. Martin Klöpfer:
    "Die Gesellschaft erteilt einen Auftrag an den Intendanten. Er soll die Probleme, die in der Gesellschaft bestehen, in der theatereigenen Weise behandeln. Also nicht Parlament, nicht Kirche, sondern Theater. Da kann man sich natürlich unter Druck gesetzt fühlen davon. Man hat immer das Gefühl: Man muss den Bürgern jetzt mal den Kopf waschen. Das fällt alles weg. Man muss sich den Auftrag selbst erteilen und sich fragen: Was will ich überhaupt erzählen und warum."
    Diese Freiwilligkeit drückt sich im Namen aus. Subbotnik bedeutet auf Russisch in etwa: freiwillige Arbeit im Dienste der Gemeinschaft - eine Wortschöpfung aus den frühen Tagen der Sowjetunion. Das Schauspiel Köln betont, dass es Subbotnik bei "Gehe hin, ich weiß nicht wohin. Und bringe das, ich weiß nicht was" freie Hand gelassen hat. Gut so. Denn das Stück sorgt für einen sehr unterhaltsamen, bisweilen berührenden und mit Sicherheit frechen Abend - mit viel Musik und Sinn für Humor.