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Theaterleiterin Mnouchkine lehnt Goethe-Preis ab

Zuerst hat sie angenommen, dann doch abgelehnt. Ariane Mnouchkine, die Leiterin des Pariser "Theatre du Soleil", hat den mit 25.000 Euro dotierten Goethe-Preis mit dem Hinweis auf die NS-Vergangenheit des Preisspenders Alfred Toepfer zurückgegeben. Nach Ansicht des Historikers Hans Mommsen war Mnouchkine bei der Entscheidung schlecht beraten. Eine Historikerkommission habe festgestellt, dass Toepfer kein "engagierter Nationalsozialist" gewesen sei.

18.04.2005
    Koldehoff: Ariane Mnouchkine, die Prinzipalin des Pariser "Theatre du Soleil", hat einen Preis zurückgegeben, den mit 25.000 Euro dotierten Hansischen Goethe-Preis, den die Hamburger Alfred-Toepfer-Stiftung vergibt. Mnouchkine, die die Auszeichnung erst angenommen hatte, begründet nun ihre Ablehnung damit, sie sei von dritter Seite auf die Person der Hamburger Kaufmannes und Landwirts Alfred Toepfer aufmerksam gemacht worden. Sie wolle, so Mnouchkin, keinen Preis von einem Menschen mit einer NS-Vergangenheit. Entsprechende Vorwürfe gegen Toepfer, den Preisspender, hatte es schon einmal gegeben, 1996, als sich die Stadt Straßburg vom Prix Strasbourg distanzierte, den ebenfalls die Toepfer-Stiftung vergibt. Danach wurde eine Historikerkommission eingesetzt, um die Vergangenheit des Mäzens zu erforschen. Dieser Kommission gehörte auch Professor Hans Mommsen an. Herr Mommsen, war Alfred Toepfer ein Mann mit NS-Vergangenheit?

    Mommsen: Dass Alfred Toepfer während der NS-Zeit auch Beziehungen zur NSDAP gehabt hat, ist ja nicht strittig. Aber ihn als engagierten Nationalsozialisten zu bezeichnen, ist irreführend und wenn ich recht sehe, ist die Entscheidung in Paris beeinflusst worden durch die Lektüre der älteren Darstellung von Herrn Fahlbusch über die Forschungsgemeinschaften, die Toepfer in die Nähe des Holocaust bringt, wovon überhaupt keine Rede sein kann.

    Koldehoff: Herr Fahlbusch ist ein Kollege von Ihnen, ebenfalls Historiker?

    Mommsen: Herr Fahlbusch ist ein deutscher Historiker, der einfach irreführende Schlussfolgerungen in seinem Buch über die Forschungsgemeinschaften niedergelegt hat. Das ist lange zurückgewiesen, auch von dieser Kommission, die Sie erwähnten, ziemlich eindeutig widerlegt, sodass es eigentlich sehr bedauerlich ist, dass sozusagen in der Sache wieder ein völliger Rückfall auf diese Ausgangslage von 1996 stattfindet, der ja auch 1997 zur Einstellung des Straßburger Preises, nachdem er dort abgelehnt wurde, geführt hat.

    Koldehoff: Sehen Sie da einen Zusammenhang? 1997 hat sich die Stadt Straßburg distanziert von einem Prix Strasbourg, den ebenfalls die Toepfer Stiftung ausgelobt hatte.

    Mommsen: Natürlich. Das ist der Zusammenhang, der darin besteht, dass sie eine bestimmte Personengruppe haben, die sich festgelegt hat auf eine Ablehnung Toepfers und die aller Wahrscheinlichkeit nach auch hinter der Beeinflussung der Preisträgerin steht, den Preis, den sie ja schon zugesagt hat, wieder zurückzugeben. Denn diese pauschalen Verdächtigungen, dass Toepfer ein Protagonist des Nationalsozialismus gewesen sei, geht an der Wirklichkeit vorbei. Toepfer war ein ausgeprägt völkisch-national eingestellter Jugendbewegter, der allerdings nirgendwo rassistische Züge vertrat und insofern sich dann doch von der Hauptlinie des NS unterschied. Im Übrigen zu der Zeit, die dann in Frage steht, sich für eine europäische Lösung ausgesprochen hat und die rassische Homogenität eines großgermanischen Reiches gerade nicht mehr anstrebte.

    Koldehoff: Würden Sie das, was er nach 1945 getan hat, Sie haben es gerade selbst beschrieben, den Einsatz für die europäische Einigung, würden Sie das als eine Art, man könnte sagen, Reue- oder Sühnegedanken bezeichnen?

    Mommsen: Dabei ist er ja überhaupt nicht getroffen, denn der hatte nicht das Gefühl, dass er Reue haben müsste oder Sühne.

    Koldehoff: Die Toepfer-Stiftung selbst schreibt auf ihrer Website im Internet bezogen auf die Stiftungsarbeit Toepfers, dass sie ursprünglich mal in einem nationalen Denken befangen gewesen sei, nach dem Ersten Weltkrieg sich dann über kulturelle Förderungen einer so genannten völkischen Gemeinsamkeit und Wesensverwandtheit weiterentwickelt habe. Für Toepfer waren das aber keine kritikwürdigen Einstellungen.

    Mommsen: Wie soll der den zu seiner ganzen Herkunft aus der völkisch-nationalen Bewegung um die Jahrhundertwende und der 20er Jahre zurückgehend, die nicht direkt mit dem Nationalsozialismus, organisatorisch sowieso überhaupt nicht, verbunden war. Insofern ist das einfach eine Beckmesserei, wenn man jetzt von diesem Manne Anfang der 50er Jahre verlangte, diese frühere Tätigkeit pauschal abzulehnen. Er hat Konsequenzen gezogen und insbesondere sich dann sehr für die übrigen europäischen Nationalitäten eingesetzt und die pro-germanische Variante seiner ursprünglichen Zielsetzung weitgehend fallen gelassen. Was will man eigentlich? Er ist natürlich nicht der Edelnazi, der hier gewünscht wird.

    Koldehoff: Also hat im Umkehrschluss Frau Mnouchkine sich schlecht beraten lassen?

    Mommsen: Frau Mnouchkine ist miserabel beraten.

    Koldehoff: Ariane Mnouchkine will keinen Preis von der Hamburger Toepfer Stiftung annehmen. Das war der Historiker Hans Mommsen.